2017-01-05 10:57:00

Wahljahr 2017: „Nicht wieder Kreuzzugsmentalitäten!"


Ein Superwahljahr hat begonnen: Nicht nur in Deutschland werden mehrere Landtage und der Bundestag gewählt, sondern auch in den Niederlanden und Frankreich wählen die Bürger in diesem Jahr. Parteien wie die Alternative für Deutschland (AfD) und Front National, denen oft Rechtspopulismus vorgeworfen wird, hoffen auf den Einzug in die Parlamente oder darauf, wie in Frankreich sogar den Präsidenten stellen zu können.

Hans-Jochen Jaschke, emeritierer Weihbischof in Hamburg, ist in öffentlichen Debatten und Talk-Shows ein kritischer Beobachter der Gesellschaft, er schaut „mit Schrecken“ auf die Prozentzahlen der AfD. „Wir tun nicht recht daran, wenn wir den Menschen so hinterherlaufen und mit Parolen, die der AfD entsprechen würden, zufriedenstellen würden,“ so Jaschke gegenüber Radio Vatikan. Die aktuelle gesellschaftliche Mentalität der Skepsis und Meckerei bezeichnete er als „erbärmlich“.

Die Kirche müsse die Menschen ernst nehmen, auch mit ihren Stimmungen und Ängsten, „aber wir müssen sie herausholen aus einer allgemeinen Haltung der Unzufriedenheit und der Unsicherheit und einer Mentalität des Suchens von Sündenböcken, wie etwa die Kanzlerin. Das ist eine ungesunde Haltung, die christlich nicht zu rechtfertigen ist.“

Staunen über Arroganz und Unverschämtheit

Die AfD biete in ihren Parolen Lösungen an, die es gar nicht gäbe, so der 75-jährige, und seien als „Rattenfänger“ unterwegs. „Ich kann nur staunen über die Arroganz und die Unverschämtheit mit der sie einen an der Nase herumführen wollen.“ Jaschke kritisierte aber auch die Teile etablierten Parteien, die sich treiben ließen vom Populismus. So gäben die Bischöfe zwar weder Wahlempfehlungen ab, noch sei die Kirche einer Partei verbunden, „aber wenn Parteien“, so Jaschke, „die, die den Namen ‚christlich‘ in der Überschrift tragen und sich so verhalten, dann kann man die eigentlich kaum noch wählen.“

Jaschke habe Verständnis für die Ängste und Gefühle vieler Leute: „Ich arbeite ja in Hamburg Sankt Georg und das ist vielfach ‚Klein-Istanbul‘. Da kommt man sich fremd vor.“ Um nicht weitere Ängste zu schüren, müsse auch mit einer Angst vor Überfremdung und einer „islamischen Gefahr“ richtig umgegangen werden.

Die Angst vor der Überfremdung

In Bezug auf den Umgang mit dem Islam in Deutschland, spricht sich Jaschke, der jahrelang die Unterkommission der deutschen Bischöfe für den interreligiösen Dialog leitete, für eine Haltung des Dialogs, die von Muslimen aber oft missverstanden und nicht akzeptiert würde, aus. Die Debatte um den Islam sei sehr kompliziert und die Kirche müsse Fragen um Staatsverträge und Islamunterricht kritisch begleiten, aber „wir kommen nicht weiter, wenn wir wieder Kreuzzugsmentalitäten entwickeln“, so der Weihbischof. Es ginge darum, eine klare Kante zu zeigen, wenn man als Partner im Gespräch nicht Ernst genommen würde, aber dennoch zu versuchen im Gespräch zu bleiben.

Zu einer christlichen Kultur gehören Werte wie Offenheit, Toleranz, Freiheit und auch die Freiheit der anderen, die einen Freiraum schafften. Jaschke sagt: „Wir merken, dass andere die Schwäche ausnutzen und die Freiräume auf ihre Weise füllen und besetzen. Wir müssen diese Freiräume vernünftig besetzen und gestalten.“  Dazu brauche es Geduld. „Wir kommen nur weiter, wenn wir lernen, uns zu respektieren. Wir müssen vernünftig bleiben und an die Vernunft appellieren!“

(rv 05.01.2017 dh)








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