2017-07-28 09:31:00

Österreich: Flüchtlinge gut gebildet und säkularisiert


Ein gutes Integrationspotential und überdurchschnittlich hohes Bildungsniveau attestiert eine neue Studie in Österreich Flüchtlingen, die auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 das Land erreicht haben. Dabei lässt aufhorchen, dass mit einem höheren Bildungsgrad offensichtlich die Religiosität abnimmt – zumindest legt das die Studie DIPAS nahe, die von Wissenschaftlern des Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften durchgeführt wurde. Die Befragungen wurden im November und Dezember 2015 durchgeführt, eine Auswertung der ersten derartigen sozialwissenschaftlichen Studie in Europa überhaupt wurde jetzt veröffentlicht. Am meisten habe die Wissenschaftler überrascht, wie gut gebildet die Geflüchteten waren, sagt uns im Gespräch Isabella Buber-Ennser, die die Untersuchung geleitet hat.

„Man muss vorweg schicken, dass Studien immer wieder zeigen, dass eher gebildete Menschen auswandern; und das war auch für die großen Flüchtlingsströme im Jahr 2015 und die aktuellen zu vermuten. Andererseits wurde und wird aber immer wieder gemutmaßt, dass viele Ungebildete und Analphabeten nach Europa kommen - und da fehlen einfach die Zahlen und Fakten. Unsere Studie zeigt hier klar, dass die Geflüchteten weit besser gebildet sind als die durchschnittliche Bevölkerung im Heimatland.“

Flüchtlinge überdurchschnittlich gut gebildet

Fast die Hälfte der Befragten aus Syrien und dem Irak hat der Studie nach eine höhere Schule oder Universität besucht. Nur sieben Prozent der befragten syrischen Flüchtlinge haben hingegen keine oder nur eine geringe Schulbildung - im Heimatland liegt der Anteil der wenig Gebildeten deutlich höher, betont Buber-Ennser.

„Dort hatte im Jahr 2004 jeder zweite höchstens eine Grundschulausbildung. Bei den Afghanen ist das ähnlich, dort hat aktuell 80 Prozent der Bevölkerung keine formale Schulbildung. Unter den befragten afghanischen Flüchtlingen in Österreich machte diese Gruppe hingegen weitaus weniger aus, nämlich 30 Prozent.“

Ein Grund für diese Verwerfung: höher gebildete Schichten verfügten eher über die Mittel, die man für eine Migration nach Europa brauche, bewertet Buber-Ennser dieses Ergebnis. Denn eine Flucht ist teuer, 4000 US-Dollar habe jeder Dritte nach eigenen Angaben für seine Migration auf den Tisch legen müssen. Das ist mehr als ein durchschnittliches Jahreseinkommen in Syrien, das 2010, also vor dem Bürgerkrieg, 3000 US-Dollar betrug. Wohin aber fliehen die weniger Gebildeten, die weniger Geld haben? „Was anzunehmen ist, dass diese eher innerhalb des Landes fliehen oder in die angrenzenden Länder wie den Libanon und Jordanien, weil sie nicht die Mittel aufbringen konnten, um nach Europa zu kommen,“ so Buber-Ennser.

Grad der Religiosität bei Flüchtlingen ist ähnlich hoch wie bei Österreichern

Im Jahr 2015 war Österreich das viertgrößte Aufnahmeland innerhalb Europas. Hintergrund der Studie sei gewesen, die Menschen nicht nur zu „zählen“, sondern auch zu sehen, was „in diesen Köpfen steckt“, erklärt uns die Wissenschaftlerin den Ansatz ihrer Untersuchungen. Doch nicht nur in die Köpfe hat das Team geschaut – vielmehr war auch die Religiosität der Befragten Thema der Studie. Von eins - gar nicht religiös - bis zehn - sehr religiös - sollten die Migranten auf einer Skala ihren Glauben bewerten.

„Ein großer Teil der Befragten hat einen Wert in der Mitte angegeben, während zwanzig Prozent angegeben haben, sie seien nicht oder nur wenig religiös. Elf Prozent betrachteten sich als sehr religiös. Was uns sehr überrascht hat: wir haben das mit einer anderen Befragung unter Österreicherinnen und Österreichern verglichen, in derselben Altersgruppe, und da hat sich ein sehr ähnliches Bild der religiösen Selbsteinschätzung ergeben. Möglicherweise bestehen da natürlich auch kulturelle Unterschiede, es ist die Frage, was bedeutet ,sehr religiös´ für einen Österreicher und was bedeutet das für einen Syrer oder Afghanen, aber prinzipiell hat uns das sehr überrascht.“

Zunehmender Bildungsgrad heißt abnehmende Religiosität

Ein klarer Zusammenhang bestehe zwischen dem Bildungsstand und dem religiösen Empfinden, so eine weitere Aussage der Studie, die in Einklang mit anderen Forschungsergebnissen auf diesem Feld steht: „Nämlich, dass mit steigendem Bildungsstand der Anteil derjenigen sinkt, die sich als sehr religiös bezeichnen. Das kennen wir schon aus anderen Studien und dann hatte sich das auch in unserer Befragung klar gezeigt. Was wir auch gesehen haben – und was wir ebenfalls schon aus der Literatur kennen - ist, dass Frauen sich generell als religiöser einschätzen als Männer.“

Erklären ließe sich die Tendenz der abnehmenden Religiosität bei zunehmendem Bildungsgrad damit, dass besser ausgebildete Menschen eher nach rationalen, also innerweltlichen Erklärungen, für Ereignisse suchten, und weniger nach religiösen, meint Buber-Ennser. Bemerkenswert sei dabei aber auch: In Europa nehme die Religiosität mit steigender Bildung zwar ab, doch in den USA sehe es tendenziell anders aus.

Gelungene Integration durch Nutzung vorhandener Fähigkeiten

„Generell ist zu sagen, dass es wichtig ist, etwas über die Menschen zu erfahren, die in unser Land gekommen sind. Wir brauchen mehr Fakten und Zahlen und können uns da nicht nur auf Vermutungen stützen. Je mehr wir über die Geflüchteten wissen, umso besser, schneller und effizienter können Mittel eingesetzt werden, um diese Menschen zu unterstützen.“

Die komplexe Situation der Geflüchteten mache eine vertiefte Beschäftigung mit den neuen Nachbarn unerlässlich, mahnt die Wissenschaftlerin, die ihre Studie als „Puzzle-Stück in einem großen Bild" sieht. Denn für eine gelungene Integration sei es maßgeblich, dass die Geflüchteten ihr Wissen und Können auch im Gastland gezielt einsetzen können. „Und diesbezüglich kann man wohl sagen, dass das Integrationspotential der Geflüchteten bemerkenswert ist und dass uns das eigentlich eher positiv stimmen sollte.“

(rv 27.07.2017 cs)

 








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