2017-05-01 12:52:00

Ägypten: „Wow-Effekt" beim Papstbesuch für Muslime


Beim Papstbesuch in Kairo haben die ägyptischen Medien zum ersten Mal Interesse für die christliche Religion gezeigt. Diese Einschätzung äußert im Gespräch mit Radio Vatikan der Kombonianerpater Paul Anis, der in Kairo ein Studienzentrum für interreligiösen Dialog leitet und die Papstvisite aus der Nähe verfolgt hat. „Dieser Gottesdienst, das hatte für die Medien einen Wow-Effekt, es war eine Überraschung“, so der Pater. Auch wenn die Gebete auf Latein gewesen seien, so hätten die Ägypter zugehört, dank der Übersetzung den Sinn verstanden und sich „nicht ausgeschlossen“ gefühlt.  „Der menschliche und brüderliche Auftritt des Papstes hat ein Bild übertragen, das anders ist als das, was man normalerweise sieht.“ Franziskus habe auch mit einer ungewöhnlichen Geste das übliche Schema einer interreligiösen Begegnung durchbrochen: „Der Großimam hat sich nicht erwartet, dass der Papst ihn brüderlich umarmen und „Bruder“ nennen würde. Das hat für einen Muslim eine andere Bedeutung: der Bruder einer anderen Religion ist nicht wirklich ein Bruder.“

Internationale Verantwortung Ägyptens

Großes Interesse ortet der Kombonianer aber nicht nur an den Gesten, sondern auch an den Worten des Kirchenoberhauptes auf Ägypten-Besuch. Was der Papst sagte, sei sehr dicht gewesen. „Sowohl Muslime als auch Christen haben wahrgenommen, dass da Aufrichtigkeit war, aber auch eine Dringlichkeit der Botschaft, die der Papst gab, die nicht nur Ägypten betrifft. Ägypten hat eine internationale Verantwortung, besonders für den Nahen Osten. Das ist sehr stark herausgekommen. Ich denke, einige sind in Sorge vor dieser Herausforderung. Der Papst hat Bewusstsein für unser Wirklichkeit geweckt, die nicht so verschlossen sein soll, nicht so konzentriert auf die kleinen Spannungen zwischen den Muslimen selbst, zwischen Politik und Religion.“

Positive Auswirkung auf al-Sisi und Al-Azhar

Zugleich glaubt der Fachmann für interreligiösen Dialog, der Papstbesuch werde auch die Beziehungen zwischen der Regierung Fattah al-Sisi und der Al-Azhar Universität positiv beeinflussen, die zuletzt nicht immer reibungslos kollaborierten, auch weil der Präsident sich deutlich über problematische religiöse Predigten geäußert habe. Pater Anis hörte auf einer politischen Ebene „Übereinstimmung“  in den Worten von Präsident Al Sisi und des Großimams heraus, als diese sich vor dem Papst äußerten.

„Was der Imam über die Würde der Person und die Gerechtigkeit sagte, sagte er zum ersten Mal. Er nimmt da eine Botschaft auf, auf die sich auch der Papst bezieht, nämlich die Menschenwürde. So wurde dieser Begriff zur Brücke. Auf dieser Basis kann man weitergehen, statt einander zu widersprechen.“

Pater Anis hofft nun, dass Ägypten und seine Religionsführer gemeinsam die Verantwortung der Religionen erkennen, extremistische Tendenzen zu entlarven „und das wahre Gesicht Gottes zu zeigen“. Wie Franziskus vor den Politikern und den Vertretern der Gesellschaft Ägyptens sagte: „Gott hat es nicht nötig, von uns Menschen beschützt zu werden; vielmehr ist er es, der die Menschen beschützt“. Das, so Pater Anis, „hat viele Muslime sehr berührt“. Während bisher die Beziehung zwischen Staat und Religion sich auf die Frage nach dem „Schutz der islamischen Religion“ konzentriert habe, fragten sich viele in der mehrheitlich muslimischen Gesellschaft Ägyptens nun auch nach dem Schutz für die christliche Minderheit. „Das hat viele Dinge in Frage gestellt, die Menschen wollen mehr darüber wissen.“

Muslime fühlen sich mit Christen vereint

Diese Einschätzung teilt auch der Islamwissenschaftler Pater Samir Khalil Samir. „Die Muslime fühlen sich vereint mit den Christen in dieser Prüfung durch die Attentate“, so der ägyptische Jesuit im Gespräch mit Radio Vatikan. „Die Muslime sind uns beigestanden, und viele von ihnen sagen heute: ihr seid unsere Brüder. Das ist auch ein Resultat dieser Reise nach Ägypten.“ Für den Dialog zwischen Christen und Muslimen auf institutioneller Ebene sei es hingegen ausschlaggebend, das der Papst sein Vertrauen in Al Azhar und den Großimam al Tayyeb zum Ausdruck gebracht habe, so Pater Samir.

(rv 01.05.2017 gs)








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