2017-07-04 10:42:00

Ökumene in Wittenberg: Rechtfertigung und Gerechtigkeit


Es ist wohl der größte und wichtigste Meilenstein in der Ökumene: Die 1999 unterschriebene so genannte Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre. Aber es war ein unvollständiger Meilenstein, Katholiken und Lutheraner, später auch Methodisten haben die Erklärung unterschrieben, die vielen reformierten Kirchen auf der Welt waren aber nicht dabei. An diesem Mittwoch ändert sich das nun, in Wittenberg unterschreiben Vertreter der Weltgemeinschaft der Reformierten Kirchen, die im Augenblick in Leipzig tagen, während einer Liturgie ebenfalls diese Erklärung.

Damit will man eines der großen theologisch trennenden Probleme der Kirchen lösen; die Frage sei immer schon gewesen, wie die Erlösung durch Christus in der Welt eigentlich wirksam werde, erklärt gegenüber Radio Vatikan Bischof Brian Farrell, Sekretär des Rates für die Einheit der Christen und Vertreter des Vatikan bei der Zeremonie in Wittenberg. „Vereinfacht gesagt kann man es so sehen, dass wir entweder durch Gnade erlöst sind oder durch unsere guten Werke.“ Hier lag der Streit in der Reformation und durch die Jahrhunderte danach. Im ökumenischen Gespräch habe man allmählich festgestellt, dass Katholiken und Lutheraner und später auch Methodisten doch ein gemeinsames Verständnis dessen haben, fernab von Polemik und Streit. „Wir sind durch Gnade allein erlöst, aber das erfordert dann, dass wir unser bekehrtes Verhältnis zu Gott auch in guten Werken zeigen.“

Gemeinsames Verständnis von Erlösung

Die reformierten Kirchen wollten sich diesem Verständnis nun anschließen, sagt Bischof Farrell, „und das bedeutet, dass die katholische Kirche und viele der Kirchen der Reformation jetzt in dieser fundamentalen Lehre übereinstimmen, über das Wesen dessen, was wir Rechtfertigung nennen, wie das geschieht.“ Das stärke die spirituelle und kirchliche Verbindung zwischen allen Christen.

Die reformierten Kirchen wollen sich aber nicht nur einfach dem bisherigen Dialog anschließen, sie wollen eigene Schwerpunkte in die Debatte bringen, und zwar vor allem die Frage nach Gerechtigkeit. „Die reformierten Kirchen wollen betonen, dass aus unserer Rechtfertigung durch Gott durch Gnade [Gott befreit und erlöst von Sünde und Schuld] eine Verantwortung folgt, diese Gnade auch in die Wirklichkeit unserer Welt zu tragen, und zwar im Einsatz für Gerechtigkeit“, erklärt Bischof Farrel. „Das bedeutet, dass wir eine stärkere gemeinsame Basis für Zusammenarbeit unter allen Christen haben, wenn es darum geht, die Welt zu verändern und denen zu helfen, die diese Hilfe brauchen.“

„Mit praktisch all dem stimmen wir überein"

Die Gerechtigkeit hat in den Augen der reformierten Kirchen drei Dimensionen: ökonomische Gerechtigkeit, die ökologische Gerechtigkeit und die Gerechtigkeit unter den Geschlechtern. „Mit praktisch all dem stimmen wir überein, es ist schon lange auch Teil unsere katholischen Soziallehre. Unsere Hoffnung ist nun, dass wir auf lokaler und regionaler Ebene in all diesen Bereichen besser zusammen arbeiten können.“ Das treffe exakt den Wunsch von Papst Franziskus in Sachen Ökumene, den er aus Anlass des Reformationsgedenkens in Lund im Oktober vergangenen Jahres geäußert hatte: Mehr Ökumene durch mehr gemeinsames Handeln aus dem Geist Jesu Christi. „’Gemeinsam gehen’ nennen wir das, und nun haben wir einen weiteren Grund und neue theologische Inspiration, dieses gemeinsame Gehen zu vertiefen.“

In Wittenberg wird an diesem Mittwoch noch ein zweites Dokument unterzeichnet, und zwar das so genannte „Wittenberger Zeugnis“, in dem reformierte und lutherische Kirchen gemeinsam das „Unglück der Kirchentrennung“ eingestehen.

(rv 04.07.2017 ord)








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