2017-02-19 08:03:00

„In Syrien kämpfen Christen für und gegen Assad“


Christen in Syrien – das Thema hat längst die Schlagzeilen der Weltpresse erreicht. Und trotzdem stellen sich viele Fragen in diesem Bereich: Stehen Syriens Christen vor der Vernichtung? Halten sie sich zu eng ans Regime? Gibt es Christenverfolgung in Syrien? Und stimmt es, dass auf den syrischen Schlachtfeldern auch christliche Milizen mitmischen?

Mit diesen und ähnlichen Fragen beschäftigen wir uns heute. Unser Gesprächspartner ist Otmar Oehring, lange Zeit Menschenrechtsexperte beim katholischen deutschen Hilfswerk Missio und jetzt Koordinator für internationalen Dialog der Religionen der Konrad-Adenauer-Stiftung. Oehring hat gerade eine ausführliche Analyse zum Thema „Syrische Christen“ vorgelegt.

Frage an Oehring: Stimmt es, dass Syriens Christen unverbrüchlich zum Assad-Regime stehen, wie diverse Kirchenführer das immer wieder bekräftigen?

Oehring: „Das stimmt so nicht. Es gibt zwar Angaben aus Kirchenkreisen, nach denen nach wie vor achtzig Prozent der Christen auf Assads Seite stünden, aber das muss man nicht glauben. Christen kämpfen für und gegen das Regime, militärisch wie politisch in der Opposition. Und in noch viel größerer Zahl haben sie mit den Füßen entschieden, haben die Heimat verlassen, sind zu Binnenflüchtlingen oder Flüchtlingen geworden. Da stellt sich natürlich die Frage, ob sie zurückkehren werden – das wird man sehen. Auch daran zeigt sich, dass die Behauptung, alle Christen stünden zum Regime, nicht unbedingt richtig ist.“

Frage: Aber die Kirchenführer scheinen sehr deutlich auf der Seite des Regimes zu stehen. Sie überschlagen sich ja teilweise mit Lob und Verständnis für Assad. Haben die sich – brutal gefragt – kaufen lassen?

Oehring: „Man muss zunächst einmal sehen, dass man vor 2010 öffentlich überhaupt nichts anderes sagen konnte, weil man sich sonst womöglich in massive Schwierigkeiten gebracht hätte! Außerdem muss man einräumen, dass die Lage für die Christen in Syrien (genauso wie im Irak unter Saddam Hussein) natürlich viel günstiger war als in vielen anderen islamischen Ländern der Region – und das trotz der Tatsache, dass auch in Syrien der Präsident ein Muslim sein muss und die islamische Jurisprudenz eine wesentliche Quelle der Rechtssetzung ist.

Was den Christen zugestanden war und ist, ist Kultusfreiheit, Gottesdienstfreiheit. Und das war natürlich in Syrien schon relativ viel im Vergleich mit anderen Ländern der Region. Zudem konnten sie ohne Probleme Kirchen und kirchliche Gebäude errichten; Einschränkungen wie zum Beispiel in Ägypten hat es dabei nicht gegeben, der Staat hat in Einzelfällen sogar Grundstücke für den Bau von Kirchen zur Verfügung gestellt…

Insgesamt muss man sagen: Die Kirchen waren frei, als sie sich nicht um die Politik gekümmert und diesbezüglich die Augen verschlossen haben. Folglich kann man durchaus sagen, dass sie sich haben kaufen lassen – genauso wie übrigens auch die sunnitischen Muslime. Wäre das nicht so gewesen, gäbe es das Regime schon lange nicht mehr!“

Wenn Sie oben auf das Audio-Symbol klicken, können Sie unser ganzes Gespräch mit Oehring hören.

(rv 19.02.2017 sk)








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