2017-04-05 14:29:00

Vor Papstbesuch in Ägypten: Dialog ist Chance und Pflicht


Gemeinsam gegen Extremismus: Der Papstbesuch in Ägypten kann wichtige Impulse liefern, um engere Beziehungen zwischen dem gemäßigten Islam und dem Christentum zu knüpfen und ein gemeinsames Gegengewicht zu radikalen Strömungen im Islam zu bilden. Das sagt im Gespräch mit Radio Vatikan der ägyptische Islamwissenschaftler Pater Samir Khalil Samir. Der erst kürzlich offiziell wieder aufgenommene Dialog zwischen der Al-Azhar-Universität und dem Vatikan laufe jedenfalls schon in die richtige Richtung, zeigt sich Pater Samir überzeugt: „Die politische Linie ist gemeinsam: Wir wollen Frieden. Die religiöse ist nicht in Diskussion, jeder hat seine Religion, und wir wissen, das ist verschieden. Aber letztendlich wollen wir (Christen und Muslime) in Toleranz miteinander leben. Und das ist was Al-Azhar heute zeigen möchte: ,Wir sind die echte Vorstellung des Islams‘.“

Klarere Abgrenzung von Gewalt notwendig

Papst Franziskus wird auf seiner Reise in Kairo mit dem Großimam von Al-Azhar – das ist die höchste Autorität im islamischen Recht für die sunnitischen Rechtsschulen – zusammentreffen. Die Begegnung gilt schon jetzt als historisch. Pater Samir sieht sie als Chance für neue Weichenstellungen im christlich-muslimischen Dialog: Er denkt, dass die sunnitische Welt im Kontakt mit dem Vatikan die religiöse Identität des Islam selbst klarer fassen kann. So hat nach Beobachtung des Islamexperten selbst die Al-Azhar-Universität das Verhältnis des Islam zur Gewalt bisher nicht ausreichend verdeutlicht: „Die Al-Azhar spielt eine Doppelrolle: Manchmal behaupten sie, dass Islam Frieden bedeutet und Gewalt nicht zum Islam gehört usw. Jeder, der den Koran gelesen hat, weiß, dass das nicht ganz stimmt. Es gibt im Koran und im Islam Gewalt, und es gibt auch Verständnis (dafür). Es gibt beides, je nachdem um welche Situation es geht und zu welcher Zeit diese Verse geschrieben wurden.“

Pater Samir hat wiederholt an die Bedeutung der Koranexegese erinnert: Angesichts extremistischer Tendenzen innerhalb des Islam, bei denen anhand einer wörtlichen Koranauslegung teils Gewalt im Namen der Religion gerechtfertigt wird, brauche es mehr Exegese und theologische Auseinandersetzung, plädiert der Jesuit. Diese nötige „Erneuerung“ müsse allerdings aus dem Islam selbst heraus geschehen, so Samir: „Ich möchte damit Schluss machen, dass wir Christen unseren Brüdern Muslimen helfen können. Das müssen die Muslime selber tun! Wir (Christen) können so kleine Hilfen geben, um ihnen zu helfen, sich zu erneuern.“

Spannungen mit Saudi-Arabien

Andererseits sei die Al-Azhar-Autorität in letzter Zeit u.a. auch „in Schwierigkeiten mit Saudi-Arabien“ geraten, fährt Samir mit Blick auf die unterbrochenen Beziehungen der beiden Länder fort. Damit fehle Ägypten auch Geld, was zusätzlich zur aktuellen Wirtschaftskrise beitrage. „Die Situation ist sehr schwer. Der Pound hat etwa 30 bis 40 Prozent verloren. Das heißt, dass die Leute nicht viel einkaufen können. Es gibt eine große wirtschaftliche Krise schon seit fast einem Jahr. Mindestens die letzten sechs Monate waren sehr schwierig. Für die jungen Menschen gab es wenig Arbeit. Die Regierung macht, was ihr möglich ist."

Mit dem Erstarken des von Saudi-Arabien aus propagierten Wahabismus sei der Islam in „die größte Krise seit einem Jahrhundert“ geraten, urteilt Samir. Auch der ägyptische Präsident al-Sisi habe angesichts dieser Tendenzen von einer notwendigen Erneuerung des Islam gesprochen. Der Jesuit verweist auf eine Rede al-Sisis vor 200 Imamen in der Al-Azhar-Universität  im Dezember 2014: „Wir brauchen eine islamische Revolution. Dieses Wort hat er benutzt, um den Glauben neu zu denken. Alle haben applaudiert und gesagt: ,Ja, das ist es‘. Aber eigentlich haben sie nichts getan. Das ist das Problem, man weiß nicht, wie man aus dieser Situation herauskommen kann.“

Al-Sisi zielt auf Ausgleich 

Immerhin habe der ägyptische Präsident die jüngsten Anschläge auf Christen, etwa den auf die koptische Gemeinde an der Sankt Markus Kathedrale in Kairo, scharf verurteilt. Darüber hinaus habe Al-Sisi den Christen „die größte Kirche“ des Landes Seite an Seite mit „der größten Moschee“ in einem Kairoer Neubauviertel versprochen – ein starkes Symbol: „Er ist überhaupt nicht für die Radikalen und möchte zu allen Menschen eine gleiche Beziehung haben. Al-Sisi persönlich ist ein frommer Muslim, fromm, aber nicht radikal, und ist gegen Radikalismus von muslimischer Bruderschaft oder anderen. Deshalb hat er auch mit Saudi-Arabien die Beziehungen unterbrochen. Das bedeutet, viel Geld zu verlieren. Aber er ist nicht einverstanden mit diesen Tendenzen. Und das spürt man in Ägypten.“

Unter der aktuellen Regierung seien etwa Leute ins Gefängnis gebracht worden, die eine aggressive Islamisierung im Land vorantreiben wollten und dabei übergriffig geworden seien, so Samir. Solche Fälle habe es etwa in Oberägypten gegeben: „Es ist schwierig alles zu kontrollieren. Deshalb passiert regelmäßig etwas gegen eine Familie, ein Mädchen wird genommen und dann islamisiert usw. Immer gibt es kleine Probleme; die Politik ist ohne Macht in diesen Fällen. Aber jetzt sieht man: Sie haben angefangen, die Leute, die das getan haben, ins Gefängnis zu bringen! Man hat ein bisschen Hoffnung, dass es mit al-Sisi besser wird mit der Zeit..."

 

(rv 05.04.2017 pr/cs)








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