2017-03-01 10:14:00

Zum Tod des DJ Fabo: „Liebevolle Allianz“ statt Einsamkeit


DJ Fabo: Das war sein Künstlername. Eigentlich hieß er Fabiano Antoniani. Vor drei Jahren hatte er einen Unfall, seitdem war er blind und gelähmt. Mit vierzig Jahren hat er beschlossen, seinem Leben ein Ende zu setzen und nahm in der Schweiz Beihilfe zum Selbstmord in Anspruch. Ganz Italien debattiert seitdem über Euthanasie, über assistierten Suizid, über das strenge italienische Gesetz.

„Die Geschichte von DJ Fabo ist sehr traurig“, sagt uns der italienische Kurienbischof Vincenzo Paglia. „Und sie ist auch eine große Niederlage für ihn – in dem Sinn, dass er leider das Gefühl hatte, das Leiden nicht mehr aushalten zu können. Und eine Niederlage für die Gesellschaft, die keine Antwort zu geben wußte. Im tiefsten Herzen dürstete Fabo nach Liebe, nach einem Sinn des Lebens. Er fragte sich, ob es sich lohnte, das Leben auch in schwierigen Momenten zu leben. Leider hat die gesamte Gesellschaft darauf keine Antwort gewusst. Und das ist es, was uns dringend zum Nachdenken bringen müsste.“

Paglia ist der frühere Leiter des Päpstlichen Familienrates, bevor der Rat durch die Kurienreform in einem größeren Ganzen aufging. Jetzt leitet er die Päpstliche Akademie für das Leben.

„Leider herrscht im Moment eine große Verwirrung der Begriffe: Euthanasie, Beihilfe zum Selbstmord, Schmerztherapie, Patientenverfügung… Man müsste damit anfangen, diese großen Begriffe etwas besser auf die Reihe zu kriegen. Da gibt es sicher eine Frage, die sich an alle richtet: Wie können wir diese tiefe Einsamkeit besiegen, die uns in einer Situation des Schmerzes dazu bringt zu sagen, es sei besser zu sterben als zu leben? Es gibt einen weitverbreiteten Individualismus, der andere Menschen vor allem in den schwierigsten Momenten alleine lässt. Und warum erst jetzt all diese Bedenken und Fragen? Weil die Gesellschaft diesen armen jungen Mann vorher allein gelassen hat, als er mitten in einem ausgelassenen Leben auf einmal in eine dramatische Situation geriet. Es bräuchte Liebe und leidenschaftliches Verstehen – und zwar bevor man zu so dramatischen Urteilen und zu so dramatischen Entscheidungen kommt.“

Das „Ich“ ist ein Virus

Die Debatte in den italienischen Medien tobt. Der Vatikan verfolgt sie ganz aus der Nähe, hält sich aber angesichts des emotionalen Tons spürbar zurück. Die Kirche steht zum Leben – zu dem, was der heilige Johannes Paul II. in einer Enzyklika einmal das „Evangelium vitae“, das „Evangelium vom Leben“ nannte. Gleichzeitig will Papst Franziskus aber, dass die Kirche nicht wie eine unerbittliche Verbieterin wirkt, sondern dass ihr positiver Ansatz, ihr umfassendes „Ja“ zum Leben in der Öffentlichkeit deutlicher wird. Kurienbischof Vincenzo Paglia:

„Wie viele Selbstmorde haben wir in unserer Gesellschaft, sogar bei Jugendlichen! Und leider gelingt es uns nicht, dem etwas entgegenzustellen, was die Gesellschaft, ihre Kultur und Einstellung verändern könnte. Die Einsamkeit führt dazu, dass jeder allein gelassen wird, dass keiner sich für einen anderen verantwortlich fühlt... In diesem Sinn bräuchten wir eine Kulturrevolution: eine Revolution des Wir. Das „Ich“ ist ein Virus, der unser tägliches Zusammenleben angreift und auch unsere schwierigen Momente. In einem solchen Umfeld wird dann entschieden, dass sogar Menschen, die gesund sind, Sterbehilfe bekommen, weil sie denken, der Zyklus ihres Lebens sei jetzt an sein Ende gelangt. Das ist eine Verirrung.“

Liebevolle Allianzen statt einsames Ende

Dass viele Stimmen in der italienischen Politik jetzt ein Gesetz über Sterbehilfe fordern, hält Bischof Paglia für eine „Schande“. Der traurige Fall des DJ Fabo werde damit „instrumentalisiert“.

„Hier geht es um einen Menschen, der sich für den Tod entschieden hat. Das hat nichts mit der Debatte über Gesetzgebung zu tun. Natürlich darf sich jeder Gedanken darüber machen, wie er sich sein Lebensende vorstellt oder wünscht – aber das Wichtige ist doch, dass das im Innern einer liebevollen und verständnisvollen Allianz zwischen Patient, Arzt, Angehörigen und Freunden geschieht. Das ist es, worauf die Gesellschaft hinarbeiten sollte. Einfach nur ein Vier-Zeilen-Gesetz zu formulieren und zu glauben, damit könne man jetzt Situationen lösen, die untereinander völlig unterschiedlich sind – das wäre wirklich riskant. Dass der Gesetzgeber handelt, ist nützlich, aber es sollte abseits dieser ideologischen Kämpfe passieren, die so ganz unterschiedliche Situationen auf ein einziges Muster reduzieren wollen. Mag ja sein, dass man auch ein Gesetz braucht. Aber in erster Linie müsste Solidarität hergestellt werden, eine Nähe zum ganzen Leben, vor allem in seinen schwierigsten Momenten.“

(rv 01.03.2017 sk)








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