2017-06-22 11:31:00

D/Polen: „Wir erwarten von den Polen Solidarität“


„Wohin steuert Europa?“ Mit dieser Frage beschäftigt sich Ende Oktober eine hochkarätige Konferenz in Krakau. Sie findet schon zum 17. Mal statt: Kirche und Politik treffen sich hier, um über den europäischen Einigungsprozess zu reden. Dabei geht es vor allem darum, polnische Vorbehalte abzubauen.

Horst Langes ist deutscher CDU-Politiker; er hat 15 Jahre im EU-Parlament gesessen und ist jetzt Ehrenvorsitzender der Robert-Schuman-Stiftung, die er selbst mit gegründet hat. Er erklärte uns an diesem Donnerstag bei einem Besuch in der Redaktion:

„Wir, die Robert-Schuman-Stiftung aus Luxemburg, haben damals, nach dem Fall der Mauer (oder dem Runden Tisch, wie die Polen sagen), versucht, mit der Kirche von Klein-Polen, also Krakau und u.a. auch Auschwitz, eine Form zu finden, um mit der deutschen Adenauer-Stiftung und den Polen zusammen zu arbeiten. Dabei ging es darum, Hauptprobleme aufzuarbeiten, die nach Meinung der Polen aufgeworfen werden müssen, wenn sie nach Europa gehen. In der frühen Zeit waren das Fragen wie: Kommt dann die ganze Homo-Literatur zu uns? Aber dieses Thema ist inzwischen tot.“

Angesichts der neuen, konservativen Regierung in Polen stehe mittlerweile die Frage im Mittelpunkt: Wie will Polen überhaupt in Europa agieren? Und aus Sicht vieler Europäer sei die wichtigste Frage: „Warum können die Polen nicht Flüchtlinge aufnehmen? Warum weigern sie sich?“ Er bedaure es sehr, dass Polen zusammen mit einigen Nachbarn – Ungarn, Slowakei, teilweise Tschechien – in dieser Hinsicht eine Allianz bilde. Die Staatengruppe bezeichne sich selbst als die „Visegrader“, zur Erinnerung an ein erstes Treffen von 1991. Aber: „Ich selbst war mit Helmut Kohl vor 25 Jahren in Visegrad dabei. Und da war ganz klar, dass die Vorreiter sein wollten! Und nun sind sie große Bremser.“

Persönlichkeiten wie EU-Parlamentspräsident Tajani oder sein langjähriger Amtsvorgänger Pöttering sollen nun in Krakau mit zwei- bis dreihundert Studenten, Professoren, Priestern oder auch Politikern das Gespräch über das Flüchtlingsthema suchen. Es gehe um ein klares Ziel: „Deutlich zu machen, dass wir natürlich erwarten, dass es eine Solidarität in Europa gibt.“ Der EU-Beschluss zur Umverteilung von Flüchtlingen nach einem Quotenschlüssel sei „gültig“, das wolle man der polnischen Seite eindringlich vermitteln.

Das Flüchtlingsthema habe in der Konferenzreihe schon länger eine Rolle gespielt. „Wir haben schon 2014 den Bischof von Lampedusa in Krakau gehabt, der jetzt auch Kardinal geworden ist. Er hat eine sehr gute Rede gehalten, und da war dann auch eine gewisse Begeisterung spürbar, da etwas zu tun. Aber da die polnische Regierung so tut, als würde das alles die Polen furchtbar verletzen, versuchen wir das jetzt durch unsere Sitzung abzubauen.“

Langes rät den Polen, sich an ihre eigenen Flüchtlings- und Migrationserfahrungen in der jüngeren Geschichte zu erinnern. „Also, das Flüchtlingsdrama kennen die Polen aus eigener Erfahrung. Sie wissen, was es heißt, Heimat zu verlieren. Das ist der Ansatz, um den Priestern zu sagen: Wir brauchen nicht in die Bibel zu schauen, wie Josef und Maria mit dem Jesuskind nach Ägypten fliehen, es reicht, wenn Sie in ihre eigene Geschichte hineinsehen.“

Zwar könne man aus der polnischen Geschichte heraus verstehen, dass viele Polen Angst vor dem Ansturm von Fremden haben, ob diese nun von Osten oder von Westen kommen. Aber: „Wir müssen doch jetzt von den Polen verlangen, dass sie einfach als katholische Menschen sagen: Jetzt müssen wir erst einmal helfen. Wir können ja nicht, wenn die im Wasser treiben, rufen: Wer ist katholisch oder christlich? Bitte Arm hoch – den retten wir… Und die anderen lassen wir ersaufen? Das geht doch nicht! Wir müssen sie aufnehmen. Und die Vorstellung, dass Polen damit überfordert wäre – naja, bisher haben die Polen keinen großen islamischen Bevölkerungsanteil. Die Pfarrer sind da mehr als ängstlich…“

Langes will die polnischen Zuhörer auf ihre christlichen Überzeugungen ansprechen. Zum christlichen Erbe in Europa müsse doch auch gehören, die Türen aufzumachen für Menschen in Not. „Das ist ja der Punkt: Angela Merkel hat spontan gesagt: Nein, wir lassen die nicht am Bahnhof von Budapest sterben! Das war die christliche Antwort. So ähnlich müssen wir es doch machen – vielleicht etwas vorsichtiger… Aber das Entscheidende ist doch: Die christlichen Kräfte müssen dahinterstehen!“

Zu den Rednern auf der Konferenz, die am 27. und 28. Oktober stattfindet, gehören der Päpstliche Nuntius in Polen, der Erzbischof von Krakau, ein Vertreter des vatikanischen Staatssekretariats, Thomas Sternberg vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken und Sejm-Abgeordnete.

(rv 22.06.2017 sk)








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