2017-03-15 10:08:00

Europäischer Gerichtshof erlaubt Kopftuch-Verbot im Job


Der Europäische Gerichtshof hat entschieden: Der Arbeitgeber darf das Tragen eines Kopftuches verbieten – aber nur unter bestimmten Umständen. Kritiker fürchten eine Einschränkung der Religionsfreiheit. Beim ersten der beiden verhandelten Fälle ging es um eine Kündigung wegen Kundenbeschwerden über eine IT-Beraterin mit Kopftuch. Thomas Lemmen vom Referat Dialog und Verkündigung im Erzbistum Köln sagt zu diesem Fall:

„So klar ist der Fall nicht entschieden worden. Das Gericht hat gesagt, dass die Beschwerde eines Kunden allein kein Entlassungsgrund ist. Der Arbeitgeber ist aufgerufen zu begründen, warum das Tragen eines Kopftuchs nicht geht.“

Im zweiten Urteil wurde entschieden, dass private Unternehmen als Betriebsvorschrift festlegen können, dass Mitarbeiter keine religiösen, politischen oder philosophischen Zeichen bei der Arbeit tragen dürfen. Lemmen:

„Dieses Urteil hat eine andere Qualität, weil da das Gericht sagt: das betreffende Unternehmen hat in einer internen Regelung festgelegt, dass man keine sichtbaren politischen, religiösen oder philosophischen Zeichen tragen darf, um die entsprechende Überzeugung zum Ausdruck zu bringen. Deshalb hat das Gericht die Klage gegen die Kündigung abgewiesen.“

Und was bedeutet dieses Urteil letztlich für Deutschland? Lemmen:

„Man muss wissen, dass die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen in den Ländern der Europäischen Union sehr unterschiedlich sind. Belgien und Frankreich, aus denen die beiden Klagen kamen, sind stärker laizistisch ausgerichtet. Deutschland hat ein positiveres Verhältnis des Staates zur Religion. Es steht die Frage im Raum, ob solche Klagen in Deutschland überhaupt möglich gewesen wären. Dennoch hat der Europäische Gerichtshof durch diese Entscheidungen Maßstäbe gesetzt, die nun in den Mitgliedsstaaten in der nationalen Rechtsprechung beachtet werden müssen. Und da kann man feststellen, dass Religion aus der Öffentlichkeit verschwinden soll. Die Gerichte sagen, dass wenn es Gründe für ein Verbot von religiösen Zeichen gibt, dann muss es gleichermaßen bei allen religiösen Symbolen angewandt werden.“

Anders ausgedrückt: ein Unternehmen könnte per Arbeitsvertrag einem Mitarbeiter verbieten, eine Kette mit Kreuz zu tragen oder ein Bild von Papst Franziskus aufzustellen. „Das muss man im Einzelfall ganz genau anschauen“, so Lemmen. In Deutschland sei die Religionsausübung durch das Grundgesetz und die Ausübung der Religion in der Öffentlichkeit gewährleistet. „Das lässt sich nach deutschem Recht nur einschränken, wo andere Grundrechte tangiert werden oder der öffentliche Frieden gestört wird. Ein aktuelles Beispiel: das öffentliche Beten von Schülern in einer Schule hat nach Auffassung der Schulleitung den öffentlichen Frieden gestört, und sie sah sich deshalb veranlasst, dies einzuschränken. Also als Arbeitgeber muss ich auch begründen, warum es mich stört und warum es beispielsweise den Arbeitsablauf beeinträchtigt. Und da sehe ich keinen Grund, warum ein Halbmond oder ein Kreuz an der Halskette Arbeitsabläufe oder den Arbeitsfrieden stören sollte.“

 

(domradio 15.03.2017 mg)








All the contents on this site are copyrighted ©.