2017-01-25 16:02:00

Papst: Plädoyer für ökumenische Offenheit


„Nach Jahrhunderten der Trennung“ sollten die Christen ein „Evangelium der Versöhnung verkünden“: Dazu hat Papst Franziskus an diesem Mittwoch aufgerufen. Weniger „Image-Pflege“ und mehr Vertrauen darauf, dass der Heilige Geist eine „neue Zukunft“ herbeiführen kann, so lautete das ökumenische Rezept des Papstes. Über dem Grab des Völkerapostels Paulus feierte er die Vesper, mit der traditionsgemäß am Fest der Bekehrung des Paulus die Weltgebetswoche für die Einheit der Christen zu Ende geht.

Ein Damaskus-Erlebnis für die getrennten Kirchen wünschte sich der Bischof von Rom: Die Begegnung mit Jesus auf der Straße nach Damaskus habe ja vor 2.000 Jahren das Leben des heiligen Paulus „von Grund auf“ verwandelt, seit diesem Moment habe er nicht mehr „auf die eigenen Kräfte vertraut“, sondern „sich ganz und gar an die gegenleistungsfreie und unverdiente Liebe Gottes geklammert“. „Es handelt sich nicht um unsere Liebe zu Christus, sondern um Christi Liebe zu uns. In gleicher Weise ist die Versöhnung, zu der wir gedrängt werden, nicht einfach unsere Initiative: An erster Stelle ist sie die Versöhnung, die Gott uns in Christus anbietet. Mehr als ein menschliches Bemühen der Gläubigen, die versuchen, ihre Spaltungen zu überwinden, ist sie zuerst einmal eine ungeschuldete Gabe Gottes.“ Soll heißen: Fortschritte in der Ökumene können wir nicht selbst machen, sondern Gott wirkt sie. Das hat so ähnlich auch der emeritierte Papst Benedikt XVI. immer wieder betont.

Sich nicht auf Berechnungen und Vorteile stützen

„Wie kann man dieses Evangelium der Versöhnung nach Jahrhunderten der Trennung verkünden? Paulus selbst hilft uns, den Weg zu finden. Er betont, dass die Versöhnung in Christus nicht ohne Opfer geschehen kann. Jesus hat sein Leben hingegeben und ist für alle gestorben. Ähnlich sind die Botschafter der Versöhnung in seinem Namen aufgerufen, ihr Leben hinzugeben... Das ist die christliche Umwälzung aller Zeiten: nicht mehr für uns selber zu leben, für unsere Interessen und unsere Image-Pflege, sondern nach dem Bild Christi, für ihn und nach ihm, mit seiner Liebe und in seiner Liebe.“

Für die Kirche und für jede christliche Konfession bedeute das „eine Einladung, sich nicht auf Programme, auf Berechnungen und Vorteile zu stützen“ und nichts „auf die Zweckmäßigkeiten und derzeitigen Moden“ zu geben, so Franziskus. Stattdessen sei „im ständigen Blick auf das Kreuz des Herrn“ der Weg zu suchen: „Dort ist unser Lebensprogramm.“

„Es ist auch eine Einladung, aus jeder Abschottung herauszukommen, die Versuchung der Selbstbezogenheit zu überwinden, die verhindert, das zu erfassen, was der Heilige Geist außerhalb der eigenen Räume wirkt. Eine echte Versöhnung zwischen den Christen wird sich verwirklichen lassen, wenn wir verstehen, wechselseitig die Gaben des anderen anzuerkennen, und fähig sind, demütig und aufmerksam voneinander zu lernen, ohne zu erwarten, dass zuerst einmal die anderen von uns lernen.“

Die Vergangenheit hinter uns lassen

Der Papst ist überzeugt davon, dass auch die katholische Kirche viel von anderen christlichen Kirchen zu lernen hat: In seiner Programmschrift Evangelii Gaudium vom Herbst 2013 hat er zum Beispiel klargemacht, dass die katholische Kirche sich von der synodalen Struktur der orthodoxen Kirchen eine Scheibe abschneiden könnte. In St. Paul vor den Mauern warb Franziskus am Mittwochabend darum, „unseren alten Lebensstil in die Vergangenheit zu verbannen“ und offen zu werden für Neues.

„Zurückzublicken ist hilfreich und überaus notwendig, um das Gedächtnis zu reinigen. Aber sich auf die Vergangenheit zu versteifen, indem man sich dabei aufhält, an erlittenes und verübtes Unrecht zu denken und nach rein menschlichen Kriterien zu urteilen, kann lähmend sein und verhindern, dass man in der Gegenwart lebt. Das Wort Gottes ... verlangt von uns, die Vergangenheit hinter uns zu lassen, um Jesus im Heute zu folgen und in Ihm ein neues Leben zu leben.“

Ziel sei eine Überwindung der Spaltungen und eine vollkommene, sichtbare Einheit der Gläubigen, so Franziskus. Er nannte es „bemerkenswert“, dass Katholiken und Lutheraner in diesem Jahr gemeinsam des Beginns der protestantischen Reformation vor fünfhundert Jahren gedenken. Das sei „durch Gott und das Gebet im Laufe von fünfzig Jahren gegenseitiger Bekanntschaft und ökumenischen Dialogs“ möglich geworden.

An der Vesper mit dem Papst nahmen viele ökumenische Besucher teil, etwa ein Vertreter des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, ein persönlicher Vertreter des anglikanischen Primas von Canterbury oder Studenten, die zu orthodoxen und altorientalischen Kirchen gehören. Der Pfarrer der lutherischen Gemeinde Roms, Jens-Martin Kruse, las die Lesung vor. Franziskus hat die Pfarrei im November 2015 besucht.

(rv 25.01.2017 sk)








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