2017-05-25 13:36:00

Kirchentag in Berlin: „Du siehst mich“ mit Merkel und Obama


Mit drei großen Open-Air-Gottesdiensten hat am Mittwochabend in Berlin der 36. Deutsche Evangelische Kirchentag begonnen. Das bis Sonntag dauernde Christentreffen steht unter dem Leitwort „Du siehst mich“. Der Kirchentag sei „ein Auftrag an uns alle, einander anzusehen, so wie Gott uns ansieht“, sagte der gastgebende Berliner Bischof Markus Dröge in seiner Predigt vor dem Reichstag. „Gott sieht uns, und wir sehen die Welt mit den liebenden Augen Gottes“, so der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.

 

Das Highlight: Merkel und Obama vor dem Brandenburger Tor

Für das evangelische Glaubenstreffen sind bis Sonntag insgesamt rund 2.500 Veranstaltungen geplant. Die mit den prominentesten Gästen fand noch am Donnerstag statt: Kanzlerin Angela Merkel und der frühere US-Präsident Barack Obama sprachen bei einer Podiumsveranstaltung vor 70.000 Menschen am Brandenburger Tor zum Thema „Engagiert Demokratie gestalten“. 

 

Obama ruft zu Einsatz für Demokratie und Freiheit auf

Barack Obama rief zum Einsatz für das Gemeinwohl auf. Er selbst habe die Hoffnung auf eine neue Generation, die sich um dieses Anliegen kümmere. Auch wenn er nun nicht mehr Präsident sei, wolle er „Menschen helfen, neue Anführer zu motivieren“, so das ehemalige Staatsoberhaupt mit Blick auf die „niederschmetternde“ Gewalt, die sich in Manchester gezeigt habe.

 

Merkel: Religion gehört in den öffentlichen Raum

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Christen zum öffentlichen Bekenntnis ermutigt. „Religion gehört in den öffentlichen Raum“, sagte Merkel am Mittwochabend in Berlin. Deshalb trete der Staat in Deutschland der Religion bei aller Trennung „wohlwollend gegenüber“. Merkel räumte ein, dass es ihr aus der Erfahrung in der DDR nach der Wende zunächst schwer gefallen sei, Religion öffentlich zu praktizieren, etwa bei Gottesdiensten vor den Parteitagen. Sie zeigte sich aber überzeugt, dass dies ein richtiges Zeichen des öffentlichen Bekenntnisses sei. Mit Blick auf eine christlich geprägte Politik betonte Merkel die Begriffe von Freiheit und Verantwortung, aus denen ein Gestaltungsanspruch hervorgehe.

 

Obama über Aufgaben heutiger Politik

Die Welt wachse immer enger zusammen, leitete Barack Obama seine Darstellung über Aufgaben heutiger Politik ein. Wenn es zu Kriegen und Konflikten komme, „können wir uns nicht hinter einer Wand verstecken“. Daher sei es wichtig, etwa in Konfliktvorbeugung, Entwicklung und Klimaschutz zu investieren, um den Menschen in den ärmeren Ländern Perspektiven zu bieten, betonte der frühere US-Präsident. Seinen Nachfolger Donald Trump erwähnte er nicht direkt.

In jedem Fall gelte es, den Glauben daran zu bewahren, „dass wir Dinge verbessern können“, so Obama. Dazu gehöre beispielsweise, Gräben zwischen Völkern oder Religionen zu überbrücken. Zugleich räumte der frühere US-Präsident ein, dass die Welt an einem Scheidepunkt stehe. Fremdenhass, Nationalismus und antidemokratische Strömungen hätten stark zugenommen. Umso wichtiger sei es, dagegen Werte wie die Menschenrechte, die Demokratie sowie die Gewissens- und Religionsfreiheit zu setzen.

 

Merkel und Obama: Waffengewalt als letztes Mittel

Angel Merkel erteilte fundamentalistischen Tendenzen in der Gesellschaft eine klare Absage. Religion und Glaube dürften sich niemals so erheben, dass sich daraus „unterschiedliche Wertigkeiten“ für den einzelnen Menschen ergäben.

Einig waren sich Merkel und der ehemalige US-Präsident Barack Obama auch darüber, dass der Einsatz von Waffengewalt beispielsweise gegen islamistische Terroristen zulässig sei. Merkel betonte zugleich, Krieg müsse „immer das letzte Mittel bleiben“.

Obama sprach mit Blick auf die von ihm angeordneten und stark umstrittenen Einsätze von unbemannten Drohnen von „tragischen zivilen Opfern“. Zugleich wies er darauf hin, dass auch bei der Verwendung anderer Waffen mitunter unschuldige oder unbeteiligte Menschen ums Leben kämen. Es sei eine Illusion zu glauben, einen Krieg oder einen Waffeneinsatz wie einen chirurgischen Eingriff planen zu können. „Drohnen sind nicht das Problem, das Problem ist der Krieg.“

 

Obama würdigt Arbeit von Lehrern

Obama würdigte die Arbeit von Lehrern. Er könne sich keinen wichtigeren Beruf vorstellen, sagte der frühere US-Präsident. Lehrer öffneten Kindern die Augen für die Welt. Zugleich kritisierte er, dass viele Lehrer zu wenig Respekt von der Gesellschaft und zu wenig Geld vom Staat bekämen.
Kein Land der Welt könne es sich auf Dauer leisten, wenn ein hoher Prozentsatz an Kindern keine gute Ausbildung bekomme. Armut, Perspektivlosigkeit und eine höhere Anfälligkeit für Kriminalität und extreme Ideologien seien die Folgen. Deswegen gelte es, in Bildung und Schule zu investieren, so Obama, der selbst als junger Mann Kirchengemeinden in Chicago beim Arbeitstraining für Einwohner armer Stadtviertel unterstützte.

 

Angela Merkel und der Glaube

Angela Merkel, Tochter eines evangelischen Pfarrers, sagte, sie fühle sich persönlich im christlichen Glauben gut aufgehoben. Dieser Glaube zeige ihr: „Es gibt etwas über mir, in mir, dass mich als Geschöpf Gottes verstehen lässt, mit Fähigkeiten, aber auch mit endlichen Fähigkeiten“, erläuterte Merkel am Donnerstag in Berlin beim Evangelischen Kirchentag, wo sie mit dem ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama auf einem Podium saß.
Der Glaube lehre sie eine „gewisse Demut“ und gestatte ihr, nach Fehlern wieder nach vorn zu blicken. Denn die christliche Botschaft halte die Botschaft bereit, dass Fehler einen Menschen nicht vernichten könnten. Aus dem Glauben heraus sei bei ihr die Erkenntnis gewonnen, „dass ich mich einsetzen muss für die Würde des Menschen“, sagte Merkel.

Moderiert wurde die Veranstaltung des Evangelischen Kirchentags vom Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und Kirchentagspräsidentin Christina Aus der Au.

 

„Berlin ist nicht gottlos“

Der katholische Erzbischof von Berlin, Heiner Koch, hob in seinem Grußwort an den Evangelischen Kirchentag hervor, Berlin sei keine „gottlose Stadt“, wie manche meinten. „Er schaut uns an durch die Augen dieser Menschen, die von unseren Kirchen und ihrer Botschaft oft so weit weg zu sein scheinen“, sagte Koch. Mit Blick auf die Einheit der Christen fügte er hinzu. „Gott schaut auf unseren gemeinsamen Weg mit- und zueinander. Warum soll nicht unter seinen guten Augen das möglich werden, was viele von uns kaum für möglich halten: dass wir wieder eins werden?“

 

(kna 25.05.2017 mg/gs)








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