2017-04-07 16:42:00

Burundi/Ruanda: Säen auf blutigen Boden


Es war der 7. April 1994, als in Ruanda das begann, was später als „Völkermord an den Tutsi“ in die Geschichte eingehen sollte. In nur 100 Tagen töteten radikale Hutu etwa 800.000 Angehörige der ethnischen Minderheit der Tutsi und gemäßigte Vertreter ihrer eigenen Volksgruppe. Die Vereinten Nationen erinnern jährlich am 7. April mit einem Gedenktag an den Genozid, der das Machtgefüge und die Spannungen der Region im Herzen Afrikas bis heute bestimmt. Radio Vatikan sprach mit der Friedensaktivistin Marguerite Barankitse aus Burundi, die sich damals wie heute mutig gegen Hass und Gewalt stemmt.

„Noch bevor ich Tutsi bin, bin ich Christin“

„Noch bevor ich Tutsi bin, bin ich Christin. Ich werde nicht zulassen, dass ihr diese Menschen tötet.“ Mit diesen Worten stellte sich Marguerite Barankitse im Oktober 1993 inmitten des burundischen Bürgerkrieges vor ein Hutu-Haus, das zum Ziel der Rache wütender Tutsi wurde. Barankitse hätte selbst Teil dieses Mobs sein können: Nur zwei Tage zuvor hatten Hutu ihre eigene Tutsi-Familie ermordet. Sie hatte mitansehen müssen, wie mehrere Dutzend Menschen hingemetzelt wurden.

„Das Böse macht viel Lärm, das Gute aber ist leise“, erklärt die Afrikanerin im Interview mit Radio Vatikan. Ihre Stimme ist fest, ihre Augen leuchten. Als damals rund um sie in Burundi das Gemetzel begann, habe sie begriffen, dass sie selbst einen anderen Weg gehen würde. Sie würde sich derer annehmen, die jetzt am dringendsten Hilfe brauchten: der Kinder und Waisen, mit ihren schrecklichen Bildern im Kopf, der Schutzlosesten. Barankitse war selbst Opfer, und sie wollte den Kreislauf der Gewalt durchbrechen.

„Alle sagten mir: ,Du wirst das nie schaffen! Du bist verrückt!‘“ Barankitses Umfeld reagierte mit Angst und Unverständnis. Es waren turbulente Zeiten, der Krieg säte Hass, der Hass Gewalt, die Gewalt Rache – ein Teufelskreis. Am Anfang waren es 25 Kinder, die Barankitse mit Nahrung und Unterkunft versorgte. Gegen viele Widerstände knüpfte sie ein Hilfsnetzwerk, das immer mehr Kinder unterstützte.

„Maison Shalom“ half Tausenden von Kindern

Im Mai 1994 schließlich konnte sie mit Hilfe des katholischen Bischofs von Ruyigi, Joseph Nduhirubusa, das Kinderhaus „Maison Shalom“ gründen. Die Einrichtung, an die eine Schule und ein Krankenhaus angeschlossen war, bot den Kindern all das, was der Krieg mit Füßen trat: Bildung und Gesundheit, eine Perspektive und so etwas wie ein Zuhause. In der Fürsorge für die Kinder fand „Mamma“ Barankitse ihre Berufung: „Meine Botschaft ist zu zeigen, wie eine Christin das Unmögliche möglich machen kann, wie sie die Dinge komplett verändern kann. Das war meine persönliche Erfahrung.“

Dank ihres Einsatzes konnten in der Folgezeit weitere Kinderhäuser in Butezi und Gizuru errichtet werden. Zehn Jahre nach Beginn der Unruhen hatte ihr Netzwerk bereits 20.000 Kindern Hilfe zukommen lassen können, berichtet sie. Deren Leben nahm im „Maison Shalom“ eine neue Wendung. Im Gespräch mit Radio Vatikan erzählt Barankitse von Erfolgsgeschichten einiger ihrer Schützlinge: „Ihre Lage hat sich verändert: Straßenkinder wurden Ärzte, ehemalige Kindersoldaten wurden Mechaniker, minderjährige Häftlinge wurden Lehrer! Man muss an sie glauben. Und ich möchte zeigen, dass das Unmögliche möglich ist.“

Erneut erhob sie ihre Stimme

Als 2015 in Burundi erneut Gewalt ausbrach, erhob Barankitse erneut ihre Stimme. Sie sagte gegen den umstrittenen Präsidenten Pierre Nkurunziza aus, der sich in Burundi mit zweifelhaften Methoden an der Macht zu halten suchte. Barankitse ist seitdem in ihrem Heimatland zur Staatsfeindin geworden. Ihr Lebenswerk geriet in Gefahr: „Ich hatte das Maison Shalom in Burundi und das Krankenhaus aufgebaut… doch nur ein machtbesessener Mann, Präsident Pierre Nkurinziza, hat es geschafft, das zu zerstören: Er hat das Krankenhaus geschlossen und uns verjagt! Weil ich Verbrechen beim Namen nannte, die in meinem Land begangen werden - das Töten unserer Kinder, die Vergewaltigung unserer Frauen, werde ich in meinem Heimatland als Kriminelle bezeichnet. Ich komme aus einem Land, in dem viele Frauen - ohne viel Lärm zu machen – nachts die Erde bearbeiten, um ihre Kinder zu ernähren. Weil ihre Männer heute mit Waffen- und Drogenhandel und Krieg beschäftigt sind. Doch wir werden weitermachen. Wir Frauen haben eine Berufung, müssen sagen: los! Man muss säen!“

Marguerite Barankitse trat am Weltfrauentag im Rahmen der Begegnung „Voices of Faith“ im Vatikan auf. Die von der Fidel Götz-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Jesuitenflüchtlingsdienst ausgerichtete Konferenz fand bereits zum vierten Mal im Vatikan statt.

(rv 07.04.2017 pr)








All the contents on this site are copyrighted ©.