2017-04-20 13:38:00

Polen lehnen Flüchtlinge ab, weil sie Terror fürchten


Ausgerechnet das katholische Polen spricht sich seit Jahren hartnäckig gegen die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus. Nur vier Prozent der Bevölkerung zeigen laut einer aktuellen Umfrage uneingeschränkt Aufnahmebereitschaft gegenüber Hilfesuchenden aus Nahost. Immer mehr Polen – aktuell 74 Prozent – lehnen Flüchtlinge aus Nahost und aus Afrika ab, die aus den überlasteten Mittelmeerländern nach Polen umverteilt werden sollen.

Angst vor Terrorismus

Woher kommt diese Ablehnung? Das wollte Radio Vatikan von Pater Waldemar Cislo, dem Direktor des polnischen Nationalbüros von „Kirche in Not“ in Warschau, wissen. Die Menschen hätten vor allem Angst vor terroristischer Infiltration, sagt der polnische Kirchenmann: Bilder von Terroranschlägen wie denen in Paris, Brüssel und Berlin und von den Kriegsschauplätzen in Syrien hinterließen bei den Polen große Wirkung.

„Die Leute haben Angst, dass in Polen das Gleiche passiert, was wir zum Beispiel in Deutschland und Frankreich gesehen haben – dass mit den Flüchtlingen auch der Terrorismus zu uns kommt, dass zwischen den Flüchtlingen auch Terroristen sind. Auch die Bilder (des Terrors, Anm.), die wir aus Aleppo sehen, machen Angst, dass das Gleiche auch zu uns kommt.“

„Zutiefst betrübt“ zeigte sich der Immigrationsbeauftragte der polnischen Bischofskonferenz über die Ergebnisse der jüngsten Erhebung zur Aufnahmebereitschaft der polnischen Bevölkerung. Die Polen müssten „eine größere Öffnung gegenüber Mitmenschen in Not“ an den Tag legen, so der Appell von Bischof Krzysztof Zadarko. Papst Franziskus hatte bei seinem Besuch anlässlich des Weltjugendtags in Krakau gegenüber Polens Politik mehr Solidarität gegenüber Hilfesuchenden angemahnt.

Andere Informationspolitik notwendig

Dass im syrischen Bürgerkrieg vor allem friedliche Zivilisten zwischen die Fronten geraten, werde von den polnischen Bürgern zwar „auch“ gesehen, räumt Pater Waldemar Cislo im Interview mit Radio Vatikan ein. Angesichts der Angst vor Anschlägen im eigenen Land gelinge ihnen eine differenzierte Sicht auf die Muslime aber kaum, erklärt er. Es brauche hier mehr Anstrengungen, die pauschal negative Sicht aufzubrechen und die Angst vor dem Fremden abzubauen: „Wir müssen vielleicht auch mehr eine Informationskampagne voranbringen, dass nicht jeder Flüchtling ein Terrorist ist. Denn manchmal hat man diesen Eindruck in den Medien: Jeder Flüchtling ein Terrorist...“

Derzeit sei jedenfalls die vorherrschende Wahrnehmung in der Bevölkerung, dass überwiegend junge, potentiell gewaltbereite Männer nach Europa kämen. „Die Attentate in Deutschland und Frankreich wurden auch von Zivilisten verübt, und nach den Zahlen verschiedener internationaler Institutionen sind fast 70 bis 80 Prozent der Flüchtlinge junge Männer, die vor dem Krieg fliehen; Frauen und Kinder und alten Leute sind in ihrer Heimat verblieben.“ Nachrichten über Probleme der EU bei der Kontrolle von Flüchtlingen aus den Kriegsgebieten täten hier ihr Übriges, ergänzt der Pater: „Wenn wir jetzt hören, dass die Geheimdienste nur 60 oder 70 Prozent der Flüchtlinge prüfen können, kommt die Frage auf: Wozu haben wir die Grenze in Europa? 30 Prozent können ohne Kontrolle nach Europa kommen.“

Auffanglager nach dem Vorbild Ungarns?

Polen und Ungarn sperren sich als einzige EU-Länder bis heute gegen eine Aufnahme von Flüchtlingen, die im Mittelmeerraum aus den Krisengebieten ankommen. Dass die Regierung Flüchtlinge vor allem als Sicherheitsrisiko begreift und sie auch so präsentiert, zeigt unter anderem die jüngste Erwägung des Landes, grenznahe Auffanglager für Flüchtlinge nach dem Vorbild Ungarns zu bauen.

Grundsätzlich feindlich gegenüber Kriegsflüchtlingen sind die Polen laut Pater Cislo nicht. So habe es seit Ausbruch des Krieges auch mehrere Versuche gegeben, Menschen aus den Krisengebieten in Nahost in kleinem Rahmen aufzunehmen. Viele dieser Migranten wollten allerdings weiter nach Deutschland oder Skandinavien und hätten das Land deshalb schon wieder verlassen. Auch sehe man es in Polen mit Sorge, dass es der EU insgesamt nur schwer gelinge, die Flüchtlingskrise zu bewältigen. So hapert es aus polnischer Sicht etwa bei der Unterscheidung zwischen Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen.

Positive Erfahrungen mit Migranten in Polen gebe es mit Flüchtlingen aus der Ukraine, von denen sich derzeit 1,5 bis 3 Millionen „teils legal, teils illegal“ in Polen aufhielten; allein in Warschau gebe es heute ungefähr 30.000 solcher Kriegsflüchtlinge. Von Schwierigkeiten zwischen Polen und diesen Migranten sei nichts zu hören, so P. Waldemar. Viele von ihnen arbeiteten als Putzkräfte oder Erntehelfer, sie würden „freundlich und gut“ aufgenommen.

(rv 20.04.2017 pr)








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