Die Politik sollte sich ehrlich mit mehr Generationengerechtigkeit auseinandersetzen.
Das hat Kardinal Christoph Schönborn im zweiten Teil des großen „Kurier"-Weihnachtsinterviews
(Montag-Ausgabe) eingemahnt. „Warum gelingt es uns in diesem Land nicht, offen über
Generationengerechtigkeit zu sprechen?", so der Kardinal wörtlich. Es sei eindeutig,
dass die jüngere Generation am Gerechtigkeitskuchen weniger Anteil haben wird als
die Älteren. Er wünsche sich, „dass man sich in der Politik traut, die Dinge beim
Namen zu nennen". Die Politik der Halbwahrheiten bringe nichts. Zur Frage nach seinem
Weihnachtswunsch an die Österreicher meinte der Kardinal: „Aufeinander zugehen und
sagen: Wir haben doch ein wunderbares Land, das uns gemeinsam anvertraut ist."
Auf die Missbrauchsthematik angesprochen bekräftigte der Vorsitzende der Bischofskonferenz,
dass es für die Kirche keinen Schlussstrich unter dieses Thema geben könne, „weil
die Gefahr des Missbrauchs immer da ist". Zur Zeit komme das Thema Missbrauch auch
im Sport zur Sprache. „Es gibt sicher noch weitere Bereiche in der Gesellschaft, wo
dieser ehrliche Umgang, um den wir uns in der Kirche bemüht haben, noch fehlt", so
Schönborn.
„Europa nicht zur Festung ausbauen"
Die Frage, wie viele Flüchtlinge ein Land aufnehmen kann, sei völlig berechtigt, so
Schönborn weiter: „So lange wir zwischen den Aufnahmeländern ein so großes Ungleichgewicht
haben, ist es verständlich, dass man sagt: Österreich kann nicht eine Last tragen,
vor der sich die anderen drücken." Dichte Grenzen seien freilich keine Lösung. "Wir
können Europa nicht zur Festung ausbauen." Darauf angesprochen, dass Politiker im
Wahlkampf Gott ins Spiel bringen meinte Schönborn wörtlich: „Ich kann nur sagen: Möge
es authentisch sein."
Absolut authentisch erlebe er auf jeden Fall Papst Franziskus, bekräftigte der Wiener
Erzbischof: „Ich bin begeistert vom Papst und freue mich einfach, dass er auch für
so viele Menschen, die mit Kirche und Religion wenig zu tun haben, so glaubwürdig
ist."
Frauen mit geistlicher Kompetenz fördern
Auf die Bemerkung, dass in der Gesellschaft eine ganz große Sehnsucht nach Spiritualität
existiere, die die christlichen Kirchen aber offenbar nicht stillen können und Mitglieder
verlieren, gab der Kardinal zu bedenken, dass Menschen dann zurückkommen, „wenn sie
eine persönliche Glaubenserfahrung machen". Schönborn: „Jesus hat schon den damaligen
Pharisäern vorgeworfen, dass sie den Schlüssel zur Erkenntnis verlegt haben. Diese
Gefahr besteht natürlich. Daher braucht es mehr denn je geistliche Meister." Darunter
verstehe er aber nicht nur Priester. „Ich habe wunderbare Laien erlebt, die eine ganz
große geistliche Kompetenz haben."
Zur Frage, wann Frauen zum Priesteramt in der katholischen Kirche zugelassen werden
antwortete der Kardinal wörtlich: „Das kann ich nicht beantworten, aber eines weiß
ich sicher: Es gibt sehr viele Frauen mit großer geistlicher Kompetenz, und ich versuche
sie auch sehr zu fördern."
Schließlich galt es im „Kurier"-Interview noch die Frage zu klären, ob es das Christkind
gibt. Schönborn dazu: „Das gibt es natürlich. Es ist die große Freude des Weihnachtsfestes.
Dass man ab einem gewissen Alter den Kindern erklärt, dass das Christkind nicht persönlich
die Geschenke unter den Christbaum gelegt hat, ist in Ordnung."
Im ersten Teil des Interview mit "Kurie" sprach der Kardinal unter anderem über eine Weiterentwicklung des Islam und über Religionsfreiheit.
(kap 19.12.2016 gs)
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