2017-04-28 16:32:00

Großimam spricht den Papst auf Flüchtlingskrise an


„Viva il Papa!“, ruft jemand, als Franziskus am Samstagnachmittag im Konferenzzentrum der Azhar-Universität auftaucht. Der in etwas kitschigem Pink gehaltene Raum mit einer Moscheen-Darstellung an der Stirnseite liegt etwa 8 km von der Azhar-Moschee entfernt, die als die älteste Universität der Welt gilt. Der Raum ist gut gefüllt; der ägyptische Großmufti, der orthodoxe Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., und ein koptischer Bischof sitzen in der ersten Reihe.

Als „Franziskus II.“ begrüßt ein Sprecher den Besucher aus Rom – der Lapsus erinnert daran, dass schon der hl. Franz von Assisi vor 800 Jahren, mitten in der Zeit der Kreuzzüge, Ägypten besuchte.

Ein leise sprechender Großimam schlägt in seiner Begrüßungsrede gleich einen ernsten Ton an: al-Tayyeb spricht von der Flüchtlingskrise, von „Leichen, die an Stränden liegen“, von einer „in der Geschichte noch nie dagewesenen menschlichen Tragödie“. „Ich glaube, die moderne Zivilisation hat die göttlichen Religionen vergessen und ihre unverrückbare Ethik, darunter vor allem die Geschwisterlichkeit unter den Menschen und die Barmherzigkeit“.

Es sei dringend, „das Bild der Religionen von falschen Vorstellungen und Praktiken zu befreien“, urteilt der Scheich. „Wir sollten Religion nicht für die Verbrechen einer kleinen Gruppe ihrer Anhänger verantwortlich machen.“ Der Koran rufe eindeutig zum Frieden auf. Auch das Judentum sei doch nicht deswegen eine Religion der Gewalt, weil „eine Gruppe seiner Anhänger palästinensisches Land besetzt“, sagt al-Tayyeb mit einem Seitenhieb in Richtung Nahost. Und auch ganz Amerika lasse sich nicht für die Atombombenabwürfe über Japan von 1945 kollektiv haftbar machen.

Der Papst und der Großimam umarmen sich – es ist das erste, eindringliche Bild dieser Papstreise. Als dann Franziskus das Wort ergreift, nennt er den Azhar-Rektor, vom Redetext abweichend, „meinen Bruder“.

(rv 28.04.2017 sk)








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