2017-06-23 10:57:00

Zentralafrika: Friedensabkommen steht auf wackligen Füßen


Neues Blutvergießen in der Zentralafrikanischen Republik: Nur zwei Tage nach einem Friedensabkommen zwischen der Regierung mit Rebellengruppen ist im Osten des Landes jetzt neue Gewalt aufgeflammt.

Über einhundert Tote und Dutzende Verletzte – das ist die traurige Bilanz eines Angriffs bewaffneter Gruppen auf Zivilisten in der Stadt Bria, der Hauptstadt der zentralöstlichen Präfektur Haute-Kotto, die 500 Kilometer von Bangui entfernt liegt. Ärzte ohne Grenzen hatte versucht, die Verletzten mit zwei Ambulanzen zu versorgen, doch für viele der Menschen kam jede Hilfe zu spät. Von der ausgehandelten Waffenruhe, die an diesem Montag durch Vermittlung der römischen Basisgemeinschaft Sant’Egidio zustande gekommen war, sei im Land selbst noch nichts nichts zu spüren, berichtet der italienische Missionar Aurelio Gazzera im Interview mit Radio Vatikan.

„Uns scheint dieses Abkommen sehr brüchig zu sein, die neue Gewalt war zu erwarten. Die Lage hier ist explosiv, und es gibt keinen ernsthaften Plan, den Rebellen Einhalt zu gebieten, nur vage Versprechen. So was muss man gut vorbereiten: Wer kontrolliert denn die Waffenruhe? Wer setzt sie in Kraft? Es fehlen die Mittel, um sie durchzusetzen, wohingegen es eine Menge Garantien für diese Kriminellen gibt, die meiner Ansicht nach nicht richtig sind.“

Was sich auf dem Papier gut anhört, stelle im Alltag der Menschen keine Verbesserung dar, hält der Missionar nüchtern fest. Überall sei das zivile Leben durch Spannungen und Konflikte bestimmt, die Angst, Entbehrungen und neuen Hass nach sich ziehen. Laut UNO-Angaben sind derzeit zwei Millionen Menschen aufgrund der Krise auf humanitäre Hilfe angewiesen. Der Karmelitenpater erinnert an die zahlreichen Blockaden im Land und die hohe Zahl an Binnenflüchtlingen und Vertriebenen, die vor der Gewalt in die Nachbarländer flohen.

„Ich bin heute in Bocaranga, bin in den Norden gefahren. Überall Barrieren – Absperrungen der Regierung, der Anti-Balaka und anderer Gruppen. Mit welcher Glaubwürdigkeit wird da also geschrieben, dass an erster Stelle die Unversehrtheit des Landes und Bewegungsfreiheit stehen, wenn die Konfliktparteien diesen Versprechen selbst nicht nachkommen?“

Den zivilen Opfern der Konflikte werde in dem Friedensabkommen zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, findet der Kirchenmann. Um einen „konkreten Ausgleich“ zu finden, müssten seiner Ansicht nicht nur die bewaffneten Parteien, sondern alle Gruppen des Landes berücksichtigt werden und Aufbau und Versöhnung ins Zentrum gerückt werden. Hier müsse sich zusammen mit der Regierung in Bangui auch die internationale Gemeinschaft stärker einbringen, appelliert er.

Zum Zerreißen gespannte Atmosphäre

Wie in Bria sei die Atmosphäre auch in Bocaranga zum Zerreißen gespannt, beobachtet der Missionar, der sonst in Bangui lebt. Im Februar habe es in Bocaranga noch einen schweren Angriff gegeben. Neue Scharmützel könnten die Lage nun jeden Moment eskalieren lassen, so Pater Gazzera:

„Von einem Moment zum anderen kann hier alles passieren. In der vergangenen Woche gab es hier in einem Dorf in der Nähe einen Übergriff, da wurden 100 Kühe geraubt, von denen 40 für ein von Ordensschwestern betriebenes Krankenhaus bestimmt waren. Die Lage ist sehr, sehr unsicher und es gibt keine Kontrolle, weder von Seiten des Staates noch von Seiten der Blauhelme – sie schaffen es einfach nicht, die Lage im Land zu kontrollieren.“

Das Friedensabkommen vom Montag zielt unter anderem auf die Herstellung der staatlichen Autorität im gesamten Staatsgebiet sowie den freien Zugang und die unabhängige Arbeit von Hilfsorganisationen. Ähnliche Vereinbarungen wurden in der Vergangenheit immer wieder gebrochen. Papst Franziskus hatte am vergangene Sonntag noch daran erinnert, das Frieden in Zentralafrika die Grundlage für Entwicklung und Versöhnung in dem Land sei. 

(rv 23.06.2017 pr)








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