2017-02-22 12:12:00

Irak: Die ersten Christen zurück in Mossul


Während um West-Mossul erbitterte Kämpfe zwischen der irakischen Armee und der IS-Terrormiliz toben, sind dieser Tage die ersten Christen in den bereits eroberten Ostteil zurückgekehrt. Das hat der chaldäische Patriarch Louis Sako gegenüber Journalisten in Erbil bestätigt. Noch sei die Sicherheitslage freilich sehr prekär, der Kampf um Mossul noch längst nicht vorbei. Auch im Ostteil der Stadt bestehe immer noch die Gefahr, dass einzelne IS-Kämpfer Terroranschläge verübten. Der IS habe in dem gesamten Gebiet ein ausgeklügeltes Tunnelsystem und unzählige Minen und Sprengfallen angelegt, so Sako. Die Terrortruppe sei auch ausgezeichnet bewaffnet.

Ob die 2014 vertriebenen Christen auch in großer Zahl nach Mossul zurückkehren würden? Der Patriarch zeigte sich zu dieser Frage vorerst skeptisch. Die problematische Einstellung der Muslime gegenüber den Christen sei ja nicht erst mit dem IS gekommen, sondern schon vorher da gewesen. Und die Christen hätten auch jegliches Vertrauen in ihre muslimischen Nachbarn verloren. Denn oftmals seien sie noch vor dem Eintreffen des IS von ihren muslimischen Nachbarn und vermeintlichen Freunden ausgeraubt, bedroht und vertrieben worden. Sako fügte hinzu, dass vereinzelt aber auch Muslime Solidarität mit den Christen gezeigt hätten.

Ohne einen fundamentalen Bewusstseinswandel in der muslimischen Mehrheitsbevölkerung sei ein künftiges Zusammenleben jedenfalls nur schwer vorstellbar. Es brauche vor allem moderate Imame, die in den Moscheen Respekt und Achtung gegenüber den Christen predigen, so der Patriarch. Auch in den Schulen müsse endlich mit Vorurteilen gegenüber den Christen aufgeräumt werden, nahm Sako vor allem die Muslime selbst in die Pflicht. Das alles sei jedenfalls ein langwieriger Prozess, gab sich der Patriarch keinen Illusionen hin. Und trotzdem: „Drei christliche Familien sind bereits nach Mossul zurückgekehrt. Und das ist ein kleines Zeichen der Hoffnung.“

Nach der Eroberung Mossuls durch die IS-Terroristen am 9. Juni 2014 hatten alle Christen die Stadt verlassen. Viele ihrer Häuser wurden sofort enteignet. Die Flüchtlinge hätten sich zunächst in die Ninive-Ebene oder nach Kirkuk begeben. Im August 2014 überrannte der IS dann auch weite Teile der Ninive-Ebene. Die Menschen - rund 120.000 Christen und Angehörige anderer religiöser Minderheiten - flohen weiter in die sicheren Kurdengebiete.

„Wer beschützt die Christen?“

Die Ninive-Ebene, wo zahlreiche christliche Dörfer und Städte liegen, ist inzwischen zwar vom IS befreit, präsentiert sich derzeit aber nicht als einheitliches Gebiet. Ein Teil des Gebiets wird von kurdischen Truppen gehalten, der andere von der irakischen Armee. Die politische Zukunft der Region ist derzeit völlig offen.

Er ermutige die Menschen, in ihre Dörfer und Städte in der Ninive-Ebene zurückzukehren, wo immer es die Sicherheitslage erlaubt, betonte Patriarch Sako. Nur vor Ort könnten sie für ihre Rechte eintreten. Um die Sicherheitslage zu stabilisieren, könne er sich internationale Beobachter von Seiten der UNO oder EU vorstellen. Sako: „Wer beschützt die Christen? Das ist die entscheidende Frage.“

Eindringlich warnte der Patriarch den Westen einmal mehr vor Blauäugigkeit gegenüber den muslimischen Flüchtlingen, die nach Europa kommen. Die westlichen Staaten müssten „großherzig und weise zugleich“ sein, so der Patriarch: „Kontrolliert genau, wen Ihr in Eure Länder lasst“, so der Appell des Patriarchen.

Für den Irak sieht der Patriarch nur dann eine positive Zukunft, wenn es zu einer strikten Trennung von Religion und Staat kommt „und alle Bürger gleiche Rechte und Pflichten haben“.

(kap 22.02.2017 sk)








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