2017-03-10 09:00:00

Eine Reise zu den Folgen verfehlter Politik


Der Papst ist den Menschen auf der Flucht „nahe“, heißt es immer wieder, und Franziskus selbst sagt es bei vielen Gelegenheiten. Aber was genau heißt das? Es heißt, dass der Papst etwa nach Lampedusa oder Lesbos fährt. Oder dass der Vatikan Flüchtlinge aufnimmt. Es heißt aber auch, dass im Namen des Papstes Vertreter in die Regionen reisen, die von Migration besonders betroffen sind.

Zwei von ihnen sind in dieser Woche von einer solchen Tour zurück gekehrt: Der US-Kardinal Roger Mahoney (emeritierter Erzbischof von Los Angeles) und Erzbischof Silvano Tomasi, der zur Zeit am Aufbau des Dikasteriums für die Ganzheitliche Entwicklung des Menschen mitwirkt und vorher Vatikan-Vertreter bei UNO-Einrichtungen war. Beide Kirchenmänner waren zehn Tage lang im Libanon, in Jordanien, im Irak und in Griechenland unterwegs.

Lösungen durch Krieg bringt nur Gewalt

„Es war eine Pilgerreise, bei der wir vielen Menschen begegnet sind: Flüchtlingen aus Syrien, äthiopischen oder filipinischen Frauen, die in Haushalten im Ausland arbeiten, Flüchtlingen aus dem Irak und dort besonders Christen aus der Gegend um Mossul“, berichtet Erzbischof Tomasi gegenüber Radio Vatikan. Die Begegnungen hätten ihnen zweierlei gezeigt, so der ehemalige Papstdiplomat. „Zum einen die menschlichen Folgen von verfehlter Politik, welche Lösungen im Krieg und Gewalt sucht und so den Menschen nur noch mehr Gewalt bringt. Zum zweiten haben wir aber auch gesehen, dass es so viele großherzige Menschen gibt, die bereit sind, zu helfen!“ Sie hätten Erste-Hilfe-Maßnahmen gesehen, Bildungsprogramme und Versöhnungsprojekte, berichten die beiden.

Der Name „Papst Franziskus“ habe überall für Freude gesorgt, so Tomasi, gleich ob bei Christen, Jesiden oder Muslimen. „Seine Stimme ist wichtig“ sei die Überzeugung der meisten Menschen, denen sie begegnet seien. Zwischen all den verschiedenen Menschen und Gemeinschaften wieder eine auf Vertrauen basierende Gesellschaft aufzubauen, das werde die größte Herausforderung, ergänzt Kardinal Mahoney. „Häuser kann man wieder aufbauen, Strom und Wasser kann man wieder verteilen - aber wenn Nachbarn auf Nachbarn losgehen oder sich im Stich lassen oder die Häuser der anderen plündern, dann kann man das nicht einfach mit einem Händeschütteln vergessen machen. Das kann man nicht einfach auslöschen. Ich bin davon überzeugt, dass christliche und muslimische Religionsführer die Mediatoren sein müssen, sozusagen die Instrumente der Versöhnung.“

Die Verantwortung des Westens

Gemeinsam rufen Mahoney und Tomasi die USA und Europa dazu auf, mehr Menschen, die vor den Konflikten fliehen, bei sich aufzunehmen. Sie greifen auch damit einen von Papst Franziskus immer wieder gemachten Appell auf. Besonders die USA lägen falsch, sagt Kardinal Mahoney, wenn sie ihre Verantwortung für die Menschen im Nahen Osten nicht anerkennen wollten. „Die Invasion im Irak 2003 hat in gewisser Weise das Erdbeben, das den Nahen Osten erschüttert hat, erst hervorgerufen. Nach dem Rückzug aus dem Irak 2008 hat man alles im Chaos zurück gelassen, und das hat dann den so genannten Islamischen Staat entstehen lassen. Wir tragen Verantwortung.“

„Unsere Reise sollte eine Botschaft der Hoffnung sein: Wir dürfen keine Angst haben vor unserem Bruder oder unserer Schwester, die leiden“, antwortet Tomasi auf die Bemerkung, dass Europa und Amerika gerade dabei seien, mehr Mauern zu bauen. Europa und Amerika gäben sehr viel Geld und Hilfe für Flüchtlinge, das dürfe man nicht vergessen. „Aber angesichts des Leidens, das wir gesehen und erfahren haben, fragen wir uns, ob es nicht klüger wäre, die Flüchtlingsströme erst gar nicht durch eine Politik von Hegemonie und Macht zu verursachen. Es wäre besser, mit Dialog und Verhandlung auf die Probleme zu reagieren. Besser, als Almosen zu geben, um die Folgen dieser Politik zu lindern, wäre es, keine falschen Entscheidungen zu treffen - und Gewalt nicht so einzusetzen, als wäre sie die Lösung des Problems.“

(rv 10.03.2017 ord)








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