2017-08-31 13:18:00

Bischof Kräutler: „Die Zerstörung der Schöpfung geht uns an“


Am 1. September feiern Christen weltweit den Tag der Schöpfung. 2014 rief Papst Franziskus diesen Gedenktag im Sinne seiner Enzyklika Laudato Si ins Leben; er rückt die Bewahrung der Schöpfung in den Mittelpunkt und fordert Christen weltweit auf, sich mit konkreten Handlungen für den Umweltschutz einzusetzen. Der Papst warnt in Laudato Si auch davor, den Naturschutz wirtschaftlichen Interessen zum Opfer fallen zu lassen.

Genau das wirft die katholische Kirche in Brasilien Präsident Michel Temer vor. In der vergangenen Woche beschloss er, das Amazonasschutzgebiet Renca aufzulösen und für Bergbaufirmen freizugeben. Nach Protesten des bischöflichen Amazonasnetzwerkes Repam stoppte nun ein Richter Temers Vorhaben vorerst.

Zu den Kritikern gehört auch der emeritierte aus Österreich stammende Amazonas-Bischof Erwin Kräutler, der bis 2015 in der brasilianischen Diözese Xingu im Amt war. Seit Jahren setzt er sich für den Schutz des Amazonasgebiets ein und erhielt dafür 2010 den alternativen Nobelpreis. Im Gespräch mit Radio Vatikan erklärt er Hintergründe und mögliche Folgen des präsidentiellen Dekrets:

„Es geht darum, Amazonien zu einer Bergwerkregion zu machen und das Volk wird einfach nicht gefragt. Der Präsident nimmt die Füllfeder in die Hand und dekretiert: Dieses Gebiet wird geöffnet für die Bergwerksgesellschaften. Ohne Rücksicht auf Verluste, skrupellos. Und die Leute hier haben das Nachsehen; und die Konsequenzen hier sind irreversibel. Das ist nicht mehr rückgängig zu machen; die Flora und Fauna sind auf Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, geschädigt. Wir haben die Aufgabe, auf die Regierung einzuwirken und zu sagen: So geht das nicht, im Namen Gottes, im Namen des Schöpfers, der uns diese Welt geschaffen hat, in der wir leben, können wir einfach nicht ja und Amen sagen zu dem, was irgendwo ein Präsident sogar gegen die brasilianische Verfassung entscheidet.“

Würden die Bergbaufirmen in der rohstoffreichen Region im Norden des Landes Kupfer, Gold und andere Metalle abbauen, hätte dies die massive Abholzung des Regenwaldes zur Folge. Das Renca-Gebiet ist so groß wie Dänemark und auch Heimat zahlreicher indigener Gemeinschaften. Deren Rechte könnten durch Temers Vorhaben stark eingeschränkt werden, kritisiert Repam. Erwin Kräutler erinnert daran, dass Papst Franziskus im Artikel 146 seiner Enzyklika explizit die Situation der Ureinwohner  anspricht:

„Der Papst hat eine besondere Sensibilität für die indigenen Völker  mit ihren kulturellen Traditionen, ihnen besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Sie sind nicht nur eine einfache Minderheit. Sie müssen viel mehr die wesentlichen Ansprechpartner werden; und das gerade im Zusammenhang mit Amazonien; gerade im Zusammenhang mit diesem unseligen Dekret, dass das der Präsident Temer unterschrieben hat. Er hat es jetzt zurückgenommen, aber in einer neuen Version herausgegeben. Man könnte sagen, das ist eine „Version light“, aber der Kern, die Aggression auf Amazonien, besteht weiter.“

Kräutler kritisiert die Gleichgültigkeit, mit der viele Menschen heutzutage ihre eigene Bereicherung oder auch nur Bequemlichkeit über die Bewahrung der Schöpfung stellen würden. Man müsse sich über die Dringlichkeit der Probleme bewusst werden, fordert er, und darauf reagieren. Um die Erderwärmung zu bekämpfen, müssten sich Lebensstil, Produktion und Konsum verändern.

„Es geht um das Überleben des Planeten Erde. Es geht um unsere Verantwortung, die wir als Christen, als Söhne und Töchter Gottes übernommen haben. Der Papst schaut auf diese Mitwelt – also man spricht nicht mehr von einer Mitwelt in diesem Sinne, dass es uns gegenüber steht, sondern das ist die Mitwelt, zu der wir alle gehören. Wir sind verantwortlich dafür , weil wir vernunftbegabte Wesen sind. Wir können nicht einfach so tun, als ob uns das nichts anginge und denken: Nach uns die Sintflut. Wir sind verantwortlich für die kommenden Generationen. Und gerade in Bezug auf das Amazonas-Gebiet hat unser lieber Papst Franziskus ganz besonders auf die Ökosysteme der tropischen Regenwälder hingewiesen. Nummer 38 in Laudato Si spricht ganz klar die Ökosysteme der tropischen Regenwälder an, denn die enthalten eine biologische Vielfalt von einer enormen Komplexität, die ganz zu kennen beinahe unmöglich ist.“

Er spricht von der Notwendigkeit, „legitime Druckmittel“ einzusetzen, wenn die Regierung in Bezug auf den Umweltschutz ihre Pflicht nicht erfülle. Dem emeritierten Bischof ist es ein großes Anliegen, die päpstliche Botschaft für den Umweltschutz zu verbreiten. Deshalb organisiere di Kirche in Brasilien besondere Seminare, die die Enzyklika Laudato Si „unter das Volk bringen“ sollen. Die Worte des Papstes sollten dort nicht nur gelesen werden – auch von Laien - sondern auch konkret in die Tat umgesetzt.

„Was können wir ganz klar tun, damit Laudato Si nicht nur irgendein Büchlein ist, das im Regal liegt, sondern in die Aufgabe und in den Bereich des kirchlichen Einsatz für eine bessere Welt hineinkommt? Ich meine, wir haben in diesem Zusammenhang richtige Erfolge erzielt; dass Leute ganz begeistert sind um diese Enzyklika, und sagen: Gott sei Dank, die Kirche hat hier ein Wort gesprochen. Aber diese Wort darf nicht irgendwie vom Tisch fallen oder verschwinden, sondern wir haben diese Aufgabe. Wir danken unserem Papst, dass er ganz klare Worte gefunden hat.“

(rv 31.08.2017 jm)

 








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