2017-04-30 09:57:00

Al-Azhar Universität: Eine neue Rolle im Islam


Der Islam steht weltweit von innen und von außen unter Druck, die Überzeugung, dass es ein Miteinander auch mit anderen Religionen brauche, habe sich deswegen auch an islamisch-theologischen Institutionen durchgesetzt, wie beim Papstbesuch in der Al-Azhar Universität an diesem Freitag sichtbar geworden sei. Der Theologe und Politikwissenschaftler Alexander Görlach, der selber an der Al-Azhar ein Studienjahr verbracht hat, beurteilt den Dialogansatz in Ägypten positiv, das sei „keine Show“ und ernst gemeint.

„Die islamische Glaubensgemeinschaft ist vielfältig und groß. Sie hat zum einen den Druck von außen, dass der Westen als Kultur und Lebensform die dominante Kultur auf der Welt ist“, so Görlach gegenüber Radio Vatikan. „Dazu gehören auch Werte, die nicht zum Standartvokabular der Gelehrten der Al-Azhar Universität gehören. Gleichzeitig steht diese Glaubensgemeinschaft von Nigeria bis Pakistan und Indonesien unter innerem Druck, ein Muslim in Pakistan kann heute sehen, wie Muslime in Indonesien oder Malaysia leben. Dieser Druck durch die Globalisierung und die Digitalisierung, der zwingt sozusagen zu Kollaboration.“

Druck von Innen und Außen

In seiner Promotion hatte sich Görlach mit der Geschichte des institutionalisierten Dialogs zwischen Vatikan und islamischen Akteuren befasst, währenddessen hatte er dazu unter anderem an der Al-Azhar Universität studiert. Er beschreibt die Entwicklung, welche dieser Dialog in den vergangenen Jahrzehnten genommen hat. „Dialog bedeutete dort immer, dass man zusammen komme, wenn es nicht anders geht und wenn es Probleme gibt und man einen Streit beizulegen hat“, berichtet er aus seiner Studienerfahrung. „Das Konzept des Dialoges, das man in Europa entwickelt hat und das auch die Kirche unter vielen Eindrücken und Brüchen durch die und mit der Moderne erlernt hat, das war zumindest damals nicht gegeben.“ Das habe auch für die islamische Wissenschaft und auch für Al-Azhar gegolten, bis heute sei die Uni ein „veritabler Verfechter eines islamischen Staatswesens“.

Ohne Miteinander geht es nicht

Heute sollten alle Beteiligten, dass es ohne ein Miteinander nicht gehe, so Görlachs Hoffnung. Gerade der innere Druck im Islam durch Extremismen mache das sehr deutlich, so Goerlach. „Die Al-Azhar ist die älteste sunnitische Universität, aber die Zentren des Islam liegen in Malaysia und in Indonesien. Das heißt wiederum, dass die Al-Azhar den Relevanzaufweis für die Zukunft erst noch erbringen muss.“ Zu sehen gewesen sei das etwa bei der „Exkommunikaton“ – um ein christliches Wort zu benutzen – des ISIS-Gründers Abu-Bakr durch anfangs mehr als 130 islamische Theologen. Hier sei die Wichtigkeit einer solchen Universität, die für den Islam als solchen sprechen wolle, deutlich geworden. Man habe damals Al-Bakr theologisch nachgewiesen, warum er nicht der Kalif aller Muslime sei und seine Selbstdarstellung stellvertretend für den gesamten Islam widerlegt. Als Plattform für solche gesamt-islamischen Aussagen könne Al-Azhar zukünftig eine Rolle spielen.

Aber trotzdem gelte: „Die Al-Azhar Universität wird alleine nicht mehr die Geschicke von 1,4 Mrd Muslimen regeln und leiten können, selbst wenn sie das will.“ In dieser Spannung muss die Institution noch ihren heutigen Stellenwert entwickeln, der Papstbesuch habe gezeigt. Dass der Papst nun gekommen ist und bei einer internationalen Friedenskonferenz gesprochen hat, ist also nicht nur ein Schritt des Dialogs mit „dem Westen“, sondern auch einer der Findung der eigenen Rolle innerhalb der Islamischen Glaubensgemeinschaft.

 

Der Theologe und Journalist Alexander Görlach forscht derzeit an der Divinity School und dem Center for European Studies in Harvard im Bereich Politik und Religion.

(rv 30.04.2017 ord)








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