2017-06-10 10:28:00

Papst: „Globalisierung ist keine Billardkugel“


Aktionssitzung mit dem Papst: Per Videokonferenz hat sich Franziskus an diesem Freitagnachmittag mit Schülern und Erziehern aus verschiedenen Ländern über weltweite Bildungsinitiativen für junge Leute ausgetauscht. Anlässlich der Einweihung des Vatikan-Sitzes der Päpstlichen Stiftung „Scholas Occurentes“ ließ sich der Papst – ein früherer Lehrer – über die Sorgen und Nöte junger Leute aus Mittel- und Südamerika, Europa und Asien informieren, die in dem Schulnetzwerk engagiert sind. Die Videokonferenz fand in dem zum Vatikan gehörigen „Palazzo San Calisto“ im römischen Stadtteil Trastevere statt.

Inklusion und Begegnung, Solidarität und Gemeinschaft – über die Bedeutung dieser Werte sprach Franziskus auf Spanisch und teils Italienisch mit seinen jungen Zuhörern und deren Unterstützern. Dabei griff er Zeugnisse aus verschiedenen Ländern und Kontexten auf, die die Jugendlichen ihm zuvor in der Videoschaltung anvertraut hatten.

„Alle Menschen haben einen Sinn – das ist sehr wichtig in dieser Gesellschaft, die daran gewöhnt ist, auszuschließen und auszusortieren. Das ist das Erste: Entdecken, dass man selbst einen Sinn hat. So wie auch ein kleines Steinchen einen Sinn hat... Alles hat einen Sinn, aber man muss ihn herausfinden.“

Drei Sprachen

Dem Egoismus und der „Elitenbildung“ in heutigen Gesellschaften setzte Franziskus „drei Sprachen“ entgegen. „Die drei Sprachen, nicht vergessen: Sprache des Geistes, Sprache des Herzens, Sprache der Hand. Etwas riskieren, damit man denkt, was man fühlt und was man tut. Es geht um die Kohärenz in einem selbst – denn diese Gesellschaft behandelt uns wie einen Putzlumpen, sie lässt uns zerfasern. Das Entscheidende ist also, dass wir diese Kohärenz (zwischen Sagen, Denken und Tun) erreichen. Wenn ich fühle und denke, was ich tue, dann kommuniziere ich, dann isoliere ich mich nicht.“

Das Ziel von Erziehung besteht für den Papst nicht darin, „etwas zu wissen“, sondern darin, „dass man fähig wird, sich dieser drei Sprachen zu bedienen“. Erziehen bedeute nicht, andere auszuschließen und eine „Elite“ heranzuzüchten, sondern Erziehen sei Inklusion.

Franziskus sprach in dem Chat auch das Thema Globalisierung an. „Die Globalisierung ist gut, aber es gibt auch die Gefahr, dass man sie als eine Art Billardkugel ansieht. Alles gleich, alle Punkte des Kreises gleichweit vom Zentrum entfernt, alle persönlichen Eigenschaften eines Jungen oder eines Mädchens annulliert. Entweder passt du dich dem System an, oder es gibt dich nicht. Dasselbe gilt auch auf der Ebene von ganzen Völkern: Entweder passen sie sich an, oder sie existieren nicht.“ Wahre Globalisierung hingegen lasse sich eher mit der vieleckigen Form des Polyeders vergleichen, sagte Franziskus.

Der informelle Austausch in freundschaftlichem und bisweilen humorvollen Ton wirkte wie ein Chat unter Freunden und dauerte ungefähr eine Dreiviertel-Stunde. Die daran beteiligten Länder waren Italien, Kolumbien, Haiti, Paraguay, Argentinien, Brasilien, Mexiko, Spanien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Bei der Einweihung des neuen „Scholas“-Vatikansitzes waren neben Vertretern der Stiftung auch die italienische Bildungsministerin und der Vorstandschef des Fußballclubs AS Roma anwesend.

Hintergrund

„Scholas Occurentes“ war urspünglich vom damaligen Erzbischof von Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio, ins Leben gerufen worden. 2013 wurde die Bildungsinitiative in eine Vatikanstiftung umgewandelt. Mit den Büros im Palazzo „San Calisto“ im römischen Stadtteil Trastevere ist die Stiftung nun offiziell im Vatikan verortet. Anliegen der Initiative ist es, mit Technik, Kunst und Sport weltweit die soziale Integration von Kindern und Jugendlichen aus armen Verhältnissen zu fördern. Aus diesem Zweck setzt das Netzwerk Schulen in Verbindung, unabhängig von Konfession, Religion oder sozialer Schicht. Mit Scholas Occurentes hat sich das weltweit größte Studentennetzwerk gebildet; die Initiative ist bis heute in 190 Ländern vertreten und vernetzt laut offizieller Angaben derzeit 446.133 Schulen und Bildungsnetzwerke.

Die Papst-Stiftung hat bereits mehrere Veranstaltungen im Vatikan organisiert, so zum Beispiel zwei Google-Hangout-Sitzungen mit Papst Franziskus und 2014 das interreligiösen „Match for Peace“. Im April 2015 konnte der Vatikan mit dem UNO-Kinderhilfswerk UNICEF und dem südamerikanischen Fußballverband Conmebol zwei wichtige neue Partner für die Initiative hinzugewinnen.

(rv/kna 10.06.2017 sk/pr)








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