2017-06-05 10:23:00

Carreiras Liste: Wie ein Priester Juden in Rom rettete


Es hört sich ein bisschen wie „Schindlers Liste“ an. Soll es wohl auch. Denn die Fälle liegen ähnlich: Auch Joaquim Carreira hat während des Zweiten Weltkriegs Juden gerettet. Indem er sie nämlich im Portugiesischen Kolleg von Rom versteckte, dessen Rektor er damals war.

„Padre Carreiras Liste“ also: So heißt das Buch des portugiesischen Journalisten Antonio Marujo. Er rekonstruiert darin die Geschichten der Juden und der Gegner des Nazi-Regimes, die 1943 und 1944, während der deutschen Besatzung Roms, im Priesterkolleg versteckt wurden. Aufgrund dieser Recherchearbeiten Marujos ist das Portugiesische Kolleg vor ein paar Tagen von der Raoul-Wallenberg-Stiftung mit dem Titel „Haus des Lebens“ ausgezeichnet worden.

Marujo hatte gelesen, dass katholische Einrichtungen in der Ewigen Stadt vielen Nazi-Gegnern, natürlich auch Juden, Unterschlupf verschafft hatten. „Da habe ich gedacht: Vielleicht ist ja auch im Portugiesischen Kolleg etwas ähnliches passiert? Ich habe mich mit einem Bischof, Carlos Azevedo – er arbeitet jetzt hier in Rom beim Kulturrat – darüber unterhalten, und der sagte mir: Ja doch, da gab es etwas, ich habe davon gehört... Und so habe ich eine Recherche gestartet, hier am Päpstlichen Kolleg.“

Die Wühlarbeit in den Archiven fördert prompt Berichte von Monsignore Carreira zutage, dem damaligen Rektor. „Das erste Dokument, das ich fand, war ein Bericht des Kollegs über den Zeitraum September ’43 bis Juni ’44 – das entsprach der Nazi-Besatzungszeit in Rom. In diesem Bericht, den Padre Carreira im Juli ’44 verfasste, führte er die Namen von 39 Personen auf, die im Kolleg Zuflucht gesucht hatten. Er rechtfertigte sich schriftlich, dass er sie aus Gewissensgründen aufgenommen habe: Zwar bringe das Risiken für sein Leben und das seiner Studenten mit sich, aber es sei doch eine Forderung des Evangeliums!“

„Ich habe Menschen, die wegen ungerechter und unmenschlicher Gesetze verfolgt wurden, Gastfreundschaft gewährt“: Das schreibt der portuiesische Priester in seinem Rechenschaftsbericht wörtlich. Ein Satz, den man in Stein meißeln könnte. Marujo hat versucht, mehr über die ungefähr vierzig Versteckten herauszufinden. Auch hier hatte er Glück. „Zwei von ihnen waren sehr wichtige Ärzte, die in Rom weithin bekannt waren. Einer war der Arzt Mussolinis, von Toscanini und vom Führer der kommunistischen Partei. Der andere war der Leiter einer Klinik, in der er ebenfalls vielen verfolgten Menschen ein Obdach geboten hatte. Er ist dann ebenso wie Padre Carreira zum „Gerechten unter den Völkern“ ernannt worden.“

„Gerechter unter den Völkern“ ist ein Titel, den die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem den Rettern von verfolgten Juden zuspricht. Carreira bekam ihn im Jahr 2010 zuerkannt. Viel weiß man nicht über den Monsignore. Für Marujo ist er trotzdem ein Vorbild auch für unsere Zeit. „Das ist eine in menschlicher Hinsicht wirklich reiche Geschichte: Aufnahme des anderen um des Evangeliums willen, ohne Unterschiede zu machen zwischen Juden, Kommunisten, Sozialisten, Faschisten... Woher diese Leute kamen, war Padre Carreira egal. Wichtig war ihm nur: Der ist in Gefahr, also nehmen wir ihn auf und helfen ihm. Das erinnert ein bisschen daran, was Papst Franziskus in der Frage der Flüchtlinge sagt, die heute nach Europa kommen...“

(rv 5.06.2017 sk) 








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