2017-04-22 08:00:00

Buchtipp: Sankt Peter in Rom


Man sieht es dem Petersdom in Rom nicht an, dass an seiner Stelle mal eine konstantinische Basilika stand. Trotzdem war es so: Bis ins 16. Jahrhundert hinein erhob sich am Vatikanhügel eine beeindruckende, frühchristliche Kirche – die so voller Monumente und Grablegen war, dass der Renaissance-Papst Julius II. Mühe hatte, hier noch irgendwo eine Ecke für sein eigenes, zugegebenermaßen raumgreifendes Grabmal zu finden.

Julius’ Lösung war radikal: Abreißen, die ganze Basilika. Und eine neue bauen, mit genügend Platz für sein (von Michelangelo auszuführendes) Grabmal. Der Auftrag zum Neubau ging an den Architekten Donato Bramante – der prompt den Bau ganz anders anlegte, als der Papst das angeordnet hatte. Woraufhin dieser ihm die Gelder strich... und Neu-St. Peter, kaum begonnen, zur Ruine wurde. Ein Krimi.

Anderthalb Jahrhunderte sollte dieser Bau-Krimi dauern und viele Gelder und Nerven kosten. Der Kunsthistoriker Horst Bredekamp zeichnet diesen irrlichternden Prozess kundig nach. Seine Schilderung liest sich wie die einer Operation am offenen Herzen, mit ständig neuen Überraschungen. Einstürzende Neubauten, Architekten, die sich verkalkulieren, Korruption und Intrigen in der Dombauhütte, eine Ablasskampagne in Deutschland zur Finanzierung der Arbeiten und ein verhängnisvoller Irrtum Berninis – wie gesagt: Die Baugeschichte von St. Peter ist ein Krimi.

Nach der Lektüre des Buches ist man froh, dass der Petersdom nicht nach dem kitschigen Entwurf Sangallos hochgezogen worden ist, auch wenn dieser dafür eine richtiggehende Werbekampagne durchgeführt hat. Überhaupt: Was hätte nicht alles schiefgehen können bei so viel Durcheinander in den Jahrzehnten des Bauens! Wer diese Studie gelesen hat, der ist auf einmal richtig froh darüber, dass an der Stelle der abgerissenen konstantinischen Basilika heute keine Ruine steht oder irgendein Monumental-Kitsch. So hätte das nämlich durchaus kommen können...

Horst Bredekamp, Sankt Peter in Rom und das Prinzip der produktiven Zerstörung, Verlag Klaus Wagenbach, ca. 13 Euro

(rv 22.04.2017 sk)








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