2017-04-28 08:00:00

Der Papst in einer der chaotischsten Städte der Welt


Der Papst besucht auf seinem Ägypten-Trip nicht einfach nur einen Präsidenten, eine Uni und einen Patriarchen. Es ist viel mehr: Er taucht etwa dreißig Stunden lang in die größte und chaotischste Metropolregion Afrikas und der arabischen Welt ein. Kairo, das ist ein Moloch aus Minaretten, Märkten, Pyramiden, Karawansereien und Slums. Seit Jahrtausenden schwankt diese höchst lebhafte Stadt zwischen größtem Stolz und tiefstem Elend.

Im Morgengrauen: Der Ruf des Muezzins, von Hunderten von Minaretten herab, in der Regel Lautsprecher-verstärkt: Die Herren wollen ja den Verkehr übertönen. Und der ist laut. Nicht nur morgens, sondern immer: Ununterbrochen wird hier gehupt und geröhrt, Sammeltaxis verknäueln sich auf den Nilbrücken, Stau ist Dauerzustand. El-Kahira heißt die Siegreiche, aber eigentlich hätte man diese Stadt „die Laute“ nennen können.

„Helwa“: Das ist der Ruf des Süßigkeitenverkäufers vor der al-Azhar-Moschee, am berühmten Markt Khan-el-Khalili. Er trägt seine Ware auf dem Kopf. In das Gewirr der Altstadtgassen traut man sich am besten zu Fuss; verlaufen wird man sich sowieso. Überall jahrhundertealte Moscheen, prächtige Paläste, gleich daneben die größte Misere, Kinder spielen barfüßig im Schlamm. In Werkstätten wird fleißig gehämmert, Händler halten Ausschau nach Kunden. Steigt man auf das Minarett der ibn-Tulun-Moschee, sieht man ganz am Rand dieses Chaos, weit entfernt, die Pyramiden aus dem Smog herausgucken. Eine überirdische Vision.

Überhaupt, die Moscheen sind die Ruhepunkte in dieser Stadt. Ganze Familien sitzen hier gemütlich im Schatten – es sei denn, es ist gerade Gebetszeit, dann wird eben mal gebetet zwischendurch. Der andere Ruhepunkt sind die zahlreichen Cafés, aber da sieht man nur Männer sitzen, und man kann auch nicht stundenlang herumhängen, ohne wenigstens einen „achwa“, einen sehr schwarzen Kaffee zu trinken – oder einen köstlichen ka’kade, also Hibiskustee.

Das ibn-Tulun-Minarett erinnert übrigens an die Zikkurats im Irak und damit an den Turm von Babel. Kein Wunder: Der Erbauer kam im 9. Jahrhundert aus Mesopotamien. Steigt man hinauf, dann entdeckt man, dass es mehrere Kairos gibt. Das islamische. Das moderne, das etwa die elegante Zamalik- und die Gezirah-Insel beherrscht, mit Tennisplätzen, Oper, schicken Hotels. Das koptische mit seinen Kirchen. Die kleine Vorgängerstadt Fustat mit ihren Ruinen und der Ben-Esra-Synagoge, in der man 200.000 historische Manuskripte in hebräischer und aramäischer Sprache gefunden hat. Die sogenannte Stadt der Toten, ein malerischer Friedhof, in dessen Gräbern sich aber Menschen zum Wohnen eingerichtet haben. Das militärische Kairo mit der Zitadelle oben auf dem Mukattam-Berg.

Aus einem Militärlager hat sich das heutige Kairo kurz vor dem Jahr 1000 herausentwickelt. Unter der Dynastie der Fatimiden, später der Mamluken, trat al-Kahira an die Stelle der bisher führenden Metropolen Damaskus und Bagdad. Von hier wurde ein Großreich regiert. Überall finden sich heute noch Spuren dieser glorreichen Jahrhunderte, mitten im Krach und im Sandstaub, den der Wind aus der nahen Wüste herüberträgt.

Hier herrschten einst Pharaonen. Hier soll Mose, das Baby, von der Tochter des Pharao aus dem Schilfkörbchen gerettet worden sein. Hier machte die Heilige Familie auf ihrer Flucht vor Herodes Station. Hier schlug Napoleon eine Schlacht, hier regierten die Osmanen, die Briten, Nasser, Mubarak, jetzt Sisi. Willkommen in Kairo, Papst Franziskus!

(rv 28.04.2017 sk)








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