2017-08-20 16:16:00

Menschen in der Zeit: Edward Fröhling


Prof. Edward Fröhling, Palottiner, Lehrstuhl für Fundamentaltheologie an der Hochschule Vallendar bei Koblenz. Unsere Fragen an ihn: Was können Wissenschaft und Religion voneinander lernen? Wissenschaft basiert auf Zweifeln und Hinterfragen, Religion baut auf Glaube und Dogma. In der Religion ist Glaube eine Stärke, in der Wissenschaft eine Schwäche. Warum also sprechen wir überhaupt über die Beziehung zwischen diesen Welten? Ein spannendes Gespräch.
 

Herr Prof. Pater Fröhling, das Wort Fundamentaltheologie wirkt auf den Laien etwas einschüchternd. Dabei ist es für den normalen Menschen gerade die Disziplin, die seinem Denken, seiner Einstellung zur Religion, seinen Zweifeln, näher liegt, als andere theologische Fachrichtungen und Disziplinen. Denn der Fundamentaltheologie fällt die Aufgabe zu, den Glauben angesichts der Vernunft rational zu begründen. Ich meine, sie, die Fundamentaldisziplin, liegt der Philosophie am nächsten; und die meisten Menschen sind zwar nicht Philosophen, aber sie philosophieren gerne. Wie steht es also heute um das Verhältnis von Glaube und Vernunft, von Religion und Wissenschaft?

Ja, das Verhältnis zwischen Glaube und Wissenschaft ist von der Tradition her immer ein umstrittenes gewesen. Ich glaube, das Hauptproblem liegt darin, dass wir oft mit einem ziemlich eingeschränkten Vernunftbegriff operieren, als ginge es darum, alles genau nachweisbar, wie wir es in den Naturwissenschaften tun, experimentell erweisen zu können, und das kann man mit Gott natürlich nicht tun, den man eben nicht sehen kann, nicht begreifen. Der Kardinal Ratzinger hat mal sehr schön gesagt: „Gott entzieht sich diesem Zugriff des begreifenden Denkens und der hat er glaub ich etwas sehr Wahres gesagt; die Theologie kann Grenzaussagen an der Grenze zum Unsagbaren machen und dann im Grunde da hinüber weisen. Die Frage ist natürlich, ob dieses Hinüberweisen in etwas, das nicht im strengen Sinne experimentell beweisbar ist, ob das mit der Vernunft gedeckt ist, als ob der Glaube etwas ist, das ich vernünftig annehmen kann, auch wenn es sich dem Zugriff der Vernunft entzieht, und dafür müssen wir natürlich andere Weg gehen als in der Naturwissenschaft, die viel zu tun haben mit dem Hunger, der Sehnsucht, der Frage nach Sinn, der Verortung des Lebens auch in Grundprinzipien, auf die ich mich wirklich verlassen kann. Also wenn ich an die Theologie der Kirchenväter schaue, dann spielt der Eros, die Sehnsucht, der Hunger nach Leben eine große Rolle, das Vertrauen, und so ist die Vernunft mit der wir arbeiten – Johann Baptiste Metz nennt es eine Vernunft, die sich mit dem Vermissungswissen beschäftigt; das ist ja nicht unvernünftig, aber sie gibt sich nicht zufrieden mit dem, was ich beweisen und genau selber im Griff haben kann.
 
Fundamentaltheologen müssen also beurteilen, ob die Kernaussagen des Glaubens stimmen. Fundamentaltheologie spielt also eine wichtige Rolle. Und ist durchaus auch als ein wissenschaftliches Unterfangen zu verstehen. Wie steht es aber um ihre Wissenschaftlichkeit, Herr Professor?

Die Wissenschaftlichkeit der Fundamentaltheologie ist in erster Linie eine hermeneutische Arbeit, im Grunde menschliche Erfahrung zu berücksichtigen, auszulegen, zu kommentieren und in einen Gesamtzusammenhang menschlichen Lebensvollzugs einzuordnen. Und in dem Sinne kann man sie glaub ich durchaus als eine wissenschaftliche Arbeit bezeichnen, die aber ihre eignen Methoden hat.
 
Die Theologie als Wissenschaft hat es in der heutigen Welt sicher nicht leicht. Sie steht von zwei Seiten unter Druck: auf der einen wird sie von Religionsgegnern bedrängt sowie von Leuten, die überzeugt davon sind, das Religion und Wissenschaft, Glaube und Vernunft einander grundsätzlich ausschließen. Theologie muss beiden Kräften standhalten, wenn sie das bleiben will, was sie im Abendland geworden ist, nämlich eine Synthese des christlichen Glaubens mit der Vernunft. Gelingt ihr das?

Das gelingt ihr wahrscheinlich nicht immer, aber sie muss sich darum bemühen. Grundsätzlich muss der Glaube erweisen, dass er zumindest nicht unvernünftig ist, auch , wenn er manchmal die Grenzen der natürlichen Vernunft überschreitet und die Theologie setzt natürlich in gewisser Weise voraus, die Glaubensüberlieferung der Kirche, was natürlich auch heißt, das nicht jeder einfach so seinen Glauben haben kann, das wäre im Grunde der moderne Gegenentwurf, sondern ich muss erweisen, ob das, woran ich glaube wirklich tragfähig ist, ob es allgemein zumindest von der Möglichkeit her jedem Menschen zugänglich ist und dann ist es eben die Vernunft, von der es, wie die Dominikaner es interpretiert haben, im Johannes-Evangelium heißt: „Das ist das Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der in die Welt kommt“.
 
Letztlich, Pater Fröhling, geht es um das Suchen und Fragen des Menschen selbst. Wenn wir in unserem Leben einen Sinn suchen, einen letzten Grund, auf den wir bauen können, einen Halt, ein Fundament,  etwas oder jemanden der unsere Welt im Innersten zusammenhält. Nicht umsonst hat Papst Benedikt Emeritus, Kurienkardinal Ravasi mit der Einrichtung Vorhof der Völker damit beauftragt, sich auch Agnostikern gegenüber, die tiefgründige Zweifel oder Desinteresse am Glauben haben, zu öffnen.

Ja, das hat er, denke ich, sehr zurecht getan, eben weil das, was Menschen verbindet auf ihrer Suche nach Sinn gerade ihre Fähigkeit ist, zu fragen, zu suchen, sich zu vergewissern, nicht zu früh zufrieden zu sein mit Antworten, mit denen wir oft auch abgespeist werden, als wäre alles, was für unser Leben relevant ist, sozusagen auch naturwissenschaftlich nachweisbar. Das ist, glaube ich, einfach nicht so.

Darf ich etwa zwei Stockwerke tiefer steigen , und wir befinden uns jetzt auf der Etage der allgemeinen Volksmeinungen. Wann ist der Mensch entstanden? In sieben Tagen, wie es in der Bibel steht, oder in 13,7 Milliarden Jahren, nach wissenschaftlichem Stand von heute?

Also in diesem Fall ist glaube ich, die wissenschaftliche Einsicht der Naturwissenschaft sehr eindeutig, dass der Mensch nicht in sieben Tagen entstanden ist, das ist dann eine Aufgabe der Theologie, zu fragen: Warum erzähle ich so eine Schöpfungsgeschichte? Die Frage der Hermeneutik, der Umgang mit religiösen Texten. Aber jeder merkt eigentlich, wenn er aufmerksam ist, dass es der Bibel nicht um eine Mitteilung eines bestimmten Zeitpunktes menschlicher Entstehung gehen kann, denn wir sehen ja schon, dass direkt hintereinander zwei Schöpfungsberichte dort aufscheinen, die dieses Geschehen auf unterschiedliche Weise erzählen, und ich glaube, so intelligent wären auch die biblischen Schriftsteller, wenn es um die sieben Tage ginge, hätten sie den zweiten Schöpfungsbericht rausgeschmissen. Es geht also sort um eine Beziehungsaussage: Wie stellt sich das Verhältnis zwischen Gott und Mensch da? Das ist eine andere Fragestellung als die naturwissenschaftliche nach einer Entstehungsperiode.
 
Hat Gott die Lebewesen erschaffen, oder sind wir Produkte eines ziellos zufälligen Evolutionsprozesses, Herr Professor?

Wir sind, glaube ich, Produkt eines Evolutionsprozesses, der aber nicht ziellos ist, sondern der sich einem Schöpfungsmotiv Gottes verdankt, was für uns auch bedeutet, wir sind eben nicht rein zufällig da, sondern hinter unserem Leben steht eine Kraft, eine göttliche Wirklichkeit, die wirklich unsere Existenz haben will und die damit ein Interesse verfolgt; und das ist das erste Interesse – das es uns wirklich geben soll und dass wir eine Aufgabe auch in dieser Welt haben.
 
Dreht sich die Erde, Herr Professor Fröhling, nicht doch um die Sonne, auch wenn Galileo Galilei dem abschwören musste?

Ja, natürlich dreht sich die Erde um die Sonne, aber unser inneres Leben, worum dreht sich dieses? Das ist, glaube ich, die eigentliche Frage der Theologie. Worauf ist der Mensch wirklich „seinsmäßig“ bezogen, was gibt ihm Halt in seinem Leben, und das ist eben nicht die Sonne, sondern das ist das göttliche Geheimnis, aus dem wir herauskommen und auf das wir auch zielgerichtet hin leben, um eben in der Beziehung zu Gott unsere Vollendung zu finden. Ich glaube, die Beziehungsfrage ist die Hauptfrage, die Theologie von Naturwissenschaft letztlich dann unterscheidet.
 
Sind wir Menschen, angeblich die Krone der Schöpfung, mitsamt unserem Planeten nicht ein kosmisches Randphänomen?

Die Theologie würde sagen – oder ich würde sagen – die Hauptsache ist, das Gott offenbar ein Interesse an diesem Randphänomen hat, das ist ja das große Geheimnis unseres Lebens: Warum gibt es uns überhaupt? Warum soll es solche Randphänomene geben, die wir sind? Ich bin nicht selber das Zentrum des Universums, muss ich auch nicht sein, sondern Gott hat – wenn das stimmt mit der Schöpfung- offenbar eine Vorliebe für das Kleine, für das Randständige, und dazu gehört in dem Sinne auch die Erde mit der Menschheit darauf.
 
Muss ein Katholik glauben, dass Alles, was ein Papst sagt, wahr ist, obwohl wir ganz genau wissen, dass auch er ein Mensch ist, den gleichen psychologischen Gesetzen und der Unabänderlichkeit, dass seine Meinungen gelegentlich falsch waren, unterworfen ist?

Nicht alles, was der Papst sagt, muss von vornherein geglaubt werden; das ist, glaube ich, deutlich; das weiß auch jeder Papst selber, dass er ein Mensch ist und kein Übermensch, sondern es gibt sehr ausgewählte, spezielle Themenfelder, wo der Papst unter besonderen Bedingungen – das sind aber Ausnahmefälle – im Grunde eingreift oder eingreifen muss, wo eine Überzeugung sehr deutlich aus der religiösen Überlieferung und auch vor dem Forum der Vernunft als deutlich sichtbar benannt werden kann. Also wenn er ex cathedra etwas verkündet oder spricht aber das sind die seltensten Fälle. Ansonsten ist auch der Papst ein suchender, fragender, denkender Mensch und Gott sei Dank ein denkender Mensch , und es werden ja offensichtlich nicht die dümmsten Menschen zum Papst ausgewählt, wenn wir in die vor allem auch jüngere Kirchengeschichte schauen.
 
Ja, und jetzt die letzte, aber wohl auch am häufigsten gestellte Frage, sowohl von Gläubigen als auch von ungläubigen Menschen. Wie kann man angesichts des Leides in der Welt gleichzeitig von einem Gott behaupten, er sei allwissend, er sei allgütig und allmächtig und könne also auch jederzeit alles ändern?

Oh, diese Frage ist natürlich eine schwierige Frage. Ich glaube, man kann es oft nur tun, wenn man wirklich auf die Person Jesu und die Überlieferung der Kirche schaut, wo ich sehe, dass gerade die Person Jesu jemand ist, der sich auf diesen allgütigen Gott hin verlässt und im wahrsten Sinne des Wortes sich darauf verlässt, das eigene Sein lassen kann und wegschenken kann ,eben weil er so sehr vertraut auf die unverbrüchliche Liebe und Treue dieses geheimnisvollen Gottes. Sonst, innerweltlich, zeigt sich diese Überzeugung dieses allmächtigen Gottes der Güte vor allem in der Tradition der Klage und der Frage, wenn wir ehrlich sind.
Auch in der biblischen Überlieferung selber: Der Hauptteil der Psalmen, die uns überliefert sind, sind keine Lobpsalmen, sondern es sind Klage- und Fragepsalmen. Vielleicht ist das unser Verhältnis zu diesen theologischen Überzeugungen, wenn ich sie in Lebenspraxis übersetze. Auch das Leiden an Gott und der Entzogenheit, der Unbegreiflichkeit.
 
Ich danke Ihnen vielmals.








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