2017-03-18 10:57:00

Petersdom: Der überzählige Schneidezahn Jesu


Manchmal ist auch bei alten Sachen Neues zu entdecken: Zum Beispiel eine zahnmedizinische Anomalie bei einer der berühmtesten Statuen der Kunstgeschichte. Die Rede ist von der Pieta im Petersdom, der Christus dort hat einen überzähligen Schneidezahn. Darauf wies der römische Kunsthistoriker Marco Bussagli laut Medienberichten vom Freitag bei einer internationalen Paradontologie-Tagung im italienischen Rimini hin. Demnach weist die Marmorskulptur des toten Jesus im Schoß der Jungfrau Maria einen fünften - mittleren - Schneidezahn im Oberkiefer auf. Das Phänomen ist in der Zahnmedizin als Mesiodens bekannt. Warum Michelangelo (1475-1564) Christus damit darstellte, bleibt rätselhaft.

Michelangelo ist aber nicht der Einzige, so Bussagli. Es findet sich dieser überzählige Mittelzahn auch bei verschiedenen Gestalten in der Sixtinischen Kapelle, etwa den Verdammten des Weltgerichts und der Delphischen Sybille, aber auch bei einem Henker in der Kreuzigungsszene der Cappella Paolina und anderen Gestalten Michelangelos.

Einer Theorie zufolge soll die Anomalie die Unerlöstheit der betreffenden Person symbolisieren. Dann wäre allerdings zu fragen, warum ausgerechnet der christliche Erlöser dieses Merkmal aufweist. Eine Erklärung könnte laut Bussagli in dem Wort des Apostels Paulus liegen, nach dem Christus, „der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht" wurde (2. Korintherbrief 5,21). Das Thema der Sündenverfallenheit wurde zur Zeit Michelangelos von Theologen und Philosophen lebhaft diskutiert, nicht zuletzt durch die Rechtfertigungslehre Martin Luthers und Reaktionen darauf.

 

(kap 18.03.2017 ord)








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