2017-04-05 14:06:00

Papst: Christen und Muslime müssen einander besser zuhören


Christen und Muslime sollten miteinander sprechen, und zwar am besten leise, statt laut gegeneinander aufzutreten. Dieses Plädoyer für Dialog hielt der Papst am Mittwoch vor einer Delegation führender britischer Imame, die er vor der Generalaudienz im Vatikan empfing. Die Gläubigen beider Religionsgemeinschaften müssten sich zueinander wie Geschwister verhalten, so der Papst in seiner kurzen Ansprache, sie müssten in Ruhe und mit leisen Tönen miteinander reden, ohne übereilte Antworten zu geben. Die Begegnung mit den vier britischen Imamen fand in einem Saal der Audienzhalle statt, Anlass war der jüngste Terroranschlag von London, bei dem ein dschihadistisch inspirierter Einzeltäter vor dem Parlament vier Menschen in den Tod gerissen hatte.

Anwesend bei dem Treffen war auch Englands Kardinal Vincent Nichols. „Es war für uns ein wahres Privileg, ein solches Treffen mit dem Heiligen Vater durchführen zu dürfen“, so der Kardinal gegenüber Radio Vatikan. Es sei ein kleine Gruppe gewesen, so gab es eine familiäre Atmosphäre, die dem Austausch „gut getan“ habe.

„Ich denke, dass es für meine Kollegen, die vier muslimischen Imame, eine gute Gelegenheit war, um die tiefe Spiritualität von Papst Franziskus wahrzunehmen“, fuhr der Kardinal fort. „Wir alle, die den Papst an diesem Mittwochmorgen getroffen und mit ihm gesprochen haben, sind sehr von seinen Worten berührt worden. Papst Franziskus widmete uns viel Zeit.“

„Wir alle stehen für den interreligiösen Dialog ein“

Es sei ein einfaches Treffen gewesen, ohne viel Trara, denn es ging um „einen konkreten Austausch“.

„Von meiner Seite wollte ich ihm für seine Solidaritätsbotschaft an das britische Volk bedanken. Es war eine schreckliche Tat, als im Herzen Londons Menschen getötet wurden. Ich sagte dem Papst, dass diese Tragödie uns vor eine neue Herausforderung gestellt hat. Zugleich aber war es ein Moment, bei der die Klarheit innerhalb der britischen Gesellschaft zum Vorschein kam: Wir alle stehen für den interreligiösen Dialog ein.“

Von vatikanischer Seite aus hatte der Päpstliche Dialograt das Treffen organisiert. Dessen Präsident, der französische Kurienkardinal Jean-Louis Tauran, sagte im Gespräch mit Radio Vatikan, dass aus Großbritannien eine wichtige Botschaft an die ganze Welt gerichtet werde.

„Der interreligiöse Dialog beginnt mit der Freundschaft. Wenn man es schafft, freundschaftlichen Respekt aufzubauen, dann gibt es Hoffnung auf einen guten Dialog. Die Gäste aus Großbritannien waren sehr positiv gestimmt von den Gesprächen mit Papst Franziskus zu uns gekommen. Das liegt an der einfachen und klaren Sprache des Papstes.“

Imam: „Ein heiliger Papst, der zu uns sprach“

Dies bestätigten gegenüber Radio Vatikan auch zwei Imame, die an dem Treffen mit dem Papst dabei waren. Imam Moulana Sayed Ali Abbas Razawi leitet die islamische Gemeinde in Schottland. Er sagt: „Für mich ist es immer wichtig, im Angesicht der Menschen das Antlitz des Volkes Gottes zu sehen. Wir sahen im Papst einen heiligen Papst, der zu uns sprach. Seine Botschaft an uns lautete folgendermaßen: ein erfolgreicher Dialog bedarf eines vermehrten Zuhörens und Stillseins. Es geht darum, langsam und verständlich miteinander zu sprechen.“

Nach dem Anschlag in London sei der Dialog weder besser noch schlechter geworden, sagte der schottische Imam und verwies auf die lange Tradition des interreligiösen Dialog in Großbritannien.

„Ich war fünf Monate lang auf Weltreise. Ich habe viele Länder besucht und ich würde sagen, dass der interreligiöse Austausch im Vereinigten Königreich sehr wahrscheinlich weltweit am besten geführt wird.“

Imam: „Ich kann es nicht fassen“

Scheich Ibrahim Mogra ist Mitvorsitzender des „Christian Muslim Forum“ in Großbritannien und Imam in Leicester. Für ihn war das Treffen mit dem Papst eine Besonderheit.

 „Das war so aufregend. Ich kann es nicht fassen, dass dieses Treffen stattgefunden hat. Der Papst war so freundlich zu uns. Er hat mit uns sein Mitleid geteilt. Seine Botschaft, vermehrt zuzuhören, hat uns sehr gut getan. … Der interreligiöse Dialog in Vereinigten Königreich ist zwar auf einem guten Stand, aber selbstverständlich gibt es noch Verbesserungsmöglichkeiten. Wir dürfen nicht vergessen, dass es Menschen dort gibt, die seit 40 oder 50 Jahren dafür eintreten. Sie haben die Grundlagen für uns gelegt. Es gibt so viele gemeinsame Aktionen. Ich denke, dass es gerade in der heutigen Zeit wichtig ist, im Bereich der Flüchtlingsaufnahme mehr zusammenzuarbeiten.“

Prinz Charles beim Papst auch für interreligiösen Dialog wichtig

Zwar hatte es keinen direkten Zusammenhang mit dem interreligiösen Besuch, aber für Kardinal Nichols war auch das Treffen des britischen Thronfolgers Prinz Charles und dessen Frau Camilla am Dienstagabend mit Papst Franziskus ein weiteres Zeichen des „britischen Dialogweges“.

„Wir hatten die Möglichkeit, mit Prinz Charles kurz vor dem Treffen mit dem Papst zu sprechen, und es ist schön zu wissen, dass er die vier Imame kannte. Prinz Charles hat sich selber immer wieder für den interreligiösen Dialog in unserem Land interessiert und engagiert. Sein Treffen mit dem Papst war sehr wichtig. Wir gehen ja davon aus, dass er irgendwann einmal das Oberhaupt der anglikanischen Weltgemeinschaft werden wird. Deshalb ist es wichtig, dass er in die Fußstapfen Ihrer Majestät, der Queen, treten kann und in Papst Franziskus einen Gesprächspartner für den interreligiösen Dialog findet.“

Großbritannien will nicht isoliert sein

Im Gespräch mit Radio Vatikan rückte Kardinal Nichols auch den Eindruck zurecht, das Vereinte Königreich wolle sich isolieren, da es den Rückzug aus der Europäischen Union – den Brexit – angetreten habe. Nichols, im Übrigen Vizepräsident des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) ist, sagte uns:

„Es muss uns allen klar sein, dass Europa nicht mit der Europäischen Union verwechselt werden darf. Europa ist weit mehr als die Union. Europa ist viel mehr, nämlich ein kulturelles Zentrum und eine Zusammenkunft von Menschen. Es ist für die Briten klar: Auch wenn wir für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt haben, heißt das nicht, dass wir uns von Europa trennen wollen.“

Vielmehr gehe es nun darum, die Werte, die Europa besonders ausmachen, zu stärken, so Kardinal Nichols. Gerade die Terroristen seien jene, die sich gegen diese Werte stemmten und deshalb sei die Rolle der Religionsgemeinschaft in ganz Europa und weltweit wichtig, um jegliche Gewalt zu unterbinden.

Bei dem Anschlag in London am 22. März wurden vier Menschen getötet und rund 40 Personen verletzt. Attentäter Khalid Masood wurde während des Polizeieinsatzes erschossen. Der 52 Jahre alte Brite soll sich in Saudi-Arabien radikalisiert haben. Die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) reklamierte die Tat für sich; Medienberichten zufolge fanden Ermittler laut eigenen Angaben bisher jedoch keine Beweise für eine Verbindung des Mannes zum IS.

(rv 05.04.2017 mg)








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