Prof. Edward Fröhling, Palottiner, Lehrstuhl
für Fundamentaltheologie an der Hochschule Vallendar bei Koblenz. Unsere Fragen an
ihn: Was können Wissenschaft und Religion voneinander lernen? Wissenschaft basiert
auf Zweifeln und Hinterfragen, Religion baut auf Glaube und Dogma. In der Religion
ist Glaube eine Stärke, in der Wissenschaft eine Schwäche. Warum also sprechen wir
überhaupt über die Beziehung zwischen diesen Welten? Ein spannendes Gespräch.
Herr Prof. Pater Fröhling, das Wort Fundamentaltheologie wirkt auf den Laien
etwas einschüchternd. Dabei ist es für den normalen Menschen gerade die Disziplin,
die seinem Denken, seiner Einstellung zur Religion, seinen Zweifeln, näher liegt,
als andere theologische Fachrichtungen und Disziplinen. Denn der Fundamentaltheologie
fällt die Aufgabe zu, den Glauben angesichts der Vernunft rational zu begründen. Ich
meine, sie, die Fundamentaldisziplin, liegt der Philosophie am nächsten; und die meisten
Menschen sind zwar nicht Philosophen, aber sie philosophieren gerne. Wie steht es
also heute um das Verhältnis von Glaube und Vernunft, von Religion und Wissenschaft?
Ja, das Verhältnis zwischen Glaube und Wissenschaft ist von der Tradition her immer
ein umstrittenes gewesen. Ich glaube, das Hauptproblem liegt darin, dass wir oft mit
einem ziemlich eingeschränkten Vernunftbegriff operieren, als ginge es darum, alles
genau nachweisbar, wie wir es in den Naturwissenschaften tun, experimentell erweisen
zu können, und das kann man mit Gott natürlich nicht tun, den man eben nicht sehen
kann, nicht begreifen. Der Kardinal Ratzinger hat mal sehr schön gesagt: „Gott entzieht
sich diesem Zugriff des begreifenden Denkens und der hat er glaub ich etwas sehr Wahres
gesagt; die Theologie kann Grenzaussagen an der Grenze zum Unsagbaren machen und dann
im Grunde da hinüber weisen. Die Frage ist natürlich, ob dieses Hinüberweisen in etwas,
das nicht im strengen Sinne experimentell beweisbar ist, ob das mit der Vernunft gedeckt
ist, als ob der Glaube etwas ist, das ich vernünftig annehmen kann, auch wenn es sich
dem Zugriff der Vernunft entzieht, und dafür müssen wir natürlich andere Weg gehen
als in der Naturwissenschaft, die viel zu tun haben mit dem Hunger, der Sehnsucht,
der Frage nach Sinn, der Verortung des Lebens auch in Grundprinzipien, auf die ich
mich wirklich verlassen kann. Also wenn ich an die Theologie der Kirchenväter schaue,
dann spielt der Eros, die Sehnsucht, der Hunger nach Leben eine große Rolle, das Vertrauen,
und so ist die Vernunft mit der wir arbeiten – Johann Baptiste Metz nennt es eine
Vernunft, die sich mit dem Vermissungswissen beschäftigt; das ist ja nicht unvernünftig,
aber sie gibt sich nicht zufrieden mit dem, was ich beweisen und genau selber im Griff
haben kann.
Fundamentaltheologen müssen also beurteilen, ob die Kernaussagen des Glaubens
stimmen. Fundamentaltheologie spielt also eine wichtige Rolle. Und ist durchaus auch
als ein wissenschaftliches Unterfangen zu verstehen. Wie steht es aber um ihre Wissenschaftlichkeit,
Herr Professor?
Die Wissenschaftlichkeit der Fundamentaltheologie ist in erster Linie eine hermeneutische
Arbeit, im Grunde menschliche Erfahrung zu berücksichtigen, auszulegen, zu kommentieren
und in einen Gesamtzusammenhang menschlichen Lebensvollzugs einzuordnen. Und in dem
Sinne kann man sie glaub ich durchaus als eine wissenschaftliche Arbeit bezeichnen,
die aber ihre eignen Methoden hat.
Die Theologie als Wissenschaft hat es in der heutigen Welt sicher nicht leicht.
Sie steht von zwei Seiten unter Druck: auf der einen wird sie von Religionsgegnern
bedrängt sowie von Leuten, die überzeugt davon sind, das Religion und Wissenschaft,
Glaube und Vernunft einander grundsätzlich ausschließen. Theologie muss beiden Kräften
standhalten, wenn sie das bleiben will, was sie im Abendland geworden ist, nämlich
eine Synthese des christlichen Glaubens mit der Vernunft. Gelingt ihr das?
Das gelingt ihr wahrscheinlich nicht immer, aber sie muss sich darum bemühen. Grundsätzlich
muss der Glaube erweisen, dass er zumindest nicht unvernünftig ist, auch , wenn er
manchmal die Grenzen der natürlichen Vernunft überschreitet und die Theologie setzt
natürlich in gewisser Weise voraus, die Glaubensüberlieferung der Kirche, was natürlich
auch heißt, das nicht jeder einfach so seinen Glauben haben kann, das wäre im Grunde
der moderne Gegenentwurf, sondern ich muss erweisen, ob das, woran ich glaube wirklich
tragfähig ist, ob es allgemein zumindest von der Möglichkeit her jedem Menschen zugänglich
ist und dann ist es eben die Vernunft, von der es, wie die Dominikaner es interpretiert
haben, im Johannes-Evangelium heißt: „Das ist das Licht, das jeden Menschen erleuchtet,
der in die Welt kommt“.
Letztlich, Pater Fröhling, geht es um das Suchen und Fragen des Menschen selbst.
Wenn wir in unserem Leben einen Sinn suchen, einen letzten Grund, auf den wir bauen
können, einen Halt, ein Fundament, etwas oder jemanden der unsere Welt im Innersten
zusammenhält. Nicht umsonst hat Papst Benedikt Emeritus, Kurienkardinal Ravasi mit
der Einrichtung Vorhof der Völker damit beauftragt, sich auch Agnostikern gegenüber,
die tiefgründige Zweifel oder Desinteresse am Glauben haben, zu öffnen.
Ja, das hat er, denke ich, sehr zurecht getan, eben weil das, was Menschen verbindet
auf ihrer Suche nach Sinn gerade ihre Fähigkeit ist, zu fragen, zu suchen, sich zu
vergewissern, nicht zu früh zufrieden zu sein mit Antworten, mit denen wir oft auch
abgespeist werden, als wäre alles, was für unser Leben relevant ist, sozusagen auch
naturwissenschaftlich nachweisbar. Das ist, glaube ich, einfach nicht so.
Darf ich etwa zwei Stockwerke tiefer steigen , und wir befinden uns jetzt
auf der Etage der allgemeinen Volksmeinungen. Wann ist der Mensch entstanden? In sieben
Tagen, wie es in der Bibel steht, oder in 13,7 Milliarden Jahren, nach wissenschaftlichem
Stand von heute?
Also in diesem Fall ist glaube ich, die wissenschaftliche Einsicht der Naturwissenschaft
sehr eindeutig, dass der Mensch nicht in sieben Tagen entstanden ist, das ist dann
eine Aufgabe der Theologie, zu fragen: Warum erzähle ich so eine Schöpfungsgeschichte?
Die Frage der Hermeneutik, der Umgang mit religiösen Texten. Aber jeder merkt eigentlich,
wenn er aufmerksam ist, dass es der Bibel nicht um eine Mitteilung eines bestimmten
Zeitpunktes menschlicher Entstehung gehen kann, denn wir sehen ja schon, dass direkt
hintereinander zwei Schöpfungsberichte dort aufscheinen, die dieses Geschehen auf
unterschiedliche Weise erzählen, und ich glaube, so intelligent wären auch die biblischen
Schriftsteller, wenn es um die sieben Tage ginge, hätten sie den zweiten Schöpfungsbericht
rausgeschmissen. Es geht also sort um eine Beziehungsaussage: Wie stellt sich das
Verhältnis zwischen Gott und Mensch da? Das ist eine andere Fragestellung als die
naturwissenschaftliche nach einer Entstehungsperiode.
Hat Gott die Lebewesen erschaffen, oder sind wir Produkte eines ziellos zufälligen
Evolutionsprozesses, Herr Professor?
Wir sind, glaube ich, Produkt eines Evolutionsprozesses, der aber nicht ziellos ist,
sondern der sich einem Schöpfungsmotiv Gottes verdankt, was für uns auch bedeutet,
wir sind eben nicht rein zufällig da, sondern hinter unserem Leben steht eine Kraft,
eine göttliche Wirklichkeit, die wirklich unsere Existenz haben will und die damit
ein Interesse verfolgt; und das ist das erste Interesse – das es uns wirklich geben
soll und dass wir eine Aufgabe auch in dieser Welt haben.
Dreht sich die Erde, Herr Professor Fröhling, nicht doch um die Sonne, auch
wenn Galileo Galilei dem abschwören musste?
Ja, natürlich dreht sich die Erde um die Sonne, aber unser inneres Leben, worum dreht
sich dieses? Das ist, glaube ich, die eigentliche Frage der Theologie. Worauf ist
der Mensch wirklich „seinsmäßig“ bezogen, was gibt ihm Halt in seinem Leben, und das
ist eben nicht die Sonne, sondern das ist das göttliche Geheimnis, aus dem wir herauskommen
und auf das wir auch zielgerichtet hin leben, um eben in der Beziehung zu Gott unsere
Vollendung zu finden. Ich glaube, die Beziehungsfrage ist die Hauptfrage, die Theologie
von Naturwissenschaft letztlich dann unterscheidet.
Sind wir Menschen, angeblich die Krone der Schöpfung, mitsamt unserem Planeten
nicht ein kosmisches Randphänomen?
Die Theologie würde sagen – oder ich würde sagen – die Hauptsache ist, das Gott offenbar
ein Interesse an diesem Randphänomen hat, das ist ja das große Geheimnis unseres Lebens:
Warum gibt es uns überhaupt? Warum soll es solche Randphänomene geben, die wir sind?
Ich bin nicht selber das Zentrum des Universums, muss ich auch nicht sein, sondern
Gott hat – wenn das stimmt mit der Schöpfung- offenbar eine Vorliebe für das Kleine,
für das Randständige, und dazu gehört in dem Sinne auch die Erde mit der Menschheit
darauf.
Muss ein Katholik glauben, dass Alles, was ein Papst sagt, wahr ist, obwohl
wir ganz genau wissen, dass auch er ein Mensch ist, den gleichen psychologischen Gesetzen
und der Unabänderlichkeit, dass seine Meinungen gelegentlich falsch waren, unterworfen
ist?
Nicht alles, was der Papst sagt, muss von vornherein geglaubt werden; das ist, glaube
ich, deutlich; das weiß auch jeder Papst selber, dass er ein Mensch ist und kein Übermensch,
sondern es gibt sehr ausgewählte, spezielle Themenfelder, wo der Papst unter besonderen
Bedingungen – das sind aber Ausnahmefälle – im Grunde eingreift oder eingreifen muss,
wo eine Überzeugung sehr deutlich aus der religiösen Überlieferung und auch vor dem
Forum der Vernunft als deutlich sichtbar benannt werden kann. Also wenn er ex cathedra
etwas verkündet oder spricht aber das sind die seltensten Fälle. Ansonsten ist auch
der Papst ein suchender, fragender, denkender Mensch und Gott sei Dank ein denkender
Mensch , und es werden ja offensichtlich nicht die dümmsten Menschen zum Papst ausgewählt,
wenn wir in die vor allem auch jüngere Kirchengeschichte schauen.
Ja, und jetzt die letzte, aber wohl auch am häufigsten gestellte Frage, sowohl
von Gläubigen als auch von ungläubigen Menschen. Wie kann man angesichts des Leides
in der Welt gleichzeitig von einem Gott behaupten, er sei allwissend, er sei allgütig
und allmächtig und könne also auch jederzeit alles ändern?
Oh, diese Frage ist natürlich eine schwierige Frage. Ich glaube, man kann es oft nur
tun, wenn man wirklich auf die Person Jesu und die Überlieferung der Kirche schaut,
wo ich sehe, dass gerade die Person Jesu jemand ist, der sich auf diesen allgütigen
Gott hin verlässt und im wahrsten Sinne des Wortes sich darauf verlässt, das eigene
Sein lassen kann und wegschenken kann ,eben weil er so sehr vertraut auf die unverbrüchliche
Liebe und Treue dieses geheimnisvollen Gottes. Sonst, innerweltlich, zeigt sich diese
Überzeugung dieses allmächtigen Gottes der Güte vor allem in der Tradition der Klage
und der Frage, wenn wir ehrlich sind.
Auch in der biblischen Überlieferung selber: Der Hauptteil der Psalmen, die uns überliefert
sind, sind keine Lobpsalmen, sondern es sind Klage- und Fragepsalmen. Vielleicht ist
das unser Verhältnis zu diesen theologischen Überzeugungen, wenn ich sie in Lebenspraxis
übersetze. Auch das Leiden an Gott und der Entzogenheit, der Unbegreiflichkeit.
Ich danke Ihnen vielmals.
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