2017-06-08 15:24:00

Aktuelles Tauziehen im Islam: Experte Samir ordnet ein


Die von Saudi-Arabien angeführte Initiative, das kleine arabische Land Katar de facto aus der arabischen Staatengemeinschaft auszugrenzen, hat internationale Verwunderung und Besorgnis über eine Eskalation in der Region ausgelöst. Die Begründung der Allianz gegen Katar: Das Land fördere den islamistischen Terrorismus. Doch dies ist ein Vorwurf, dem sich auch Saudi-Arabien selbst oft genug gegenüber sieht. Wir haben mit dem Islamwissenschaftler Pater Samir Khalil Samir S.J. gesprochen und ihn danach gefragt, was tatsächlich hinter diesem Schritt steht.

P. Samir: Ja das war eine große und traurige Überraschung. Saudi-Arabien wirft Katar vor, es hätte die Muslimbrüder und den Iran unterstützt. Es ist wahr, dass Katar die Muslimbrüder unterstützt hat, aber das passt nicht zusammen, denn die Bruderschaft ist gegen den Iran. Saudi-Arabien hat die Terroristen von Anfang an mit Geld und Waffen unterstützt. Das sagt jeder im Nahen Osten. Die Sache ist sehr traurig, denn Tausende von Menschen sterben dadurch.

RV: Nun kam es ja auch im Iran zu Toten beim ersten IS-Anschlag überhaupt, und Iran, wie Sie es auch angedeutet haben, ist der historische Erzfeind von Saudi-Arabien. Ist es nun ein Zufall, dass es gerade jetzt zu diesen Anschlägen kam bzw. dass es am Chomeini-Mausoleum und im Parlament passierte?

Seit Chomeini war die Situatio des Iran schwieriger. Im Iran gibt es etwa sieben bis acht Prozent Sunniten, die große Mehrheit sind Schiiten. Der Kampf zwischen Schiiten und Sunniten besteht von Anfang an, seit Mohamed gestorben ist. Das heißt, die Situation ist sehr hart zwischen den beiden. Aber es gibt einen Unterschied. Die Schiiten sind in der muslimischen Welt eine Minderheit, vielleicht 15 Prozent, wenn man alle kleineren Gruppen dazu rechnet. Die Sunniten sind die Mehrheit, vielleicht 85 Prozent. Diese erkennen die Schiiten nicht als echte Muslime an. Aber jeder hat doch das Recht, seiner Religion zu folgen. Mit Chomeini ist es etwas härter geworden, aber wesentlich sind doch die Schiiten etwas offener gegenüber anderen.

RV: Müssen wir denn nun in Zukunft auch mit weiteren Anschlägen im schiitischen Iran rechnen?

P. Samir: Ich glaube, die Situation ist derzeit sehr schwierig. Saudi-Arabien mit seinem Geld – nicht mit seiner Macht, denn es hat nur sein Geld und die Behauptung, dass sie die Verteidiger der heiligen islamischen Länder seien… Ägypten beispielsweise hat der Aktion nicht deshalb zugestimmt, weil es gegen Katar ist, sondern weil es in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage ist und Geld von Saudi-Arabien braucht. Das Risiko ist, dass wir einen neuen Schritt machen und diesen Krieg mit Iran und vielleicht noch anderen entfachen, statt eine friedliche Lösung zu suchen.  

RV: Hat denn der Besuch von US-Präsident Donald Trump in Saudi-Arabien und auch der Schulterschluss mit der dortigen Regierung die Situation noch verschärft?

P. Samir: Ja, mit Sicherheit. Donald Trump hat klar gemacht, dass er gegen den Iran steht. Aber warum? Einfach, weil er ein Verbündeter Saudi-Arabiens ist. Was hat Iran denn Schlechtes getan? Dass sie versuchen, auch die Atombombe zu bauen? Die haben in der Region auch andere. Leider ist die Reaktion von Trump nicht politisch motiviert, sondern weil es gut für die Wirtschaft der Vereinigten Staaten ist.

RV: Wie sollte denn Ihrer Ansicht nach die Internationale Gemeinschaft auf die Initiative Saudi-Arabiens, Katar wegen angeblicher Unterstützung von Terroristen auszugrenzen, reagieren?

P. Samir: Ich glaube, das ist ein falscher Schritt, und es wäre schön, wenn alle arabischen Länder einsehen würden, dass das für keinen gut ist. Wir sind alle Brüder. Christen, Muslime, Atheisten, wir snd alle Brüder. Wir haben so viele Probleme auch in den einzelnen Ländern, versuchen wir doch erst zusammen, die zu lösen und nicht neue Probleme zu schaffen, vor allem die, denen wir uns jetzt gegenüber sehen, mit Tausenden von Todesopfern und barbarischen Situationen. Jeder weiß das. 

Eine Langversion des Gesprächs können Sie durch Klicken auf das Lautsprechersymbol hören.

(rv 08.06.2017 cs)








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