2017-03-22 09:58:00

Kardinal Parolin über Europa: „Was uns eint ist stärker“


Für eine gemeinschaftlichere und weniger bürokratische Europäische Union hat sich der vatikanische Kardinalstaatssekretär ausgesprochen. Anlässlich des 60-jährigen Jubiläums der Unterzeichnung der Römischen Verträge, das am kommenden Samstag in Rom begangen wird, erinnerte Pietro Parolin im Interview mit der italienischen Tageszeitung „La Stampa“ an das kulturelle und religiöse Fundament der Staatengemeinschaft und rief Europas Führung zu weniger Populismus und mehr Dienst an der Gemeinschaft auf.

Den Gründervätern sei es weniger um die Schaffung „neuer supranationaler Strukturen“ gegangen als vielmehr darum, „eine Gemeinschaft zu beleben und die eigenen Ressourcen zu teilen“, erinnerte der Kardinal, der die kulturellen und religiösen Wurzeln Europas als „Lebenssaft“ der Staatengemeinschaft bezeichnete. Statt als „statische und bürokratische Entität“ solle man die EU heute deshalb als „Gemeinschaft auf dem Weg“ begreifen, schlug Parolin vor. Das gemeinschaftliche Gründungsideal der Staatengemeinschaft sei auch nach 60 Jahren noch „aktuell“, zeigte er sich überzeugt. Das 60-Jahr-Jubiläum der Römischen Verträge erinnere gerade daran, „dass es noch heute möglich ist, zusammenzuarbeiten, denn das, was uns eint, ist wichtiger und auch stärker als das, was uns trennt“, so Parolin.

Populistische Tendenzen in mehreren europäischen Ländern deutete der Kardinal als Anzeichen eines „tiefen Unwohlseins vieler Menschen in Europa“, die unter den Effekten der Wirtschaftskrise litten und durch die steigende Einwanderung verunsichert seien. Die jüngere Geschichte Europas zeige, welche verheerenden Folgen Populisten haben könnten, warnte Parolin, der dazu aufrief, die Gefahren des Populismus nicht zu unterschätzen. Auch angesichts des weit verbreiteten Bildes der Europäischen Union als rein bürokratisches Gebilde sei hier eine „authentischere“ und weitsichtigere Politik in Europa nötig, so die Nummer Zwei des Vatikan. „Gute Politik“ lasse sich auch am „vorbildlichen Lebensstil der politischen Führer“ und ihrem Dienst an der Gemeinschaft ablesen, erinnerte der Kardinal. Er übte hier Kritik an einer Politik, die allein dem Konsens der Wähler hinterherlaufe.

 

60 Jahre Römische Verträge

Anlässlich des 60. Jahrestages der Römischen Verträge empfängt Papst Franziskus am kommenden Freitag in Anwesenheit des COMECE-Vorsitzenden Kardinal Reinhard Marx die Staats- und Regierungschefs der EU-27 (ohne Großbritannien) zu einer Audienz. Am Samstag finden dann am Unterzeichnungsort des historischen Paktes in Rom die offiziellen Feierlichkeiten zu dem Jubiläum statt. Nur wenige Tage später treffen sich die EU-Bischöfe vom 29. bis 31. März in Brüssel, um über die Zukunft der Europäischen Union aus christlicher Perspektive zu beraten.

(la stampa/rv 22.03.2017 pr)








All the contents on this site are copyrighted ©.