2017-06-27 11:43:00

„Ehe für alle“: Merkel hebt Fraktionszwang auf


Bundeskanzlerin Angela Merkel ist vom klaren Nein der CDU zur gleichgeschlechtlichen Ehe abgerückt. Die CDU-Vorsitzende hob Medienberichten zufolge am Dienstag den Fraktionszwang für eine Abstimmung im Bundestag auf. In der Fraktionssitzung von CDU und CSU hatte sie mitgeteilt, es gehe um eine Gewissensentscheidung. Zuvor hatte bereits die Schwesterpartei CSU für ihre Bundestagsabgeordneten den Fraktionszwang aufgehoben. Bei einer Abstimmung im Bundestag ohne Fraktionszwang gilt eine Mehrheit für die Ehe für alle als sicher. Wie Teilnehmer an der Franktionssitzung verlauten ließen, könnte die Abstimmung im Bundestag noch an diesem Freitag erfolgen. Die SPD hatte die völlige Gleichstellung homosexueller Partnerschaften am Sonntag auf ihrem Parteitag in Dortmund zur Bedingung für eine Koalition gemacht – so wie zuvor bereits die FDP und die Grünen. Die Union hatte dies bislang stets abgelehnt. Mit Merkels Abrücken von der bisherigen Linie könnte eine wichtige Hürde für eine Koalitionsbildung nach der Bundestagswahl im September fallen.

Keine überstürzte Entscheidung

Die Unionsfraktion lehnte ursprünglich den Vorschlag der SPD, eine Abstimmung zügig auf die Tagesordnung zu setzen, ab. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Grosse-Brömer, sagte am Dienstag, eine Parlamentsentscheidung zur Öffnung der Ehe für Homosexuelle noch in dieser Regierungsperiode dürfte aber nicht erfolgen. Die Union sei sich darin auch „bislang einig“ mit der SPD gewesen, sagte der CDU-Politiker in Berlin. Er sehen keine Notwendigkeit für eine „überstürzte Entscheidung“, da das Thema sehr komplex sei.

Es gebe auch noch verfassungsrechtliche Fragen zu klären, sagte Brömer und verwies auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2002, in dem die Karlsruher Richter die Ehe als eine Verbindung zwischen Mann und Frau bezeichnet hätten. Als weiter zu klärende Frage nannte er das Recht auf Volladoption für gleichgeschlechtliche Paare.

Schnelle Abstimmung gefordert

Nachdem Bundeskanzlerin Merkel von einer generellen Ablehnung der CDU beim Thema „Ehe für alle“ abgerückt ist, nehmen Rufe nach einer schnellen Abstimmung noch in dieser Woche zu. So hat die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, am Dienstag in Berlin eine sofortige Abstimmung im Deutschen Bundestag gefordert. Der Berliner Erzbischof Heiner Koch betonte, dies stelle einen Bruch mit einem Jahrhunderte alten Eheverständnis dar. Eine Öffnung für gleichgeschlechtliche Paare würde eine qualitative Neuausrichtung des Begriffs Ehe bedeuten, sagte Koch bereits am Freitag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Koch betonte, die Position der Bischöfe sei „keinesfalls homophob motiviert“. Eine Unterscheidung zwischen Ehe und einem Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Paare bedeute keine Diskriminierung; ganz im Gegenteil werde so „der Unterschiedlichkeit der Lebensformen adäquat Rechnung getragen“.

Benachteiligung bei Adoptionsrecht

Homosexuelle Paare in Deutschland können ihre Lebenspartnerschaft seit 2001 offiziell eintragen lassen. Inzwischen wurden diese Paare in vielen Bereichen, etwa bei Unterhaltspflicht, im Erbrecht oder beim Ehegattensplitting, verheirateten heterosexuellen Paaren gleichgestellt. Doch beim Adoptionsrecht gilt, dass Homosexuellen eine gemeinsame Adoption eines Kindes nicht möglich ist. Merkel hatte im vergangenen Bundestagswahlkampf Adoptionen für gleichgeschlechtliche Paare noch mit dem Argument des Kindeswohls abgelehnt. Nun berichtete sie von einem „einschneidenden Erlebnis“ in ihrem Wahlkreis. Dort sei sie von einer lesbischen Frau eingeladen worden, zuhause bei ihr und ihrer Partnerin vorbeizuschauen und zu sehen, dass es ihren acht Pflegekindern gut gehe. Merkel betonte, wenn das Jugendamt einem lesbischen Paar acht Pflegekinder anvertraue, könne der Staat nicht mit dem Kindeswohl gegen Adoptionen argumentieren.

(domradio/kna/dpa 27.06.2017 mg)








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