2017-08-06 11:40:00

Welby im Sudan: Kommt es bald zur Papstreise nach Südsudan?


Papst Franziskus würde gerne mal mit ihm in den Südsudan reisen – das geht aber bis auf weiteres nicht, wegen Sicherheitsbedenken. Doch der anglikanische Primas Justin Welby bleibt an der Sache dran: Ende Juli, Anfang August hat er Uganda und den Sudan besucht, eine Visite, die für die gemeinsame Friedensmission mit dem Papst in den Südsudan den Boden bereiten könnte.

Welby ist nicht nur Leiter der anglikanischen Weltgemeinschaft, die in Afrika besonders stark ist – er ist auch ein erfahrener Krisenmanager. Fünf Tage lang hat er in Ostafrika Gespräche mit Religionsführern und Regierungsvertretern geführt.

Der anglikanische Bischof von Leeds, Nick Baines, hat Welby begleitet. Im Interview mit uns erzählt er, dass der Primas in vielen Teilen des Sudan, etwa in El Obeid, Flüchtlinge aus dem Südsudan getroffen hat. „An einem Samstag sind wir nach nur zwei Stunden Schlaf nach Kadugli geflogen; das liegt in der umkämpften Zone bei den Nuba-Bergen. Dabei umgaben uns sehr strenge Sicherheitsvorkehrungen. Auch dort sprachen wir mit vielen Flüchtlingen aus dem Südsudan und auch aus den Nuba-Bergen.“

„Sehr robuste Gespräche“ mit muslimischen Politikern

Für den Sudan hat Welby jetzt – sechs Jahre, nachdem sich der Südsudan abgespalten hat – eine neue, eigene anglikanische Kirchenprovinz eingerichtet. „Der Sudan, also das Land im Norden, ist mehrheitlich arabisch und islamisch, während der Südsudan mehrheitlich christlich und afrikanisch ist. Die Christen werden im Sudan immer gleich mit Afrikanern und mit dem Südsudan gleichgesetzt, obwohl sie ebenfalls arabisch sprechen.“

Welby konnte in Khartum, der Hauptstadt des Sudan, mit dem Außen- und dem Religionsminister, mit dem Gouverneur des Hauptstadt-Bundesstaats und sogar mit dem Präsidenten sprechen. Dieser ist kein anderer als Omar al-Baschir, gegen den der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag einen Haftbefehl wegen Völkermords und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Darfur-Konflikt ausgestellt hat.

„Es waren sehr robuste Gespräche! Wir haben uns sehr eindringlich für die Rechte der Christen eingesetzt. Sie haben sich das alles angehört, was wir vorgebracht haben, und gaben uns dann ein paar Zusagen – allerdings muss man gleich dazusagen, dass das alles mit breiter angelegten politischen Voraussetzungen zusammenhängt. Khartums Politiker haben vor allem eine Aufhebung der US-Sanktionen gegen den Sudan im Blick, zu der es hoffentlich am 12. Oktober kommt. Aber wir haben beim Präsidenten und gegenüber den Ministern wirklich Druck gemacht: Ihnen muss klarwerden, wie die Vorgänge im Sudan außerhalb des Landes wahrgenommen werden.“

„Christen und Muslime im Sudan leben Seite an Seite“

Der anglikanische Primas von Canterbury und Bischof Baines setzten sich ihren Gesprächspartnern gegenüber für Religionsfreiheit ein – ein Begriff, der der sudanesischen Verfassung fremd ist – und beschwerten sich über den immer wieder vorkommenden Abriss von Kirchen, die angeblich keine Baugenehmigung hatten. „Dazu sagten sie sehr deutlich: Es werden gar nicht nur Kirchen abgerissen, sondern auch Moscheen! Es gehe gar nicht darum, ob da jetzt eine Kirche oder eine Moschee stehe, sondern ob das Land, auf dem das Gebäude stehe, für so etwas ausgewiesen sei. Wir haben dem widersprochen, indem wir auf eine Reihe von Fällen hingewiesen haben: Da sind Kirchen nicht ordnungsgemäß registriert worden, einfach weil die Behörden nicht ihre Arbeit tun. Oder aber ein Grundstück wurde, nachdem eine Kirche errichtet worden war, auf einmal für etwas ganz anderes ausgewiesen. Die Behörden sollten doch künftig eine Art großzügigen Pragmatismus – so nenne ich das – walten lassen...“

Könnten es die Behörden des mehrheitlich muslimischen Landes, in dem einstmals ein Osama bin-Laden im Exil lebte, nicht als Provokation auffassen, dass die anglikanische Kirche dort nun eine eigene Kirchenprovinz einrichtet? Nein, ganz und gar nicht, glaubt Bischof Baines. „Christen und Muslime leben im Sudan wirklich Seite an Seite. Ich könnte Ihnen jetzt auch Beispiele von Familien geben, wo ein Elternteil muslimisch und das andere christlich ist, und das funktioniert gut... Als wir vor ein paar Jahren mit den Vorbereitungen für die Errichtung der eigenen Kirchenprovinz angefangen haben, war die Regierung ziemlich erfreut darüber. Das mag jetzt naiv klingen, aber die freuten sich, jetzt ihre eigene Kirche zu haben, die nicht länger mit dem Süden infiziert war, sozusagen. Sie sehen also mit ganz anderen Augen darauf.“

Papstreise nach Südsudan würde Khartum „gut in den Kram passen“

Am feierlichen Gottesdienst von Primas Welby in Khartum hätten, so der Bischof von Leeds, viele Minister und Regierungsmitglieder teilgenommen und nachher auch das Wort ergriffen. Sie sähen es als „etwas sehr Positives“, dass sie jetzt ihre „eigene“ Kirchenprovinz hätten. „Ich glaube wirklich, dass der Besuch des Erzbischofs sehr, sehr wichtig war, denn die Regierung war für ihn sehr offen, hörte ihm gut zu und gab auch bestimmte Zusagen. Sie respektieren auch spürbar Erzbischof Ezekiel Kondo (von Khartum) – die Tür für ihn steht jetzt offen. Kondo hatte sich zum Beispiel jahrelang um ein Treffen mit dem Gouverneur bemüht, und das war nie zustandegekommen; jetzt, nach der Visite von Primas Welby, ist das alles auf einmal gar kein Problem mehr. Man muss natürlich erst mal abwarten, wie sich das jetzt weiter entwickelt, aber der Start war sehr positiv.“

Bischof Baines glaubt auch, dass Welbys Reise in den Sudan seine Friedensmission gemeinsam mit dem Papst ins Nachbarland Südsudan hat näherrücken lassen. Er argumentiert so: Der Sudan habe Millionen von Flüchtlingen aus Südsudan im Land, er sei deshalb sehr daran interessiert, dass sich die Lage im Nachbarland wieder beruhige, und arbeite in dieser Richtung. Eine Friedensmission von Kirchenführern in den Südsudan würde Khartums Politikern darum „gut in den Kram passen“.

„Sie müssen sich darüber im klaren sein, dass es in politischer Hinsicht ein Zuckerbrot und eine Peitsche geben muss. Die Entschlossenheit Welbys und des Papstes, zusammen in den Südsudan zu reisen, liegt weiter auf dem Tisch: Das ist das Zuckerbrot. Und die Peitsche besteht darin, Druck vor allem auf die südsudanesische Regierung auszuüben, damit sie die Not der Ärmsten wahrnimmt. Das tut sie im Moment offenbar nicht. Im Augenblick ist also die südsudanesische Regierung am Zug, sie muss sich bewegen. Da scheint es auch erste Signale in dieser Richtung zu geben – ich kann da jetzt nicht ins Detail gehen, aber diese Signale sind jedenfalls ermutigend; wenn das klappt, dann wäre das ein Anfang. Natürlich wäre ein gemeinsamer Besuch des Papstes und des Erzbischofs von Canterbury ein sehr starkes Zeichen.“

Bischof Baines lobt die „sehr gute ökumenische Zusammenarbeit“ im Sudan. Sie zeige sich unter anderem in der gemeinsamen Betreuung und Hilfe für die Flüchtlinge aus dem Süden.

(rv 06.08.2017 sk)








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