2017-04-28 09:37:00

Die Al Azhar-Universität: Brain-Drain und moderner Islam


Es geht dem Papst in Kairo um Frieden. Auch wenn er interreligiös die Al-Azhar Universität besucht oder ökumenisch den koptischen Patriarchen Tawadros trifft, die Überschrift über allem ist und bleibt „Frieden“. Das sei ganz klar auch der Anlass für die Fahrt, erklärt Pater Thomas Michel, Islamwissenschaftler, der derzeit am Päpstlichen Institut für Islamstudien in Rom doziert. „Wenn man auf die Situation dort schaut, sowohl innerhalb von Ägypten wie auch in den Nachbarländern, im Jemen, in Syrien, im Irak, dann wird klar, wie wichtig der Frieden dort ist. Und das ist der Grund, weswegen der Papst fährt.“

Die Friedenskonferenz, bei der Papst Franziskus spricht, ist also das Zentrum der Botschaft der Papstreise. „Der Papst ist nicht naiv, er weiß natürlich, dass es bei jeder von einem Staat organisierten Veranstaltung immer auch Manipulation gibt, das weiß er. Aber er fährt dorthin, um die Notwendigkeit von Frieden dort zu betonen.“

Brain-Drain: Viele Denker verlassen Al-Azhar 

Der Ort – die Al-Azhar Universität – sei natürlich nicht zufällig gewählt, so Pater Michel. Die Lehreinrichtung versteht sich als die älteste und traditionsreichste sunnitisch-islamische Hochschule. Sie habe als religiöse Schule begonnen, mittlerweile sei daraus aber eine Universität mit vielen verschiedenen Fakultäten geworden. Ursprünglich Muslimen vorbehalten könnten dort heute auch andere Religionsangehörige studieren. Was wird dort über das Christentum gelehrt?, wollte Radio Vatikan von Pater Michel wissen.

„Eine gute Frage, das hängt wohl von den einzelnen Lehrern ab... Meiner Erfahrung nach gibt es dort eine große Breite, von sehr offenen, pluralistisch orientierten Menschen bis hin zu engstirnigen Theologen, die überzeugt sind, dass nur Muslime gerettet werden können. Und natürlich gibt es das gesamte Spektrum dazwischen.“ - Wie im Christentum ja auch, fügt der Pater an.

Es gebe natürlich auch so etwas wie einen modernen Islam, auch wenn der im Westen nicht wirklich zur Kenntnis genommen würde, fährt der Islamexperte dann fort. „Die meisten Muslime leben wie selbstverständlich ein modernes Leben. Aber das sind nicht die Leute, über die wir in den Medien lesen und hören. Es sind immer die Ausnahmen, welche ihren Weg in die Zeitung finden, das ist auch bei Muslimen so.“

Die Hochschule leidet wie alle anderen Institutionen an der Situation vor Ort. „Die Al-Azhar Universität hatte ihre Probleme. Ägypten ist ein armes Land, es gibt also einen Brain-Drain, einige der besten Denker und Wissenschaftler verlassen Ägypten, um in die Golfstaaten zu gehen, wo es mittlerweile viele gute ägyptische Wissenschaftler gibt, oder auch in die USA oder nach Europa. Dort kann man besser arbeiten und wird besser bezahlt, da gibt es auch mehr akademische Freiheit.“ Al-Azhar habe das Prestige, gehe aber durch harte Zeiten, so die Einschätzung von P. Thomas Michel vom Päpstlichen Institut für Islamstudien in Rom.

 

(rv 28.04.2017 ord)








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