2017-02-01 16:07:00

DBK: Hirtenwort nicht der „kleinste gemeinsame Nenner“


Die deutschen Bischöfe haben sich die Abfassung ihres Hirtenwortes zur Ehe- und Familienpastoral nicht leicht gemacht und sich nicht auf den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ beschränken wollen, insbesondere was den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen angeht. Vielmehr hätte sich der Lernprozess, den der deutsche Zirkel der Bischofssynode in Rom durchgemacht hätte, in der Diskussion der Bischofskonferenz geradezu wiederholt. Das sagte uns im Gespräch der Berliner Erzbischof Heiner Koch. Er ist Vorsitzender der Kommission „Ehe und Familie“ der Deutschen Bischofskonferenz. 

Hier hören Sie das gesamte Interview: 

 

RV: Sie haben ja in Ihrem Hirtenwort vier Punkte aus Amoris Laetitia besonders hervorgehoben [Ehevorbereitung, Ehebegleitung, Familie als Lernort des Glaubens und Zerbrechlichkeit von Ehe und Familie]. Warum haben Sie sich gerade für diese Punkte entschieden?

Erzbischof Koch: Wir haben diese Punkte ausgewählt, weil wir überzeugt sind und aus unserer Erfahrung wissen, dass in diesen Fragen pastorale Kernanliegen in unseren Gemeinden, unserer Gemeinschaft und in der Gesellschaft bestehen. Hier hat das Wort Amoris Laetitia für uns alle eine ganze große Lebensbedeutsamkeit: für die Eheleute, für die Gesellschaft und für die Kirche im Ganzen.

RV: Der Passus, in dem es um den Zugang wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion geht, ist ja der deutlich längste in dem gesamten Hirtenwort. Das lässt für Beobachter vielleicht auch darauf schließen, dass es innerhalb der Bischofskonferenz dazu Gesprächsbedarf gab. Ist das tatsächlich so, oder waren sich alle Bischöfe darüber einig, was Papst Franziskus sagen wollte?

Erzbischof Koch: Wir haben uns wirklich Zeit genommen, um zu ringen und darüber zu sprechen, was Papst Franziskus gesagt hat, was das für uns bedeutet, und welche Konsequenzen wir für die Kirche daraus ziehen. Es war tatsächlich ein Ringen. Ich hatte manchmal den Eindruck, dass wir den Lernprozess des deutschen Zirkels bei der Synode, die ich miterlebt habe, eigentlich als Lernprozess weitergeführt haben. Bei dem Thema „Ehe und Familie“ sind ja immer viele Fragen betroffen, die von theologischer und pastoraler Reichweite sind und weit über das konkrete Anliegen hinausgehen: Naturrecht, Sakramentenverständnis, Kirchenverständnis, was ist Pastoral, welche Hilfe sollen wir geben und wie stehen Ehe und Familie in unserem Verständnis heute in der gesellschaftlichen Diskussion, wo es so wenig selbstverständlich ist, zu heiraten und Familie zu gründen. Das hat uns in einen langen Prozess des Nachdenkens und des Suchens geführt und wir wollten nicht nur den kleinsten gemeinsamen Nenner finden, nach dem Motto „Das schreiben wir als Minimaltext, zitieren ein bisschen den Heiligen Vater“, sondern das ist uns wichtig und hier nehmen wir uns selbst in die Pflicht. Und vor allem haben wir hier eine Botschaft.

RV: Besonders fällt ja auf in diesem Passus, dass Sie eine stärkere Betonung auf die Gewissensentscheidung des Einzelnen für oder gegen einen Sakramentenempfang gelegt haben. Gibt es denn da nicht die Befürchtung, dass Pfarrer jetzt von ihren Gemeindemitgliedern unter Druck gesetzt werden können?

Erzbischof Koch: Zunächst einmal: Wir haben in keiner Weise irgendetwas hinzugefügt oder erweitert, was Papst Franziskus nicht gesagt hätte und zum Ausdruck gebracht hat. Das ist das erste, das war uns ganz wichtig. Die Loyalität mit dem Heiligen Vater, die wollten wir wahren und die haben wir auch gewahrt, das ist unser zentrales Anliegen. Das zweite ist: Wir halten an der Lehre der Kirche fest. Papst Franziskus hat die Lehre über die Ehe - die ja eine freudige Botschaft ist - die Freude der Liebe, nicht verändert. Daran wollten wir nicht im geringsten irgendwelche Zweifel aufkommen lassen. Das dritte ist: Für uns wird bei der Gewissensentscheidung deutlich, dass dies ein dialogisches Geschehen ist, eine Entscheidung, die der Einzelne treffen muss mit seiner Lebenssituation, seiner Familie, seinem Partner bzw. Partnerin, mit Gott im Gebet, mit dem Theologen, mit dem Seelsorger. Wir können ihn nur bei dieser Gewissensentscheidung begleiten, wir können ihm aber diese nicht abnehmen. Wir müssen und wollen ihm in dem Prozess auch sagen, was die christliche und kirchliche Botschaft ist und warum sie so ist, damit er dann auch wirklich eine Gewissensentscheidung treffen kann.

RV: Bevor eine Ehe scheitern kann, muss sie ja auch erst einmal geschlossen werden - Sie betonen in Ihrem Schreiben auch, dass die Ehevorbereitungspastoral noch stärker ausgebaut werden sollte. Gab es denn da in Ihren Kreisen auch konkrete Ideen, wie man mehr Paare und diese noch intensiver erreichen kann?

Erzbischof Koch: Wir machen einfach die Erfahrung, dass vielen nicht mehr der natürliche Weg des Ehekatechumenats gegeben ist. Die eigene Familie, aus der sie rausgewachsen sind und in der sie Kinder waren, viele erleben solche Familien nicht mehr. Viele erleben das Scheitern. Und in unserer Gesellschaft, gerade hier in Deutschland und vielleicht noch mehr in Berlin, ist das, was wir unter Ehe verstehen, bei weitem nicht mehr selbstverständlich. Wenn hier ein junges Paar heiratet und Freundinnen und Freunde dabei sind, die nicht getauft sind, dann verstehen die oftmals dieses Paar nicht mehr und was das ganze soll - es ist nur noch Tradition und Brauchtum.

Deshalb müssen wir die Ehevorbereitung schon auf dieses Glaubenszeugnisses hin stärken. Und wir müssen sie stärken, weil schlicht und ergreifend ohne Glauben und ohne das Grundgefüge des Glaubens auch solche Aussagen wie „Die Ehe ist der Ort Gottes in der Gemeinschaft dieser Menschen“ gar nicht verstanden werden. Da brauchen wir viel mehr Zeit und viel längere Phasen. Wir werden in der Ehekommission die Modelle, die es gibt, sammeln und in Austausch bringen. Da werden wir uns in der nächsten Zeit auch verständigen, dass wir dann schlicht und ergreifend untereinander sagen: Hier sind einige gute Modelle. Aber die Verantwortung des einzelnen Bischofs für die Pastoral in seinem Bistum bleibt erhalten. Und klar ist auch: Wir werden hier auch in Zukunft noch viele neue Wege entdecken müssen, weil sich die gesellschaftliche und kirchliche Situation für viele Christen so verändert hat. 

(rv 01.02.2017 cs)








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