2017-08-04 09:46:00

Brasilien: Bischöfe kritisieren Begünstigung des Großkapitals


Der brasilianische Präsident Michel Temer bleibt trotz der gegen ihn erhobenen Korruptionsvorwürfe zunächst im Amt. Am Mittwoch sollte das Parlament über einen Antrag des Obersten Gerichtshofes des Landes entscheiden, eine Anklage wegen Korruption zuzulassen. Doch die dafür notwendige Mehrheit von zwei Drittel der Abgeordneten kam erwartungsgemäß nicht zustande. Die Opposition sprach von Stimmenkauf.

In diesem aufgeheizten Klima haben die Bischöfe des Landes eine Stellungnahme verbreitet, in der sie heftige Kritik an den Machthabenden üben. „Die vielen Situationen, die in Brasilien schmerzen, schreien zum Himmel, unter ihnen die gigantische Arbeitslosenquote, der Bruch der demokratischen Ordnung und die Abschaffung von Arbeitsrechten und sozialer Gesetzgebung.“ Das schreiben die Bischöfe der für Sozialfragen zuständigen Kommission der brasilianischen Bischofskonferenz in einer Botschaft zum Ende einer Versammlung, die am Dienstag in der Hauptstadt Brasilia zu Ende ging. „Die Regierung fördert die Interessen des Großkapitals, besonders dessen spekulative und finanzielle Interessen, zulasten der Ärmsten. Stattdessen wäre es ihre Aufgabe, die Rolle des Staates zu stärken, um den Nöten und Rechten der Verletzlichsten Genüge zu tun.“ Und weiter: „Wir werden nie ein anderes Land werden, wenn wir nicht die Gutgläubigkeit, Passivität und Indifferenz überwinden.“

Franziskus aus Rom an Brasiliens Jugend: Kämpft gegen Korruption!

Ebenfalls am Dienstag hatte sich aus Rom Papst Franziskus zur Frage der Vorgänge in Brasilien zu Wort gemeldet: indem er die Jugend zum Kampf gegen Korruption aufrief. Die jungen Bürger dürften keine Angst haben, „sich selbst zu riskieren“ und eine neue Gesellschaft aufzubauen, hieß es in einer am Dienstag im Vatikan veröffentlichten Botschaft des Papstes. Adressiert war die Botschaft an Teilnehmer eines Jugendtreffen im Wallfahrtsort Aparecida.

Das Parlament zeigte sich sowohl von den Papst- als auch von den Bischofsworten unbeeindruckt und ließ die Staatsanwaltschaft mit ihrem Antrag auf eine Prozessaufnahme gegen Temer abblitzen. Dieser hatte mit ähnlichen Vorwürfen ein Amtsenthebungsverfahren gegen seine Vorgängerin Dilma Rousseff durchgebracht, belastbare Beweise für die ihr vorgeworfenen Vergehen liegen aber bisher nicht vor.

In zahlreichen Gesprächen soll der konservative Präsident Abgeordnete um ihre Unterstützung gebeten haben und für diese seinerseits Gelder und Hilfe für bestimmte Gesetzesinitiativen und Projekte angeboten haben. In der Bevölkerung wird der Präsident indessen immer unbeliebter. Nur noch fünf Prozent der Brasilianer sollen jüngsten Erhebungen zufolge hinter ihrem Staatsoberhaupt stehen.

Temer selbst sieht sich durch sehr konkrete Korruptionsvorwürfe in die Enge getrieben. Unter anderem sollen Tonbandaufnahmen existieren, die einen Beleg für seine Verwicklung in Bestechung von Regierungsmitgliedern liefern könnten.

Der konservative Politiker war mit dem Anspruch angetreten, als Präsident die marode Wirtschaft des Landes zu sanieren. Doch zeigte sich, dass seine Reformpläne zulasten der wirtschaftlich und sozial Schwächsten gehen. So strich das Temer-Kabinett viele unter dem Mitte-Links-Präsidenten Lula aufgesetzte Sozialprogramme und kürzte Renten. Auch die umstrittene Arbeitsmarktreform, die Mitte Juli verabschiedet wurde, bedient vor allem die Interessen der Arbeitgeber und der ohnehin privilegierten Schichten des Landes. Nach der schweren Rezession der vergangenen Jahre kämpft Brasilien mit einer enormen Arbeitslosenquote und zunehmender sozialer Ungleichheit.

Temer ist ausgebildeter Rechtswissenschafter. Er pomovierte an der Päpstlichen Katholischen Universität von São Paulo. Der Vatikan arbeitet derzeit im übrigen an einer Großoffensive gegen Korruption.

(rv 04.08.2017 cs)








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