2017-08-28 14:31:00

Myanmar: Randgebiete oft von großer Armut gekennzeichnet


Sie werden verfolgt, vertrieben und getötet. Der Umgang der Behörden Myanmars mit der muslimischen Minderheit der Rohingya sorgt für internationale Proteste. Auch Papst Franziskus fordert den Respekt gegenüber dieser Volksgruppe. Ob er darüber bei seinem nun angekündigten Besuch in Myanmar Ende November mit der Regierung sprechen wird, ist noch nicht bekannt. Die katholische Kirche ist in dem südostasiatischen Land ebenfalls eine Minderheit, doch kirchliche Hilfswerke helfen und sind vor Ort präsent, wie beispielsweise Malteser International. Malteser International hilft nicht nur den Rohingyas, sondern generell allen Gruppen in Myanmar, darunter befinden sich u.a. auch andere muslimische Gruppen am selben Ort.

Maren Paech arbeitet in der Zentrale von Malteser International in Köln und ist für die Ländergruppenleitung Myanmar und Thailand tätig. Wir haben mit ihr über die Rohingyas in Myanmar gesprochen.

 

RV: In Myanmar werden die muslimischen Rohingya verfolgt. Im Bundesstaat Rakhine haben sich mehrere von ihnen bewaffnet und Polizisten attackiert. Über 100 Menschen starben. Haben Sie Kontakt zu den Rohingyas und erhält diese Volksgruppe von ihnen Hilfe?

Paech: Ja, Malteser International arbeitet seit 2003 im Rakhine-Staat und dort auch im nördlichen Teil, wo über 90 Prozent muslimische Bevölkerung lebt. Von denen bezeichnen sich die meisten als Rohingya. Malteser hat dort ein umfassendes Gesundheits-, Ernährungs- und Wasser-Sanitär-Programm. Das ist zugänglich für alle Bevölkerungsgruppen, umfasst also auch muslimische Gemeinden, die dort überwiegend leben. Es wird dort sehr eng mit den Gemeinden und auch den staatlichen Gesundheitsdiensten zusammengearbeitet. Malteser hat auch ein großes Team vor Ort, von über 170 nationalen Mitarbeitern, und das ist auch ein gemischtes Team. Es arbeiten dort also buddhistische und muslimische Mitarbeiter sehr gut zusammen.

Diese Volksgruppe erhält Hilfe, weil der Rakhine-Staat eine der höchsten Armutsraten in Myanmar hat. Daher leisten dort sehr viele internationale Organisationen Hilfe. Das passiert unter anderem im zentralen Rakhine-Staat, wo noch ungefähr 120.000 Angehörige der muslimischen Bevölkerung in Flüchtlingslagern leben, seit den großen Unruhen 2012. Im nördlichen Rakhine-Staat leben die Menschen in Dörfern und werden auch dort von internationalen Organisationen unterstützt, zum Beispiel in der Gesundheitsversorgung oder auch beim Zugang zu Wasserversorgung oder Sanitäranlagen, aber auch durch regelmäßige Nothilfeverteilung nach Konflikten oder Naturkatastrophen, die diese Region leider auch sehr oft betreffen. Zum Beispiel gab es im Mai den Zyklon Mora, der den Menschen erneut ihre Lebensgrundlage entrissen hat. Seit dem Ausbruch der jüngsten Unruhen am Freitag ist die Hilfe jetzt aber unterbrochen, da alle Hilfsprojekte suspendiert werden mussten.

RV: Weshalb leben die Rohingya unter diesen schrecklichen Umständen? Woran liegt das?

Paech: Generell sind diese konfliktbetroffenen Randgebiete in Myanmar oft von großer Armut gekennzeichnet. Der nördliche Rakhine-Staat gehört auch zu den ärmsten Regionen. Wir haben dort in eigenen Studien zum Beispiel herausgefunden, dass fast 80 Prozent der Haushalte von weniger als einem Dollar pro Tag leben und über 50 Prozent der Befragten keine Schulbildung haben. Die Gesundheitsversorgung ist noch sehr schlecht ausgebaut und die Mütter- und Kindersterblichkeit sehr hoch. Viele Kinder sterben an einfach behandelbaren Krankheiten wie Durchfall oder Malaria. Die Menschen müssen zur Gesundheitsversorgung oft erst stundenlang laufen. Hinzukommen die wiederkehrenden gewaltsamen Konflikte, die immer wieder Menschen vertreiben. Es kam zum Beispiel letzten Oktober zu Massenfluchten nach Bangladesch. Oder die Naturkatastrophen, die die Region jedes Jahr treffen und immer wieder die Lebensgrundlagen zerstören.“

RV: Spielt denn die Religion in diesem Konflikt eine Rolle? Hat das auch damit zu tun, dass die Rohingya Muslime sind ?

Paech: Myanmar ist ein Vielvölkerstaat mit 135 anerkannten Bevölkerungsgruppen. Die leben teilweise friedlich zusammen, aber viele Minderheiten wünschen sich auch mehr Eigenständigkeit und versuchen, das durch bewaffnete Kämpfe einzufordern. Konflikte gibt es nicht nur im Rakhine-Staat, mit der muslimischen Minderheit, sondern auch zum Beispiel im Kachin-Staat und in anderen Brennpunkten des Landes. Da gibt es immer noch ein hohes Konfliktpotential, und der Friedenprozess ist noch nicht so weit vorangeschritten, dass überall harmonisch zusammen gelebt würde.

RV: Das Malteser-Hilfswerk ist christlich geprägt. Wie wird das dort wahrgenommen, auch zum Beispiel von den muslimischen Rohingyas? Spielt das eine Rolle, oder geht man da über die Religion hinweg?

Paech: Die Religion spielt da keine Rolle. Malteser sind seit 2001 mit eigenen Strukturen in Myanmar tätig und arbeitet in den konfliktbetroffenen Randgebieten. Es hat sich über die Jahrzehnte eine sehr vertraute Zusammenarbeit mit den Gemeinden und den Behörden aufgebaut. Da geht es rein um die gute Zusammenarbeit, die professionelle Hilfe; und die wird sowohl für akute Nothilfemaßnahmen regelmäßig geleistet also auch für den Aufbau langfristiger Strukturen. Das basiert auf einer sehr vertrauensvollen Zusammenarbeit und die Religion spielt da keine Rolle für uns.

RV: Bangladesch hat angeblich 400.000 Rohingya-Flüchtlinge aufgenommen. Viele von ihnen leben in Flüchtlingscamps. Helfen die Malteser auch diesen Flüchtlingen in den Camps?

Paech: Nein, Malteser hat kein Programm in Bangladesch. Wir sind direkt an der Grenze zu Bangladesch, denn der Rakhine-Staat liegt dort. Dort sind wir seit 2003 tätig, in Bangladesch aber bisher noch nicht. Dort gibt es viele andere Organisationen, die sich um die Flüchtlinge kümmern. Also wir kümmern uns oft um die Flüchtlinge, die nicht über die Grenze können und zurückkommen und leisten für sie Nothilfe.

RV: Nun ist auch an diesem Montag bekannt geworden, dass Papst Franziskus Ende November Myanmar und Bangladesch besuchen wird. Kann er Ihrer Meinung nach in diesem Ländern eine Rolle als Vermittler spielen? Kann das Oberhaupt der katholischen Kirche dort überhaupt einen Einfluss auf die Politik und Gesellschaft ausüben, um den Umgang mit einer Minderheit wie den Rohingyas zu verbessern?

Paech: Das hoffen wir natürlich sehr. Andererseits hat sich bisher gezeigt, dass dort eine sehr komplexe Situation ist. Jetzt gab es gerade die Veröffentlichung des Berichtes der Kommission von Kofi Annan, bei der es um die Unruhen ging. Es wurde schon versucht, auch viel an den Ursachen zu machen und Handlungsempfehlungen zu geben. Von daher ist es sicherlich gut, dass der Papst mit seiner Präsenz für mehr Öffentlichkeit sorgen wird, weil wir alle sehr hoffen, dass der Konflikt beendet wird, was dringend notwendig ist. Ich denke, der Papst kann einen Beitrag leisten für den Dialog und die Vertrauensbildung aller Bevölkerungsgruppen in Myanmar, nicht nur im Rakhine-Staat. Wir müssen abwarten, aber drücken die Daumen, dass es etwas bewirkt.

(rv 28.08.2017 mg)








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