2017-05-09 11:29:00

Eigentlich nichts Neues: Dramen auf dem Mittelmeer


Bis zu 200 Migranten sind in den letzten Stunden im Mittelmeer ertrunken. 113 Menschen werden nach einem Schiffbruch vor der libyschen Küste vermisst, etwa achtzig Migranten kamen nach Aussagen von Geretteten bei einem weiteren Schiffbruch ums Leben. Insgesamt haben dieses Jahr schon mehr als 1.150 Menschen ihren Versuch, von Nordafrika aus über das Mittelmeer Europa zu erreichen, mit dem Leben bezahlt. 43.000 Migranten schafften es im selben Zeitraum lebend nach Italien.

Die Zahlen der UNO sind dramatisch – aber so richtig neu ist das alles eigentlich nicht. „Seit fünfzehn Jahren sehen wir mittlerweile Jahr um Jahr diesen Massakern auf dem Meer zu; Ende der neunziger Jahre hat das angefangen“, sagt der Blogger und Autor Gabriele Del Grande, der 2006 eine „Dokumentationsstelle Festung Europa“ gegründet hat.

„Die Zahl der Toten liegt mittlerweile auf dieser Route bei über 30.000, wenn man die griechische und die spanische Küste mit berücksichtigt. Jedes Jahr dieselben Fehler: Der legale Weg, mit einem Visum nach Europa zu gelangen, wird jedes Jahr weiter verschlossen, und die Repression auf dem Meer, die Kontrolle der Grenze, das Abweisen von ankommenden Migranten wird verstärkt. Das einzig Neue, das wir in diesen fast zwanzig Jahren erleben, ist, dass die Routen immer gefährlicher werden – und die Mafia auf beiden Seiten des Meers zynischer.“

Die einzige Möglichkeit, um aus dem Teufelskreis herauszufinden, bestünde nach Del Grandes Überzeugung darin, die legalen Einreisemöglichkeiten nach Europa zu stärken und zu vervielfältigen. Wenn Verzweifelte Aussicht auf ein Visum hätten, dann bräuchten sie sich nicht mehr an libysche Menschenhändler zu wenden, argumentiert er.

„Denn das Hauptproblem ist doch, dass die libysche Mafia das Süd-Nord-Mobilitäts-Monopol hat! Wer auch immer von Afrika nach Europa will, hat nur diese eine Möglichkeit, um das in die Tat umzusetzen. Man müsste mal ein bisschen experimentieren und legale Kanäle öffnen, über die europäischen Botschaften: Vielleicht könnte man das Phänomen, wenn nicht lösen, so doch wenigstens reduzieren?“

Im letzten Jahr haben NGOs nach UNO-Zahlen mehr als 46.000 Menschen im Mittelmeer vor dem Schiffbruch gerettet. Aber jetzt wird ihnen von einigen Politikern und Staatsanwälten in Italien vorgeworfen, mit den Schleppern unter einer Decke zu stecken. Es gebe Hinweise darauf, dass Menschenhändler Flüchtlingsboote mit einem Telefon losschickten, von dem aus sie dann beim Erreichen der internationalen Gewässer NGOs um Hilfe bitten können.

„Das ist doch ein Delirium, anders kann ich das gar nicht bezeichnen! Die Rolle der NGOs ist fundamental, sie haben mit ihrer Seenotrettung die Küstenwache und die Marine unterstützt... Sie legen damit Ehre nicht nur für Italien ein, sondern für ganz Europa. Wenn dann mal Anrufe mit der Bitte um Seenotrettung kommen, dann ist das nicht Begünstigung von Menschenhandel, sondern das ist Rettung! Rettung, die übrigens eine gesetzliche Pflicht ist; die NGOs haben (nach internationalem Recht) gar nicht die Wahl, dann abzuwägen, ob sie eingreifen sollen oder nicht. Wer immer sich in der Nähe eines sinkenden Bootes befindet, ist nach internationalem Recht zum Helfen verpflichtet! Menschen auf dem Meer aus Seenot zu retten, heißt nicht, illegale Einwanderung zu fördern, sondern heißt, Frauen, Kinder, Männer zu retten und an Land zu bringen.“

Das sei gar nicht nur eine moralische, sondern ausdrücklich auch eine juridische Pflicht. „Ich finde diese Vorwürfe schwerwiegend – schwerwiegend, dass jemand auf politischem oder sonstigem Level damit operiert, um nach Konsens zu fischen oder nach fünf Minuten Bekanntheit. Den Seenotrettern sollten stattdessen eigentlich Denkmäler gesetzt werden! Ob das die Küstenwache ist, die NGOs, die einfachen Fischer oder auch die Handelsschiffe – so viele haben aktiv zur Seenotrettung beigetragen!“

(08.05.2017 sk)








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