2017-05-14 07:00:00

UNESCO-Leiterin: „Habe einen der schönsten Jobs der Welt“


Das UNESCO-Welterbezentrum ist das ständige Sekretariat des UNESCO-Welterbekomitees und organisatorisch in den Kultursektor der UNESCO integriert. Seit 2015 ist Mechthild Roessler Direktorin dieses wichtigen internationalen Welterbezentrums. Aldo Parmeggiani bat sie zum Interview.

RV: Worin bestehen denn die Aufgaben dieser weltbedeutenden Institution?

Roessler: Unsere Aufgaben sind sehr vielfältig: Wir sind das Sekretariat der Konvention, die 1972 von der UNESCO verabschiedet wurde, und wir befassen uns vorwiegend mit dem Erhaltungszustand der Stätten, die sich auf der Welterbeliste befinden und diese Liste wächst jedes Jahr weiter an. Im Moment haben wir 1.052 Städten auf der Welterbeliste: Kulturstätte, Naturstätte und sogenannte gemischte Stätte in allen Teilen der Welt, in insgesamt 165 Staaten. Eine Reihe von Staaten haben noch keine Welterbestätten, denn insgesamt haben 193 Staaten diese Konvention verabschiedet, das heißt diese Konvention ist sozusagen fast universell. Unsere täglichen Aufgaben bestehen darin, uns um den Erhaltungszustand zu kümmern, das heißt wir sind in Kontakt mit den Managern der einzelnen Stätten, die auf der Welterbeliste sind. Wir berichten ins Komitee - dieses Jahr findet das Welterbekomitee im Juli in Krakau statt - und wir berichten über 156 Stätten, die auf der Welterbeliste sind, über den Zustand, über Gefahren, Stätten, die in Konfliktgebieten sind z.B. in Syrien, Irak, Jemen, Libyen oder auch Mali und Stätten, die durch menschliche Eingriffe bedroht sind, das heißt durch fehlgeleitete Infrastrukturmaßnahmen und auch durch Massentourismus usw.

RV: Im Vorfeld des regulären Treffens der G7-Regierungschefs im Mai trafen sich rund vor einem Monat die Kulturminister der G7-Staaten in Florenz. Es war das erste Treffen der Kulturminister der G7-Staaten dieser Art überhaupt und wurde durch Italien initiiert. An der von den Medien viel beachteten Konferenz nahmen auch Kulturexperten und Vertreter von EU und UNESCO teil und Sonderbeauftragte für das UNESCO-Welterbe. Neben Deutschland gehören Frankreich, Italien, Japan, Kanada, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten zu den G7-Staaten. Würden Sie uns dieses Florentiner Treffen aus Ihrer Sicht bilanzieren?

Roessler: Ich glaube, dieses Treffen war wichtig für den Austausch der Kulturminister dieser G7-Staaten, denn wir müssen in der gegenwärtigen Situation, wo das Welterbe extrem bedroht ist - wenn wir uns die Situation im Irak und Syrien vorwiegend anschauen - gemeinsam agieren und ich denke, dieser Austausch der Kulturminister mit den Experten, die auch aus den verschiedenen Regionen der Welt kamen, war extrem wichtig, um gemeinsame Aktionen planen zu können. Ich denke nur daran, dass Italien auch involviert ist, eine Task Force aufzustellen, dass Deutschland ein großes Treffen 2016 mit Vertretern der Antikenabteilung aus Syrien und aus anderen Ländern der Welt organisiert hat. Ich glaube, dass diese gemeinsamen Aktionen, die auch in der Erklärung verabschiedet wurden, extrem wichtig sind. Die UNESCO hat eine Strategie entwickelt, für das Kulturerbe im Kriegsfalle und in weltweiten Konflikten. Diese Strategie wurde von den Kulturministern sehr wohlwollend aufgenommen. Es gibt auch eine Reihe Entscheidungen, das heißt UN-Resolutionen, die sich mit dem Kulturerbe in Konfliktfällen befassen, vorwiegend auch das Erbe, das teilweise in archäologischen Stätten vorzufinden ist. Objekte werden aus diesen archäologischen Stätten illegal entwendet und vermarktet, das heißt da beobachten wir ganz genau, wie die Staaten zusammenarbeiten können mit dem Zoll und mit Experten vor Ort. Ich glaube, dieser Austausch ist ganz besonders wichtig in diesen Krisenfällen.

RV: Das Welterbeprogramm ist das international bedeutendste Instrument, das jemals von der Völkergemeinschaft zum Schutz ihres kulturellen und natürlichen Erbes beschlossen wurde. Die UNESCO-Liste des Welterbes verzeichnet mittlerweile über 1.000 Natur- und Kulturstätten weltweit. In die Schlagzeilen gekommen sind in letzter Zeit die uralten Kulturdenkmäler in jenen Ländern, die von grausamen, sinnlosen Volksaufstände und Bürgerkriegen zerstört wurden;  Paradebeispiel die syrischen Städte Palmyra und Aleppo. Würden Sie uns zu diesem Thema kurz etwas sagen?

Roessler: Ich war selbst in Syrien 2016 und habe die Mission nach Palmyra vor Ort geleitet, um die erste Bestandsaufnahme zu machen, nachdem die Russen dieses Gebiet geschützt hatten. Leider kam dann Daesh, wie man hier sagt, oder Isis wieder zurück und hat weitere Zerstörungen gemacht, das heißt wir müssen mit der Bestandsaufnahme wieder von Neuem anfangen. Palmyra ist eine archäologische Stätte, wir befürchten, dass eine Anzahl von Minen noch in diesem Gebiet ist, weshalb wir noch keine archäologischen Teams vor Ort hinschicken können. Was wir machen ist im Moment, das Museum wieder herzurichten, dass wir wieder Arbeitsbedingungen haben und wir mit den Teams vor Ort arbeiten können. Die Situation in Aleppo ist im Vergleich ganz anders gelagert, weil das eine historische Innenstadt ist und sie zu großen Teilen zerstört wurde. Da muss man ganz schnell Aufbauarbeiten leisten, damit die Gebäude nicht zusammenstürzen, aber auch weil die Menschen dorthin zurückkommen. Ich glaube, das ist ganz wichtig. Wir haben gerade eine große Konferenz zu Aleppo organisiert in Beruto, wo wir alle Verantwortlichen zusammengebracht haben und ich denke, es ist auch im Rahmen der Vereinten Nationen wichtig, dass wir Hand in Hand mit UNDP und den anderen Organisationen  der Aga-Khan-Stiftung usw. arbeiten, die auch vor Ort arbeiten möchten.

RV: Wie viele Welterbestätten haben Sie selbst besucht, Sie sprachen eben von Palmyra - und welche haben Sie persönlich am meisten beeindruckt?

Roessler: Ich schätze mal zwischen 60 und 70 Prozent kenne ich persönlich, das liegt aber auch daran, dass ich schon sehr lange - seit 1991 - bei der UNESCO bin und auch Chefin der Europa Region bis 2010 war, was die gesamte Nordhalbkugel ist. Von daher habe ich sehr viele Stätten selbst besucht, weil ich eben Missionen vor Ort durchgeführt habe, um den Erhaltungszustand dieser Stätten auch zu beurteilen. Ich habe keine Stätte, die mein Favorit ist, aber ich kann nur sagen, dass es eine Reihe von Stätten gibt, die einen wirklich umhauen, wenn man sie sieht. Das sind  z.B. die Reisterrassen der Philippinen, die „Stairways to Heaven“ (die Stufen in den Himmel) genannt werden und wenn wir die Viktoriafälle zwischen Sambia und Simbabwe oder auch Machu Picchu oder das Taj Mahal anschauen, ist man doch immer extrem beeindruckt von der kulturellen und natürlichen Vielfalt dieser Welt.  

RV: Sie haben einmal gesagt: „Der Schutz des Welterbes der Menschheit ist eine der schönsten Aufgaben, die man sich vorstellen kann“. Sind Sie dabei geblieben?

Roessler: Das bin ich sicherlich. Ich habe bestimmt einen der schönsten Jobs dieser Welt. Allerdings ist dieser Job so extrem schwierig geworden, da die Vereinigten Staaten nicht mehr an die UNESCO zahlen, seit Palästina nach einer demokratischen Abstimmung  in die UNESCO aufgenommen wurde, und auch nicht mehr an den Welterbe Fonds zahlen, das heißt wir haben immer weniger Gelder zur Verfügung, um die Stätten zu schützen. Da versuche ich, die Staaten daran zu erinnern, dass es unsere gemeinsame Aufgabe ist, diese Stätten zu schützen und zwar nicht für uns, sondern die Idee der Konvention ist, dass wir das für die zukünftigen Generationen tun. Es ist ja nicht unser Erbe, es ist nur das Erbe, was wir verwalten und wir müssen das zukünftigen Generationen zur Verfügung stellen. Von daher wird diese Aufgabe immer schwieriger, aber es gibt einige Staaten, die mir helfen und mir auch Personal geben, was eine der wichtigsten Dinge ist, weil wir uns nicht um den Schutz kümmern können, wenn wir hier bei der UNESCO kaum noch Leute haben.

RV: „Wenn wir die Kulturgüter in der Welt schützen und ihre materielle Identität bewahren, dann schützen wir die Grundlagen des Menschsein“ - dieser Spruch stammt von Frank Steinmeier, dem neuen Bundespräsident von Deutschland. Unterschreiben Sie ihn, Frau Roessler?

Roessler: Absolut, Herr Steinmeier ist sehr interessiert an dem Welterbe, wie Deutschland insgesamt und er hat auch das Welterbe von Hamburg eingeweiht, das Chile Haus, und den Freihafen und die Speicherstadt. Ich denke, dass es ganz wichtig ist, das Erbe nicht nur im eigenen Land zu schützen, sondern auch in anderen Ländern und das ist ein Respekt für die Identität und die Kultur dieser Menschen. Ich glaube, in diesem Sinne trägt Welterbe sehr zum Verständnis zwischen den Völkern bei.

(rv 14.05.2017 ap)








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