2017-08-14 09:05:00

Jesuiten-Flüchtlingsdienst: „Der Papst schwimmt gegen Strom"


„Es bedarf eines großzügigeren Einsatzes für die Kultur der Aufnahme und der Solidarität, um auf diese Weise den Frieden und die Geschwisterlichkeit unter den Völkern zu fördern.“ Das schreibt der Papst in einer Botschaft an ein internationales Treffen in Apulien, bei der es um die Flüchtlinge auf dem Mittelmeer geht. An der Konferenz nahmen rund 250 Jugendliche aus 31 Nationen teil. Die Jugendlichen haben an diesem Montag eine „Charta von Leuca“ – dem Austragungsort der Konferenz – unterzeichnet, in der sie die Staatschefs und Politiker dazu aufrufen, „humanitäre Korridore“ für Flüchtlinge zu fördern. Das Treffen in der süditalienischen Ortschaft wurde von der Italienischen Bischofskonferenz (CEI), Caritas Italien, Pax Christi und weitere katholische Verbände mitorganisiert.

Beschuss und Angst

Derweil sorgt der Beschuss eines Schiffs einer spanischen Hilfsorganisation durch die libysche Küstenwache für Reaktionen bei den Hilfsorganisationen, die sich um Flüchtlinge auf dem Mittelmeer kümmern. So warnt der Jesuiten-Flüchtlingsdienst (JRS) davor, dass die Helfer im Mittelmeer zunehmend in Gefahr gebracht werden. Auch wies der JRS auf eine Kriminalisierung der Notrettung von Migranten und Flüchtlingen auf dem Mittelmeer hin. „Das ist sehr gefährlich, nicht nur für die Retter, sondern auch für die demokratische und friedliche Stabilität eines Landes“, sagte die Sprecherin des römischen Centro Astalli, Donatella Parisi, am Wochenende der Katholischen Nachrichten-Agentur in Rom. Das Recht auf Leben und Notrettung müsse für alle Menschen gleichermaßen gelten. Unterdessen haben inzwischen drei Organisationen einen einstweiligen Stopp ihrer Einsätze auf dem Mittelmeer angekündigt.

Im Gespräch mit Radio Vatikan sagt Parisi, dass Papst Franziskus ein „Fels in der Brandung ist, wenn es darum geht, die positiven Seiten der Migranten aufzuzeigen, die immer mehr hingegen in den Medien und von Politikern als Problem und Notsituation betrachtet werden“.

Der Papst ist ein Fels in der Brandung

„Was der Papst jetzt den Jugendlichen in Apulien geschrieben hat, ist ein Aufruf an alle Jugendlichen der Welt: seid offen, habt Lust Menschen kennen zu lernen, denn andere Menschen treffen und mit ihnen sich auszutauschen ist wichtig, um zu wachsen und reifer zu werden. Der Papst schwimmt derzeit eindeutig gegen Strom, er nimmt eine komplett andere Perspektive ein, als die meisten Medien und Politiker, wenn Franziskus sagt, dass Migranten uns zu besseren Menschen machen können.“

Parisi mahnte gegenüber der KNA an, allen Hilfsorganisationen die Rettung zu ermöglichen und eine „Spaltung der Nichtregierungsorganisationen in gute und schlechte“ zu vermeiden, die das Handeln der Helfer in Zweifel zöge. Zugleich betonte sie, geltendes Recht müsse von allen eingehalten werden. Parisi warb für eine Neuauflage der italienischen Seenotrettung „Mare Nostrum“ von 2013; dies würde aus ihrer Sicht viele der aktuellen Probleme lösen.

„Der einzige Weg, um nach Europa zu gelangen, ist für viele Flüchtlinge die kleinen Boote auf dem Mittelmeer", so Parisi gegenüber RV. „Sie sind hochgefährlich. Wir glauben und bitten darum, dass stattdessen legale Wege geschaffen werden sollen. Das können humanitäre Korridore sein oder andere Hilfsprogramme. Wichtig ist, dass der gesamte europäische Kontinent miteinbezogen wird. Wenn uns das gelingt, dann wird der Menschenhandel auf dem Mittelmeer eindeutig zurückgehen. Wir dürfen nicht vergessen: die NGO sind einzig auf dem Mittelmeer präsent, weil es keine Alternative gibt. Wenn es eine italienische oder europäische Alternative gäbe, dann wären die Hilfsorganisationen sicherlich nicht auf dem Mittelmeer.“

Schießen ohne Zögern

Ärzte ohne Grenzen, die private deutsche Hilfsorganisation Sea Eye e.V. und die Organisation Save the Children verzichten seit dem Wochenende vorerst auf Einsätze auf dem Mittelmeer. Zuvor hatte Libyen erklärt, die Such- und Rettungszone für Flüchtlinge rund um die Küste des Landes für ausländische Schiffe zu sperren.

Sea-Eye-Gründer Michael Buschheuer sagte am Sonntag, die libysche Küstenwache habe unmissverständlich klar gemacht, dass seine Organisation unerwünscht sei. Er sprach von einer „sehr unguten Situation, weil wir in der Vergangenheit schon feststellen mussten, dass sie nicht zögern, sondern gleich schießen“. Daher habe man derzeit alle Aktivitäten eingestellt. Buschheuer rief Italiens Regierung und die EU-Einsatzkräfte der Mission Sophia auf, „endlich alles zu unternehmen, um das sinnlose Sterben der Flüchtenden zu beenden“.

Der Gefahr bewusst

Die spanische Organisation Proactiva Open Arms, auf deren Schiff laut eigenen Angaben vor einigen Tagen vor der libyschen Küste Schüsse abgegeben wurden, hatte angekündigt, weiter im Mittelmeer aktiv zu bleiben. Das Team sei sich der Gefahr bewusst, habe aber keine offizielle Sicherheitswarnung der Seenotrettungsleitstelle in Rom erhalten, sagte der Chef der Organisation, Riccardo Gatti, der Zeitung „La Repubblica“. Man werde sich möglicherweise aber der libyschen Küste weniger annähern. Auch die Organisation SOS Mediterranee, die mit Ärzte ohne Grenzen auf dem Schiff „Aquarius“ zusammenarbeitet, teilte am Sonntag mit, die Einsätze vorerst fortzusetzen.

Unsicheres Land

Alle Organisationen kritisieren, dass die aktuelle Entwicklung das Leben vieler Menschen gefährde, und zwar nicht nur beim Versuch, das Mittelmeer in unsicheren Booten zu befahren, sondern auch wenn sie zurück nach Libyen müssten. „Das Land gilt nicht als sicherer Ort, an dem Menschenrechte geachtet werden“, betonte Save-the-Children-Einsatzleiter Rob MacGillivray.

Den von Italien eingeführten Verhaltenskodex für private Seenotretter hat inzwischen eine Mehrheit unterzeichnet. Ärzte ohne Grenzen, Sea Watch und die deutsche Nichtregierungsorganisation Jugend Rettet, gegen die wegen möglicher Beihilfe zu illegaler Einwanderung ermittelt wird, lehnen die Selbstverpflichtung weiter ab.

(rv/kna 14.08.2017 mg)








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