2017-06-03 11:57:00

Krise in Venezuela: ein Land „im freien Fall“


Der Vorsitzende der Venezolanischen Bischofskonferenz, Erzbischof Diego Rafael Padron Sanchez, befürchtet eine weitere Eskalation der Lage in seinem von einer politischen, wirtschaftlichen und sozialen Krise geschüttelten Heimatland. Venezuela befinde sich „im freien Fall“, sagte der Erzbischof von Cumana in einem Interview der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ vom 2. Juni. Die Bevölkerung „spürt die Dekadenz einer Regierung, die nicht regiert, die weniger Geld hat und weder genügend Güter importiert noch produziert“, fügte Padron hinzu. Die Freiheit der Menschen werde „jeden Tag ein Stückchen mehr beschnitten“.

Inzwischen elf Prozent aller Kinder unternährt

Die Bevölkerung sei angesichts der vielen Entbehrungen entmutigt, so der Erzbischof. Es fehle an Essen und Medikamenten genauso wie an Sicherheit und einer Perspektive für einen Ausweg. „Hier sterben Menschen, weil Medikamente fehlen. Es gibt Unterernährung. Laut einer Studie der Caritas sind elf Prozent aller Kinder unternährt“, führte Padron aus. Auch sei die Kriminalität „explodiert“: „Es gibt keine Garantien für Leib und Leben oder das Recht auf Gesundheit und Unversehrtheit.“

Die aktuellen Beziehungen zwischen Kirche und Regierung in dem südamerikanischen Land bezeichnete Padron wörtlich als „eingefroren“. Der zuletzt von Staatspräsident Nicolas Maduro forcierte Plan zur Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung werde keines der sozialen Probleme lösen, zeigte sich der Vorsitzende der Bischofskonferenz überzeugt. In der vergangenen Woche habe eine Regierungsdelegation mit Kirchenvertretern über den Vorschlag zur Verfassungsgebenden Versammlung diskutieren wollen. „Wir entgegneten höflich, dass wir nicht über ein Projekt diskutieren wollen, das wir für überflüssig halten, sondern über die Notlage der Bevölkerung“, schilderte Padron in dem „Standard“-Interview.

Mit Blick auf die oppositionellen Kräfte im Land sagte der Erzbischof, diese müssten sich dem Volk annähern. Dass sich die Oppositionsführer zuletzt nach anfänglichem Zögern an die Spitze der Proteste gestellt hätten, reiche noch nicht. „Sie müssen die Logik der Wahlen hinter sich lassen und dem Land ein strukturiertes Zukunftsprojekt vorlegen“, mahnte Padron.

Zwei unterschiedliche Szenarien skizzierte der Erzbischof zur Frage nach Auswegen aus der Krise: Zum einen, „dass die Opposition und die Regierung einsehen, dass die Lösung in den Händen beider liegt und sie zusammen den Weg einer Lösung beschreiten müssen“. Möglich sei aber auch, so Padron, „dass die Regierung ihren Kommunalstaat nach kubanischem Modell durchsetzt und damit die Demokratie beerdigt“.

Trotz der düsteren Lage glaubt der Vorsitzende der Bischofskonferenz aber an die Möglichkeit einer Aussöhnung. Die venezolanische Bevölkerung sei „nicht nachtragend“ und „sehr solidarisch“ Das Land habe zudem „enorme Reichtümer“, sagte der Erzbischof: „Und es lehrt uns unsere Geschichte, dass wir dann erfolgreich sind, wenn wir unseren Verstand einsetzen.“

(kap 03.06.2017 pr)








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