2017-06-01 11:24:00

Zentralafrika: Süd-Konflikt blockiert kirchliche Arbeit


Im Süden der Zentralafrikanischen Republik sind neue Konflikte aufgeflammt. Seit bewaffnete Gruppen in die Region Basse-Kotto an der Grenze zum Kongo zogen, gibt es dort zunehmend Spannungen: Die örtliche Bevölkerung wehrte sich gegen Übergriffe der Rebellen, es entbrannte ein Konflikt, der in den vergangenen Wochen Dutzende Tote forderte und tausende Zivilisten zur Flucht in das Nachbarland zwang. Aufgrund der Eskalation mussten auch Kirchenvertreter die Gegend verlassen.

„In der Diözese Alindao hat es in letzten Wochen verschiedene Übergriffe, Ausschreitungen, Gewalt und damit sehr massive Fluchtbewegungen der Bevölkerung gegeben“, berichtet Annette Funke, Afrika-Länderreferentin des Kindermissionswerkes „Die Sternsinger“, die im Kontakt mit Kirchenvertretern vor Ort steht. „Offene Kämpfe“ habe die Region in den letzten drei Jahren eigentlich nicht gesehen. Doch das habe sich in den letzten drei Wochen geändert. „Es gab innerhalb von ein paar Tagen in Alindao selbst 148 bestätigte Todesfälle, 364 Häuser, die abgebrannt wurden, und inzwischen spricht man von über 16.000 Flüchtlingen, also intern Vertriebenen, wovon die Mehrheit, also 14.000, im Bischofssitz Zuflucht sucht. Diese massive Gewalt und Übergriffe haben natürlich dazu geführt, dass die Angst wächst und dann auch die Gegenbewegung und der Hass untereinander.“

UNO-Blauhelme haben die Lage kaum im Griff

Selbst der in der Provinzhauptstadt Mobaye stationierten UNO-Blauhelmtruppe, die aus 50 Männern besteht, sei es nicht gelungen, den Konflikt einzudämmen, berichtet Funke weiter. Aus der Grenzstadt seien deshalb etwa drei Viertel der 24.000 Einwohner geflohen, zumeist in den Kongo. Weitere 1.000 Menschen harrten auf Sandbänken im Grenzfluss zum Nachbarland aus. Etwa 250 zumeist Schwangere, Kinder und ältere Menschen suchten nachts Schutz in der katholischen Kirche.

Bei den bewaffneten Gruppen handelt es sich um Séléka und die sogenannten UPC-Rebellen aus der nördlicher gelegenen Region Bambari, führt Funke im Interview mit Radio Vatikan aus. Mit ihrer Infiltration hätten sich in der vom staatlichen Einfluss völlig abgeschnittenen Gegend das örtliche Machtgleichgewicht verschoben und die Sicherheitslage verschärft: „Die verschiedenen Aktivitäten der verschiedenen Rebellen von Séléka und UPC haben bei der Bevölkerung massiven Widerstand ausgelöst, weil die Übergriffe und die Unterdrückung so massiv wurden, dass sich in den verschiedenen Dörfern – vielleicht auch mit Unterstützung von außen – sogenannte Selbsthilfegruppen gebildet haben, die man im lokalen Kontext ,Anti-Balaka‘ nennt.“

Regional unterschiedliche Konflikte vor allem im Landesinneren

Mit der Anti-Balaka-Miliz, die sich in der Zentralafrikanischen Republik 2013 nach dem Sturz des Präsidenten François Bozizè gegen die Séleka-Putschisten gründete, haben diese „Anti-Balaka“ unmittelbar nichts zu tun, präzisiert Funke. Der Begriff beziehe sich vielmehr auf regionale Bürgerwehren ohne nationale Organisationsform; davon gibt es im Land viele, die kaum koordiniert vorgehen.

Die Bürgerwehr der „Anti-Balaka“ in der Region Basse-Kotto bestehe „sowohl aus Animisten als teilweise wohl auch aus Christen, aber es ist jetzt nicht so, dass die Christen und die Religionsführer dieses Handeln als ,christlich‘ bezeichnen würden…“, fügt sie an. Überhaupt seien religiöse Zuschreibungen wie „muslimische Séléka“ und „christliche Anti-Balaka“ nicht hilfreich, um die im Land immer wieder aufflammenden Spannungen zu fassen, so die Afrika-Referentin: Es gehe um keinen religiösen Konflikt im eigentlichen Sinne, vielmehr erkämpften sich verschiedene lokale Rebellenguppen vor allem im Landesinneren regelmäßig die regionale Macht.

Kirchliche Hilfe bricht weg: fatale Folgen

Der neue Konflikt hat auch Kirchenvertreter aus der Region vertrieben: So hätten die in Alindao aktiven Spiritaner aufgrund der Zuspitzung ihre Arbeit vor Ort einstellen müssen, sie seien am vergangenen Sonntag geflohen, um ihr Leben zu retten, berichtet Funke. Für die staatlich vernachlässigte Region sei es fatal, dass die kirchlichen Helfer nun das Feld räumen müssen. Funke nennt als Beispiel die wertvolle Arbeit des Spiritaner-Missionars und Krankenpflegers Olaf Derenthal, der zusammen mit Kriegsflüchtlingen in einem Lager des UNHCR im Kongo Aufnahme fand:

„Das Ganze ist natürlich dramatisch, weil damit eine Versorgung der Region gar nicht mehr gewährleistet ist. Pater Olaf Derenthal ist als Krankenpfleger zuständig auch für das diözesane Gesundheitswesen, eine mobile Gesundheitseinheit, mit der er in die verschiedenen Dörfer fährt und Gesundheitsversorgung anbietet. Das heißt, all diese Aktivitäten wie auch die pastoralen und seelsorglichen Tätigkeiten brechen somit weg! Die Vermittlungstätigkeit der Kirche ist nicht mehr vor Ort, eine ganz große Stabilität für die Bevölkerung bricht weg, für diejenigen, die noch da sind. Die Kirche ist in dieser Region fast die einzige, die überhaupt irgendwas leistet, weil der Staat nicht präsent ist, die Region sehr schwer zugänglich ist und auch die UNO und Hilfen kaum bis dorthin vordringen.“

Um die neuen Kämpfe im Süden der Zentralafrikanischen Republik einzudämmen, sei es nun das „Allerwichtigste“, die UNO-Blauhelm-Truppen dort zu verstärken, gibt Funke den Wunsch der Partner aus der Region wieder. Diese sollten „ihrem Mandat entsprechend auch wirklich für Ruhe und Ordnung sorgen“, mahnt sie an. Nur so könnten weitere Konflikte unterbunden und der Bevölkerung wieder Hilfe geleistet werden.

Graswurzelinitiativen fruchten auf lange Sicht

Der Papst hatte das zerrüttete Land im Herzen Afrikas im Jahr 2013 besucht. Dabei würdigte und stärkte Franziskus lokale Friedensinitiativen wie die Dialog-Plattform des Erzbischofs und heutigen Kardinals von Bangui, Dieudonne Nzapalainga, der zusammen mit dem Imam der größten Moschee der Hauptstadt, Oumar Koubine Layama, und dem Vorsitzenden der Evangelischen Allianz des Landes, Nicolas Guerekoyamene-Gbangou, ein interreligiöses Forum gegründet hat, um der Gewalt im Land Einhalt zu bieten. Auch wenn die immer wieder aufflammenden Konflikte im Land eine andere Geschichte zu erzählen scheinen - in den letzten Jahren habe es auch zahlreiche Fortschritte in der Friedensarbeit gegeben, zeigt sich Funke optimistisch. Sie selbst hat hier eine Entwicklung beobachtet:

„Es gab seit dem Papstbesuch und seit dem großen Engagement vor allem der interreligiösen Plattform von Erzbischof, Imam und Pastor als Vertreter der Religionsgemeinschaften sehr viele Appelle, sehr viele Initiativen. Ich glaube schon, dass sowohl auf politischer Ebene als auch in der Zusammenarbeit mit der UNO und auch mit vielen NGOs vor Ort Dinge gewachsen sind, initiiert wurden, die wirklich sich für Frieden einsetzen, und dass es also auch positive Beispiele gibt. Aber es ist nur leider so, dass Frieden ein Prozess ist und das Ganze mehr Zeit braucht und langsam wächst und nicht von heute auf morgen so sichtbar ist wie die Gewalt, die alles zerstören kann. Insofern ist es manchmal schwierig, das genau darzustellen, vor allem was das Landesinnere betrifft.“

(rv/un ocha/sternsinger 1.6.2017 pr)








All the contents on this site are copyrighted ©.