2017-07-27 15:12:00

Vatikan: „Abgeschaltete Brunnen sind eher symbolisch"


Ganz anders als in Deutschland herrscht in Rom derzeit extreme Trockenheit. Die betrifft naturgemäß auch den Vatikan. Papst Franziskus hatte die Nase vorn und ließ zum Wassersparen alle Brunnen im Vatikan abstellen, sowohl die am Petersplatz als auch die in den Vatikanischen Gärten. Ähnliches und Schlimmeres denkt die Stadt Rom an, nämlich eine stundenweise Wasser-Rationalisierung. Über das päpstlich-römische Wasserwesen sprechen wir jetzt mit unserer Radio Vatikan-Kollegin Gudrun Sailer, sie hat sich mit dem Thema schon einmal gründlicher befasst, als sie ihren Vatikan-Reiseführer schrieb. Gudrun, Wassersparen im Vatikan: gab es das schon einmal?

Gudrun Sailer: „Wassersparen im Sinn von Brunnen abschalten hat es meines Wissens im Vatikan noch nie gegeben. Franziskus hat das ökologisch und gleichsam menschenrechtlich begründet, mit Verweise auf seine Umwelt-Enzyklika Laudato Si, dort gibt es ein ganzes Kapitel zur „Wasserfrage“. Franziskus beklagt in Laudato si Wasserverschwendung in wohlhabenden Ländern zu Lasten von ärmeren, er wendet sich gegen die Privatisierung von Trinkwasser und hält fest, der Zugang zu Trinkwasser sei ein grundlegendes, fundamentales und allgemeines Menschenrecht. So deutlich und so politisch hat das nie ein Papst vor ihm formuliert. Trotzdem ist das Abschalten der Brunnen im Vatikan natürlich in erster Line eine symbolische Geste. In Rom einschließlich des Vatikans wird niemand verdursten, auch wenn alle Brunnen des Papstes weiterhin sprudeln würden. Einige Vatikan-Brunnen nutzen übrigens auch direkt recyceltes Wasser, die belasten also den Wasserkreislauf gar nicht, sind aber jetzt auch bis auf weiteres trockengelegt.“

RV: Inwieweit kann eigentlich der Papst wirklich selbst verfügen über das Wasser in seinem Staat, dem Vatikanstaat?

Gudrun Sailer: „Auf dem Vatikanhügel gibt es keine eigenen Quellen, insofern ist der Papststaat tatsächlich angewiesen auf Wasser von außerhalb des Staatsgebiets. Geregelt ist das seit langer Zeit mit Italien, in den Lateranverträgen von 1929. Damals entstand der Vatikanstaat, wie wir ihn heute kennen. Artikel 6 der Lateranverträge besagt, dass „Italien mit Hilfe von Verträgen mit den zuständigen Einrichtungen dafür sorgt, dass dem Staat der Vatikanstadt eine angemessene Menge von Wasser zugesichert wird“. Das war Teil einer Art Entschädigung für die Beschlagnahmung riesiger Ländereien des früheren Kirchenstaates durch Italien 60 Jahre zuvor. Und so hat der Vatikanstaat bis heute Verträge mit den römischen Wasserwerken, der ACEA, die den Wasserzufluss in den Vatikan garantieren.“

RV: Woher kommt das Wasser im Vatikan?

Gudrun Sailer: „Das Wasser im Vatikan fließt in zwei getrennten Kreisläufen, einer mit Trinkwasser, der andere mit Nutzwasser. Das Trinkwasser stammt aus großen Wasserspeichern bei Rieti, einer Stadt im nördlichen Latium. Anders das Nutzwasser, das kommt aus dem Bracciano-See 40 Kilometer nördlich von Rom. Es dient zum Bewässern der Gärten, für die Springbrunnen, zum Autowaschen im Fuhrpark usw. Was übrigbleibt, landet in der Zisterne im höheren Teil der Vatikanischen Gärten und dient im Fall des Falles auch dem Löschen von Bränden, was zum Glück im Vatikan bisher selten vorgekommen ist, die Zisterne ist übrigens auch erst nach 1929 angelegt worden. Das Wasser aus dem Bracciano-See macht im Vatikan – wie ich heute im Governatorat erfahren habe - insgesamt weniger als die Hälfte aus, es bewässert aber wie gesagt die gesamten Vatikanischen Gärten. Und es kommt aus einer uralten Wasserleitung, die letztlich die alten Römer angelegt haben, die sogenannte Acqua Paola. Das ist ein Aquädukt, das Papst Paul V. im frühen 17. Jahrhundert wieder instandgesetzt hat, eben um den Vatikan und die Stadtteile westlich vom Tiber mit mehr Wasser zu versorgen. Der Papst hatte ja auch eine Riesenbaustelle, den Petersdom, da brauchte er viel Wasser.“

RV: Wieviele Brunnen gibt es im Vatikan, die jetzt trockengelegt sind?

Gudrun Sailer: „Offiziellen Angaben zufolge gibt es im Vatikan heute genau 100 Brunnen. Der jüngste ist 2012 dazugekommen, er ist dem Heiligen Josef gewidmet und steht rechts vom Governatorat, also der Stadtverwaltung der Vatikanstadt. Dieser Josefsbrunnen wurde seinerzeit errichtet als Hommage an Papst Benedikt XVI., dessen Taufnamen eben Josef ist, der Brunnen trägt auch das Wappen von Papst Benedikt. Direkt unter dem Kloster, in dem der emeritierte Papst lebt, Mater Ecclesiae, steht übrigens einer der spektakulärsten Brunnen der Vatikanischen Gärten, der sogenannte Adlerbrunnen, den hat ebenfalls Papst Paul V. anlegen lassen, und zwar von dem niederländischen Architekten Jan van Santen. Dieser szenisch angelegte Brunnen rauscht und plätschert ganz mächtig, ist aber jetzt abgestellt wie alle anderen und stört also zumindest niemandes Mittagsschlaf mehr. Es gibt im Vatikan ansonsten noch viele kleinere Brunnen, der höchstgelegene übrigens ist auf der Dachterrasse des Petersdoms, dort kommt man vorbei, wenn man zur Kuppel hinaufsteigt.“

RV: Wenn die Brunnen im Vatikan jetzt stillgelegt sind, was steht es dann mit der Bewässerung der Vatikanischen Gärten?

Gudrun Sailer: „Die ist vorerst nicht beeinträchtigt. Und natürlich kommt auch nach wie vor das Trinkwasser aus den Wasserleitungen im Vatikan, da wohnen ja auch Leute, nicht nur der Papst, sondern rund 500 weitere Einwohner einschließlich der Schweizergardisten und der Schwestern von der Telefonzentrale. Wenn aber in Rom wirklich das Wasser rationiert werden sollte – fürs erste wurde da noch ein wenig Aufschub gewährt – aber wenn in Rom wirklich das Wasser stundenweise abgestellt wird, dann hat das auch Auswirkungen auf den Vatikan. Welche, ist noch unklar, denn eine solche Maßnahme wäre ja auch für Rom neu.“

RV: Könnte nicht der Papst versuchen, im Fall des Falles für den Vatikan eine Ausnahme zu erwirken?

Gudrun Sailer: „Meiner Einschätzung nach würde Papst Franziskus das auf keinen Fall ins Auge fassen. Der würde sich vielmehr sagen: Im Vatikan sind wir ohnehin privilegiert. Wir werden das Schicksal der Römer teilen. Etwas Ähnliches hat übrigens in weitaus dramatischeren Zeiten Papst Pius XII. während des Zweiten Weltkriegs getan. Zur Zeit der Nazi-Besatzung Roms im Winter 1943/44 war es bitterkalt, viel kälter als sonst im römischen Winter. Pius sagte, wir könnten heizen, aber wir tun es nicht, aus Solidarität mit den Römern. Genau dasselbe würde Papst Franziskus heute auch entscheiden.“

RV: Wie schlimm finden es die Touristen, wenn jetzt auf dem Petersplatz die beiden großen Brunnen nicht mehr rauschen und auch die kleinen Trinkbrunnen ausgeschaltet sind?

Gudrun Sailer: „Die trockenen Trinkbrunnen sind wahrscheinlich fürs erste unangenehmer. Bei den beiden großen Brunnen ist es an sich toll, wenn sie beide rauschen, das gibt so einen Stereo-Effekt auf dem Platz. Natürlich ist es auch so, dass Wasser einen christlichen Pilger immer an die Taufe erinnert, also dieses Wasser auf dem Petersplatz hat nicht nur einen körperlichen, sondern auch einen geistlichen Erfrischungseffekt, und dafür kommt man ja letztlich als Pilger in den Vatikan. Aber wie gesagt, materielle Gebrechlichkeiten sind auch im Vatikan leider nicht ganz aus der Welt! Es war schon bisher oft so, dass abwechselnd einer der beiden Brunnen zur Wartung und Reinigung ausgeschaltet war. Wenn die zwei Brunnen auf dem Petersplatz einmal Stereo schweigen, ist das kein Beinbruch.“

Der Heilige Stuhl arbeitet derzeit an einem Dokument, das der UNO dabei helfen soll, das Menschenrecht auf Wasser international abzusichern. Kardinal Peter Turkson, der Präfekt des Dikasteriums für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen, wird zur Präsentation dieses Dokuments am 14. September nach Genf reisen. 

(rv 27.05.2017 gs) 








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