2017-04-11 08:19:00

„Symphonie des Glaubens“: Koch würdigt Benedikt XVI.


Was bleibt vom Pontifikat Benedikts XVI. in den Geschichtsbüchern? Alter Ritus? „Entweltlichung?“ Der Rücktritt? Nein – es wird das Stichwort „Glaube“ sein. Das sagt der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch. Wir sprachen mit dem Präsidenten des vatikanischen Einheitsrates über Benedikts bevorstehenden neunzigsten Geburtstag.

Koch: „Ich glaube, das Ganze seiner Theologie und seines Pontifikats ist eine Symphonie der Vertiefung des Glaubens. Die Enzykliken – nicht nur Deus Caritas Est, sondern auch Spe Salvi, und am Schluss wäre ja noch die Enzyklika über den Glauben gekommen, die Papst Franziskus übernommen hat – zeigen: Das Zentrum des Glaubens ist Glaube, Hoffnung, Liebe. Hier haben wir den Nukleus der ganzen Theologie von Papst Benedikt und Joseph Ratzinger.“

Koch hat vor ein paar Tagen bei der Vorstellung einer Festschrift für den emeritierten Papst einen Vortrag gehalten. Und dabei drei Schlüsselworte für das Verständnis von Benedikt XVI. identifiziert: „Ja, das sind Wahrheit, Liebe und Freiheit. Der Mensch ist sehnsüchtig nach der Wahrheit, er sucht das Gute und das Wahre – aber diese Wahrheit ist nicht einfach etwas Subjektives, sondern ist konkret als Liebe offenbart worden! Die Wahrheit Gottes hat sich gezeigt in Jesus von Nazareth, in seiner Liebe zu uns Menschen. Und das ist der Urgrund der Freiheit: der Freiheit, die in der Wahrheit und in der Liebe begründet ist. Im Grunde genommen ist das eine Symphonie von Wahrheit, Liebe und Freiheit, mit der man versuchen kann, das großartige Denken von Papst Benedikt auf drei kurze Begriffe zu bringen.“

Wir wollten von Kardinal Koch auch wissen, was man denn als Einführung in dieses Denken Joseph Ratzingers/Benedikts XVI. lesen sollte. Die „Einführung in das Christentum“ aus seiner Zeit als Professor in Tübingen, oder die Jesus-Bücher aus seiner Zeit als Papst?

Koch: „Die „Einführung in das Christentum“ ist heute noch lesenswert – ich staune immer wieder... Ich habe mal eine Synpose erstellt zwischen der „Einführung in das Christentum“ und seiner ersten Enzyklika Deus Caritas Est – da findet man ähnliche Sätze, fast bis in den Satzbau hinein! Das zeigt eine grundlegende Kontinuität.

Aber ich denke: Um wirklich das Herz des theologischen Denkens von Papst Benedikt zu verstehen, würde ich am ehesten die Bücher über Jesus von Nazareth empfehlen. Denn diese Bücher hat er geschrieben, um den Menschen zu helfen, eine Freundschaft mit Jesus Christus zu finden... Und das ist das Herz von allem.“

„Ich habe immer gedacht: Er wird auf sein Amt verzichten“

Benedikt ist der erste Papst der Neuzeit, der freiwillig zurückgetreten ist. Auch das macht seinen neunzigsten Geburtstag als emeritierter Papst, mit dem amtierenden Papst unter den Gratulanten, zu etwas Besonderem. Kardinal Koch: „Ich habe eigentlich immer gedacht: Papst Benedikt wird der erste sein, der auf sein Amt verzichten wird. Ich war allerdings über den Zeitpunkt völlig überrascht! Aber wenn man seine ganze Theologie anschaut, die Ernsthaftigkeit, mit der er über das Gewissen spricht und immer wieder auch vom Gewissen her handelt – das hat mir gezeigt, dass er ein äußerst gewissenhafter Mensch ist. Und wenn er zur Überzeugung kommt: Ich kann diese Aufgabe nicht mehr so ausführen, wie ich das von meinem Gewissen her vor Gott verantworten müsste, dann muss ich den Mut haben, das loszulassen...

Ich glaube, das ist ein Charakteristikum von Papst Benedikt: Er hat nie seine Person in den Vordergrund gestellt, sondern seine Person immer in den Dienst jenes Amtes gestellt, zu dem er beauftragt worden ist. Und weil ihm dieses Amt nach seiner Überzeugung nicht mehr möglich geworden ist, ist er mit seiner Person dahinter zurück getreten.“

Der Schweizer Kardinal würdigt Benedikt XVI. auch als Ökumeniker. Nun kannte Joseph Ratzinger allerdings Luthers Schriften und auch die handelnden Personen vor allem im deutschen Luthertum zu gut, um nicht auch manchmal als starr und unnachgiebig zu erscheinen – etwa bei seinem Besuch im Augustinerkloster in Erfurt, wo er sagte, ökumenische Gastgeschenke habe er nicht mitgebracht.

„Das hatte einen Grund, und er hat es auch erklärt: Es geht mir hier um die Begegnung im Glauben. Wir müssen die Einheit im Glauben finden – Ökumene ist nicht Diplomatie und nicht Politik, sondern ist das Wiederfinden in der Einheit des Glaubens. Insofern habe ich die Rede in Erfurt als sehr, sehr authentisch empfunden, und es war ja eigentlich das größte Lob über Martin Luther, das in der katholischen Kirchengeschichte ausgesprochen worden ist!

Das hat man viel zu wenig gewürdigt. Und auch seine hervorragende Predigt, die er dort gehalten hat, in der er darauf hinwies: Die größte Herausforderung in der Ökumene besteht heute darin, dass wir in einer säkularisierten Welt, in der der Himmel verschlossen ist, die Gegenwart Gottes gemeinsam bezeugen! Auch hier die Zentralität Gottes und die Zentralität Christi – das ist der eigentliche Kern seines ökumenischen Engagements.“

(rv 11.04.2017 sk)








All the contents on this site are copyrighted ©.