2017-05-15 07:48:00

Das hat Seltenheitswert: Wahlen in Nepal


Kommunalwahlen in Nepal? Ein buchstäblich entlegenes Thema, das man in den großen Zeitungen vergeblich sucht. Dabei sind das die ersten Wahlen überhaupt seit zwanzig Jahren. Und in diesen zwanzig Jahren hat das kleine Land im Himalaya einen maoistischen Aufstand erlebt, die Abschaffung der Monarchie 2008, eine neue Verfassung 2015 – und ebenfalls 2015 zwei verheerende Erdbeben.

Jetzt also die Wahl, in zwei Etappen. Am Sonntag war die erste Runde, am 14. Juni folgt die Stichwahl. Wahlberechtigt sind 14 Millionen Menschen. Geht alles gut, dann wäre das eine wichtige Stärkung für die wacklige Demokratie in Katmandu.

„Diese Wahl ist wichtig, weil es um die Richtung geht, die die Demokratie einschlagen soll“, sagt uns in einem Telefoninterview Etienne Degrez, ein belgischer Jesuit, der in Nepal lebt. „Zwanzig Jahre lang hat sich die Regierung nicht dazu durchringen können, Wahlen anzusetzen; jetzt ist die Bevölkerung enthusiastisch, dass sie endlich die Möglichkeit zum Abstimmen hat.“

Das politische Klima sei nicht ganz so überschwänglich, urteilt Degrez. „Die neue Verfassung ist in der Terai noch nicht so richtig akzeptiert worden. Die Terai liegt an der Grenze zu Indien; diese Menschen sind in vielem den Indern näher als den Nepalesen und fühlen sich jetzt zum Teil marginalisiert. Die Regierung hat ihnen Änderungen in der Verfassung zu ihren Gunsten versprochen, aber zu diesen Änderungen ist es noch nicht gekommen, stattdessen wird deswegen heftig gestritten. Doch auch die Menschen der Terai wollen unbedingt wählen!“

Seit einer Ewigkeit immer dasselbe

Ob die Wahlen jetzt ein Beweis für eine neugewonnene Stabilität in Nepal sind, wollen wir von Pater Degrez wissen. Seine Antwort: „Das ist ein Ausgangspunkt für die Schaffung von Stabilität, würde ich eher sagen. Vor allem, weil jetzt die politische Klasse erneuert werden kann. Die politischen Führer hier sind nämlich seit einer Ewigkeit immer dieselben, es hat da nicht der geringste Wechsel stattgefunden, auch die Ideen, die vorgebracht werden, sind immer dieselben.“

Bis vor ein paar Jahren war Nepal ein Hindu-Königreich gewesen: das einzige in der Welt. Nach dem Sturz der Monarchie sprach die neue Verfassung von einem „weltlichen“ Staat – schränkte aber gleichzeitig die freie Religionsausübung ein, so dass vor allem die Minderheiten, darunter die Christen, sehr besorgt waren.

Starker Druck zur Hinduisierung

„Das hat sich jetzt ein bisschen beruhigt. Dabei hat sich, was die Verfassung betrifft, überhaupt nichts geändert. Es gibt auch immer noch eine Partei, die sich als Hindu-Partei definiert, auch wenn sie im Moment nicht über allzu viel Einfluss verfügt. Und beunruhigend war auch vor kurzem der Brandanschlag auf die Kathedrale von Katmandu, bei dem zum Glück nur Sachschaden entstand, der aber auch alle daran erinnert hat, dass längst nicht alle hier im Land für die Religionsfreiheit eintreten.“

Ende April waren Unbekannte in das Gebäude der katholischen Kathedrale in der Hauptstadt eingedrungen und hatten darin ein Feuer entzündet. Die Folge: Verwüstungen im Kircheninnern und der Sakristei, verkohlte Autos und Motorräder auf dem Parkplatz draußen. 2009, bei einem früheren Angriff auf das Gebäude, waren die Dinge nicht so glimpflich gelaufen, da hatten Hindu-Attentäter zwei Christen, die am Morgengebet teilnahmen, getötet.

„Im Augenblick werden die christlichen und muslimischen Religionsgemeinschaften nicht behelligt, aber sie sind auch keineswegs in Sicherheit, nein. Zumal der indische Bundesstaat Uttar Pradesh eine lange Grenze zu Nepal hat, und dort ist gerade die Hindu-Partei an die Macht gekommen. Wer in Nepal also religiösen Unfrieden stiftet, kann problemlos nach Indien entwischen, er wäre dort dann in Sicherheit... Indien ist zwar auf dem Papier auch ein weltlicher Staat, aber von ihm geht doch ein starker Druck zur Hinduisierung aus, das spürt man auch nach Nepal hinein. Psychologisch ist die Lage also nicht sehr gut.“

26 Millionen Menschen leben in Nepal. 150.000 von ihnen sind Christen – das sind gerade mal 0,4 Prozent der Bevölkerung.

(rv 11.05.2017 sk)








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