2017-07-10 12:17:00

Südsudan: „Es gibt kaum Infrastruktur“


Der Südsudan gilt als der jüngste Staat der Welt. Genau sechs Jahre sind seit seiner Unabhängigkeit vergangen, doch das afrikanische Land wird von heftigen Kämpfen erschüttert. Eine Million Menschen sind auf der Flucht. Unsere Kollegen vom Kölner Domradio sprachen mit Barbara Schirmel vom katholischen Hilfswerk Misereor über die Lage im jungen Staat. Schirmel ist Südsudan-Länderreferentin bei dem katholischen Hilfswerk. Sie sagt: Bei dem Konflikt handele es sich nur bedingt um eine religiöse Auseinandersetzung.

„Der Süden des damals großen Sudan war jahrzehntelang im Bürgerkrieg, um seine Unabhängigkeit zu erlangen. Da ging es nicht nur um die Erlaubnis, die eigene Religion - das Christentum - ausüben zu dürfen, sondern auch um kulturelle Verschiedenheiten. Der Süden ist eher schwarzafrikanisch, der Norden muslimisch-arabisch geprägt“, erläutert Schirmel. Auch wenn der Südsudan föderal-demokratisch strukturiert gilt, so sieht die Realität sieht ein wenig anders aus. Die eigentliche Macht haben diejenigen, die Waffen tragen.

Zum einen hat es schon während des Unabhängigkeitskonflikts eine starke Blauhelm-Mission gegeben. Auch andere Hilfsorganisationen waren aktiv. Die Vereinten Nationen und die internationalen Regierungen, die seit der Unabhängigkeit zu helfen versuchen, nimmt man jedoch als Besatzungsmächte wahr. Man fühlt sich in der eigenen Souveränität angegriffen. Immer wieder werden Gesetze erlassen, die Hilfsleistungen eher erschweren. Es sind viele Weiße im Land, die aufgrund der großen Armut schnell Opfer von Kriminellen werden. Zudem gibt es sehr viele ausländische Mitarbeiter aus Nachbarländern, über die gesagt wird, dass sie Arbeitsplätze wegnehmen.“

Extrem niedriges Bildungsniveau

Nicht zu unterschätzen: Der Südsudan hat aufgrund des jahrelangen Bürgerkriegs ein extrem niedriges Bildungsniveau. Man schätzt, dass 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung Analphabeten sind. Der Vatikan – und allen voran Papst Franziskus – will das Land unterstützen und unter anderem Geld spenden. Die Rede ist von insgesamt 450.000 Euro. Der Papst hat in der Vergangenheit angekündigt, dass er persönlich das Land besuchen wolle. Diese Reise wurde jedoch wieder abgesagt, weil es zu unsicher ist. Schirmel kann diese Entscheidung nachvollziehen.

Wenn man den Südsudan kennt – und ich war schon viermal dort – weiß man, er ist sehr unorganisiert. Der Flughafen ist ein Zelt. Es gibt kaum Infrastruktur. Allein die Logistik wäre unglaublich schwierig. Man müsste wahrscheinlich sehr viel aus den Nachbarländern einfliegen. Gleichzeitig ist die Sicherheitslage in den letzten Monaten dramatisch schlechter geworden. Man redet wirklich von Genozid. Es gibt Situationen, die denen in Somalia ähneln, wo es eine Fragmentierung der vielen verschiedenen Rebellengruppen gibt.“

Friedensarbeit der Kirchen

Die Südsudan-Länderreferentin bei Misereor fügt an, dass die Kirchen auf mehreren Ebenen in der Friedensarbeit aktiv seien. „Nicht nur die katholische Kirche – es gibt einen ökumenischen Kirchenrat, der seine Friedensarbeit bündelt“, so Schirmel. Die katholische Kirche habe auf nationaler wie diözesaner Ebene eine Kommission für Gerechtigkeit und Frieden gebildet, die gemeinsam mit der Bevölkerung in den verschiedenen Pfarreien arbeitet. „Die Kirchen sind eine Instanz, die noch eine gewisse Anerkennung von allen Seiten bekommt – sowohl von den Rebellen als auch von den Regierungsparteien.“

Grund hierfür sei, dass die Kirche „ein bisschen zwischen den Fronten sitzen“, weil sie auf der einen Seite schnell beschuldigt werden, mit den Rebellen zusammenzuarbeiten, wenn sie Kritik an der Regierung üben. Auf der anderen Seite werden sie als Spione der Regierung angesehen, wenn sie regierungsfreundlich sind oder mit staatlichen Stellen zu kooperieren versuchen, erläutert Schirmel. „Es ist eine Gratwanderung, aber die Kirchen sind für viele Menschen noch der einzige stabilisierende Faktor in der Friedens-, und Bildungsarbeit sowie im Gesundheitsbereich.“

(domradio 10.07.2017 mg)








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