2017-06-10 11:14:00

Papst besucht italienischen Präsidenten


 

Es ist jedes Mal großes Kino, wenn ein Papst den italienischen Staatspräsidenten besucht: Hymnen, offizielle Begrüßungen, Delegationen. Dabei ist die Sache eigentlich ganz einfach: Der Papst fährt ein paar Kilometer hinüber in die römische Innenstadt, hinein in den Quirinal, der früher mal ein Sommersitz der Päpste war.

Doch Italien hat sich 1871 im Kampf gegen den damaligen Kirchenstaat gebildet, und das sorgt bis heute, trotz des Friedensschlusses im Konkordat vor etwa neunzig Jahren, für komplizierte Untertöne.

An diesem Samstag also: Franziskus im Quirinal, zum Staatsbesuch bei Präsident Sergio Mattarella. Es hilft natürlich, dass das Staatsoberhaupt – früher der Präsident des Obersten Verfassungsgerichts – ein überzeugter Katholik ist. Mattarella hieß den Papst – einen Nachfahren italienischer Auswanderer nach Argentinien – im Ehrenhof des Quirinals willkommen, mit militärischen Ehren.

Papst und Präsident trafen sich im Palazzo, der auf einem der sieben Hügel Roms thront, zu einem Gespräch; dann gab es ganz protokollgemäß einen Austausch von Geschenken und öffentliche Ansprachen. Erst am Schluss wurde es entspannter, da unterhielten sich beide Staatsoberhäupter in den Gärten des Quirinals mit Kindern aus den Erdbebengebieten in Mittelitalien.

„Ich sehe mit Hoffnung auf Italien“, sagte Franziskus in seiner Ansprache. „Die Hoffnung hat mit der Erinnerung an die Generation der Eltern und Großeltern zu tun – auch die meinen, denn auch meine Wurzeln sind ja in diesem Land. Dankbare Erinnerung also an die Generationen vor uns, die sich für die grundlegenden Werte eingesetzt haben: Menschenwürde, Familie, Arbeit. Und diese Werte haben sie auch ins Zentrum der italienischen Verfassung gestellt. Diese ist und bleibt ein stabiler Bezugspunkt für das demokratische Leben des Volkes.“

Klar, dass das alles sehr staatstragend daherkommt. Keiner kann ja ernsthaft erwarten, dass der Papst bei einer solchen Gelegenheit verrät, was er von der (derzeit wieder mal etwas turbulenten) italienischen Innenpolitik hält, oder ob er dem früheren Ministerpräsidenten Matteo Renzi bei den nächsten Wahlen eine Rückkehr ins Amt wünscht. Franziskus beließ es in dem von seinem Staatssekretariat verfassten Text bei den großen Linien.

„Wir erleben eine Zeit, in der Italien und ganz Europa vor einer Reihe von Problemen und Risiken stehen: internationaler Terrorismus, das Migrationsphänomen oder die Jugendarbeitslosigkeit. Allerdings freut es mich, dass Italien dank der Großzügigkeit seiner Bürger und dank dem Einsatz seiner Institutionen – auch unter Rückgriff auf seine reichen spirituellen Ressourcen – daran arbeitet, diese Herausforderungen in Gelegenheiten zu Wachstum und in neue Chancen zu verwandeln.“

Um zu erklären, wie er zu diesem positiven Italienbild kommt, wurde der Papst dann auch mal konkret. „Das zeigt sich unter anderem an der Aufnahme der vielen Flüchtlinge, die an den italienischen Küsten landen, an der Ersten Hilfe, die seine Schiffe im Mittelmeer leisten, und am Einsatz ganzer Heerscharen von Freiwilligen, darunter auch kirchliche Gruppen und Verbände. Ein anderes positives Beispiel ist das Engagement Italiens im internationalen Bereich für Frieden, Sicherheit und Zusammenarbeit zwischen den Staaten.“

Auffallend war, wie ausführlich der Papst auf das Thema Migration und Flüchtlinge einging. Die Art und Weise, wie Italien und die Italiener mit Migranten umgehen, zeigt für ihn, wie sehr sie vom Christentum geprägt sind. „Was das große und komplexe Migrationsphänomen betrifft, ist es klar, dass einige wenige Nationen nicht allein die Bürde tragen und nicht allein für eine geordnete Integration der Neuankömmlinge in der eigenen Gesellschaft sorgen können. Darum ist es unerlässlich und dringend, eine breite und konkrete internationale Kooperation herzustellen!“

Arbeit für alle, vor allem für die Jugendlichen, und mehr Hilfe des Staates für die Familien – das waren weitere Punkte, die der Papst seinem Gastgeber im Quirinalspalast ins Stammbuch schrieb. Zum Thema Laizität, zur Trennung von Staat und Kirche also, bemerkte Franziskus, diese solle „nicht feindlich und auf Konflikt angelegt“ sein, sondern „freundschaftlich und auf Zusammenarbeit ausgerichtet“. Eine solche Laizität habe sein Vorgänger Benedikt XVI. „positiv“ genannt, sagte Franziskus zustimmend.

„Der Heilige Stuhl, die katholische Kirche und ihre Einrichtungen anerkennen die Unterschiedlichkeit der Rollen und der Verantwortungen. Sie versprechen ihre Zusammenarbeit mit dem italienischen Staat mit Blick auf das Gemeinwohl. In der katholischen Kirche und den Prinzipien des Christentums, die seine reiche Geschichte mitgeformt haben, wird Italien immer die besten Verbündeten für das Wachstum in der Gesellschaft, für ihre Eintracht und für ihren wahren Fortschritt finden. Gott segne und beschütze Italien!“

Wie gesagt: ein sehr staatstragender Tag. „Es gibt ein gemeinsames Feeling zwischen diesen beiden Menschen“, sagt der Quirinalsexperte Nicola Graziani, „das übersteigt das Alltagsgeschäft der Politiker. Sie haben ähnlich gelagerte Vorstellungen und äußern sich oft ähnlich. Wenn man ihre Beziehung mit der von früheren Präsidenten und früheren Päpsten vergleicht, dann kann man sagen: Weniger Schulterklopfen, aber eine gemeinsame Weltsicht, die sie viel enger aneinanderbindet.“

Tatsächlich zeigte der bebrillte und in der Öffentlichkeit eher scheu auftretende Mattarella große Einmütigkeit mit dem Papst: Er sprach nicht nur in seiner Rede von gemeinsamen Anstrengungen für Klimaschutz oder Migranten, sondern er betete auch kurz mit Franziskus in der Quirinals-Kapelle.

(rv 10.06.2017 sk)








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