2017-09-08 23:00:00

Papst: „Kolumbien, fürchte dich nicht vor der Wahrheit"


„Vom ersten Tag an habe ich den Moment unseres Treffens herbeigesehnt“: noch deutlicher konnte Papst Franziskus nicht werden, die Versöhnung und damit das nationale Versöhnungstreffen in Villavicencio sind das Zentrum der Reise des Papstes nach Kolumbien. Opfer der Kämpfe trafen dort auf ehemalige Rebellen um gemeinsam zu beten und ein Zeichen für Versöhnung zu setzen.

Keine der Reden und Predigten des Papstes kam bislang ohne das Thema Versöhnung aus, es ist nach Jahrzehnten das große Thema des Landes. Und auch der Friedensvertrag zwischen Regierung und Rebellen garantiert diese Versöhnung noch lange nicht, um so wichtiger war das Versöhnungstreffen und die Präsenz des Papstes, seine Eingangsworte zeigten, dass er sich seiner Rolle bewusst war.

Tragik und große Menschlichkeit

Der Papst sprach von den tragischen Ereignissen, aber auch von der großen Menschlichkeit in Kolumbiens jüngster Geschichte, beides habe es gegeben. Und er verwendete noch einmal große Worte: „Ich komme in Ehrfurcht und im klaren Bewusstsein, mich wie Moses auf heiligem Boden zu befinden“, heilig des vergossenen Blutes der Opfer wegen. Deswegen wolle er auch weniger sprechen als vielmehr hören und in die Augen sehen.

Das Treffen fand statt am Kruzifix von Bojayá, vor dem 2002 Dutzende Menschen, die in einer Kirche Zuflucht genommen hatten, umgebracht wurden. „Christus so zu sehen, verstümmelt und verwundet, ist ein Weckruf an uns. Er hat keine Arme mehr und sein Leib ist nicht mehr vorhanden, aber er bewahrt sein Antlitz und mit ihm schaut er uns an und liebt uns.“ Dieser Jesus lehre, dass der Hass nicht das letzte Wort habe und dass Liebe stärker sei als Tod und Gewalt. Ein Gedanke, der auch in der musikalischen und tänzerischen Gestaltung des Treffens Ausdruck fand.

Einige Menschen berichteten bei dem Treffen von ihrem Leben während der Gewalt. Pastora Mira etwa hat Vater, Mann, Tochter und Sohn nacheinander verloren.

Gewalt bringt Gewalt hervor

„Gewalt bringt wieder Gewalt hervor, Hass wieder Hass und Tod wieder Tod. Wir müssen diesen scheinbar unvermeidlichen Kreislauf durchbrechen, und das ist nur durch Vergebung und Versöhnung möglich“, ging der Papst auf sie ein. „Und du, liebe Pastora, und viele andere wie du, ihr habt uns gezeigt, dass es möglich ist. Ja, mit der Hilfe Christi, der mitten in unserer Gemeinschaft lebendig ist, ist es möglich, den Hass zu besiegen.“

„Die Wunden des Herzens sind tiefer und schwieriger zu heilen als die körperlichen“: Das Opfer eines Bombenanschlags hatte beim Treffen von seinem Schicksal berichtet. Der Papst wies darauf hin, dass der Mann gelernt habe nicht im Groll zu leben und deswegen nun auch anderen helfen könne, die Wunden zu heilen. „Dieses Aus-sich-selbst-Herausgehen hat dich bereichert, hat dir geholfen, nach vorne zu schauen“, so der Papst.

Alle haben verloren

Es hatte auch ein ehemaliges FARC-Mitglied von seiner Zeit im Kampf berichtet, davon dass er alle Bande an die Familie hatte durchschneiden müssen und davon, dass man ihn gelehrt habe, dass Geld und Waffen der einzige Gott seien. Auch die Täter auf Seiten der FARC seien „auf die eine oder andere Weise auch Opfer“ geworden, antwortete der Papst. „Alle vereint in diesem Verlust von Menschlichkeit, den die Gewalt und der Tod mit sich bringen.“

Es sei schwer, den Wandel derer zu akzeptieren, die grausame Gewalt ausgeübt hätten, gab der Papst zu. Das ist eines der Hauptprobleme im Land und daran war auch schon die erste Volksabstimmung zum Friedensabkommen gescheitert, viele Menschen wollten Vergeltung oder zumindest Bestrafung. „Gewiss ist es für jeden von uns eine Herausforderung, darauf zu vertrauen, dass diejenigen einen Schritt vorwärts gehen können, welche ganze Gemeinschaften und ein ganzes Land haben leiden lassen.“

Wahrheit und Gerechtigkeit

Der Papst verwies darauf, dass „Wahrheit die untrennbare Gefährtin der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit“ sei, man könne auch im Friedensprozess das eine nicht ohne das andere haben. Wahrheit müsse zur Versöhnung führen. „Wahrheit heißt, den vom Schmerz zerstörten Familien zu berichten, was mit ihren vermissten Angehörigen geschehen ist. Wahrheit heißt, das zu bekennen, was den von den Gewalttätern angeworbenen Minderjährigen passiert ist. Wahrheit heißt, den Schmerz der Frauen anzuerkennen, die Opfer von Gewalt und Missbrauch geworden sind.“

Und abschließend noch ein Aufruf an Kolumbien: „Fürchte dich weder vor der Wahrheit noch vor der Gerechtigkeit. Liebe Kolumbianer: Habt keine Angst, um Vergebung zu bitten und sie zu gewähren.“ Es sei an der Zeit, Wunden zu heilen, Brücken zu bauen und Unterschiede einzuebnen, auf Rache zu verzichten und ein solidarisches und gerechtes Miteinander zu schaffen. „Bitten wir darum, Werkzeuge des Friedens zu sein, damit wir dort, wo Hass und Groll herrscht, Liebe und Barmherzigkeit bringen“.

 

(rv 08.09.2017 ord)

 








All the contents on this site are copyrighted ©.