2016-12-16 10:03:00

Jesuiten würdigen Papst: Frei und volksnah, klug und mutig


Als „freien Menschen“ beschreibt der ehemalige Vatikansprecher Pater Federico Lombardi Papst Franziskus. Fest macht Lombardi diese Eigenschaft an der Unberechenbarkeit des Papstes in Wort und Tat und an seinem Schutz des eigenen Privatlebens. „Nach der Wahl von Papst Franziskus stand ich wieder am Anfang“, bekennt Lombardi, der bereits unter Benedikt XVI. Vatikansprecher war. „Ich musste mich darauf beschränken, mit gewissen Dingen zu rechnen. Ich musste auf die ideale, totale Kontrolle über den Terminkalender des Chefs verzichten, von der ich einst geträumt hatte.“ Vorher sei in Rom ein „gewisser Ärger“ über die Macht der päpstlichen Privatsekretäre umgegangen, erinnert sich der Jesuit: Diese Sekretäre „waren so firm darin, den »Geist« ihres Vorgesetzten zu deuten, dass sie sich beinahe an dessen Stelle setzten“; der Papst sei in diesem Kontext bisweilen als „Gefangener der Kurie“ bezeichnet worden. Mit Franziskus, der zwei Privatsekretäre einsetzte, habe sich die Lage geändert, so Lombardi. Auch seine Residenz im Gästehaus Santa Marta erlaube ihm, „flexiblere Beziehungen zu unterhalten als im Apostolischen Palast“ und „auch mal persönlich, abseits der offiziellen Wege“, einen Termin auszumachen. Für Franziskus gebe es „noch eine private Dimension seines Lebens“, so Lombardi weiter. Zu dieser gehörten „Freundschaft und Seelsorge, die sich der Förmlichkeit der Institutionen entziehen“. Es gelte, diese Dimension „zu respektieren und zu schützen“: „Ich habe schnell gelernt, dass es seine Richtigkeit hatte, wenn ich in diesem Bereich weder informiert noch um Informationen gebeten wurde.“ Federico Lombardi war von 2006 bis 2016 Pressesprecher des Heiligen Stuhls. Der Italiener leitet jetzt die Joseph-Ratzinger-Stiftung.

Papst öffnet Kirche für Veränderungsprozesse

Der Jesuit Klaus Mertes, Leiter des St. Blasien Kollegs im Schwarzwald, hebt die „Klugheit“ des Papstes hervor. Franziskus habe als argentinischer Jesuitenprovinzial gelernt, dass man ein „autoritäres System nicht autoritär verändern“ könne, so Mertes, der an dem Papst lobt, dass dieser die Eigenverantwortlichkeit der kirchlichen Glieder betone. So setze er etwa bei der Frage des Abendmahls für gemischtkonfessionelle Ehepaare auf Vorschläge der Bischöfe. Wer Franziskus würdigen wolle, dürfe „nicht nur auf ihn schauen“, folgert Mertes, sondern müsse „darauf vertrauen, dass die Veränderung der Kirche und die Erneuerung der Christenheit ihren Gang gehen“: „Das Ergebnis steht nicht schon in dem Moment fest, wo das Neue beginnt. Papst Franziskus öffnet die Kirche für Veränderungsprozesse.“

Papst ohne Berührungsängste

„Dieser Papst lässt sich berühren. Er umarmt frisch verheiratete Paare bei der Generalaudienz, Menschen mit Behinderung, Flüchtlinge, Obdachlose und Kranke. Diese Berührbarkeit ist etwas Neues im Papstamt“, schreibt P. Bernd Hagenkord, Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan. Franziskus‘ physische Zugänglichkeit rühre daher, dass er Menschen möge, und funktioniere „auch in Kulturen, wo Umarmungen nicht zur Normalität gehören“, wie man bei der Papstreise nach Korea gesehen habe. Die tiefere Ursache für die „Nahbarkeit“ dieses Papstes ortet Hagenkord in Bergoglios Konzept einer „Mystik“ der menschlichen Nähe, die er in seinem Schreiben Evangelii gaudium reflektiert. „Mystiker umarmen andere Menschen, sind anfassbar. Sie kommen zwar manchmal chaotisch daher – doch das ist ihre Art, nahe bei Gott zu sein und selber berührbar zu bleiben“, kommentiert Hagenkord.

Glaubwürdig und ehrlich

Pater Hans Zollner, Vize-Rektor der Päpstlichen Universität Gregoriana, hebt die Glaubwürdigkeit des Papstes hervor: „Was auch immer die Leute am Papst auszusetzen haben: Keiner hat je behauptet, Franziskus sei unglaubwürdig“, so Zollner, der Mitglied der Kinderschutzkommission im Vatikan ist. Diese Glaubwürdigkeit zeige sich in der einfachen Sprache des Papstes und der Übereinstimmung zwischen seinen Worten und Taten, findet Zollner: „Er tut, was er sagt. Er spricht aus, wovon er überzeugt ist, und lebt vor, was er predigt.“ Dabei wisse der Papst sehr wohl, wer er sei, sehe aber „auch die Grenzen seines Amtes“. Dass das Papstamt Bergoglio verändert hat, galubt Zollner nicht: Franziskus sei „derselbe“ geblieben, „der nach seiner Wahl auf die Loggia des Petersdoms trat, mit dem familiären Gruß Buona sera“.

(die zeit 16.12.2016 pr)








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