2016-12-02 14:08:00

D: Vom Flüchtlingshelfer zum WG-Mitbewohner


Vom Helfer für Flüchtlinge zum WG-Mitbewohner von Flüchtlingen: diesen Schritt wollen zwei Jesuiten nun in Essen wagen. Vier Jahre gab es keine Jesuiten in der Stadt, jetzt sind sie mit einem neuartigen Projekt zurückgekehrt, was Essens Bischof Franz-Joseph Overbeck ganz besonders freut. 

Normalerweise heißen die Orte, wo sich Jesuiten niederlassen, Kommunität. Nicht so bei dem Projekt von Pater Lutz Müller. Seine Kommunität in Essen nennt sich „Willkommenskommunität“: „Der Begriff steht dafür, dass es sozusagen keine reine Jesuiten-Kommunität wird, sondern eine gemischte, eine Flüchtlings-Kommunität. Zwei Jesuiten werden mit acht Flüchtlingen zusammen leben. Das Zusammenleben bedeutet, Leben teilen. Wir lassen uns ein auf eine unmittelbare Begegnung mit den geflüchteten Menschen, in dem wir mit ihnen unter einem Dach leben, unseren Alltag mit ihnen teilen, eine gemeinsame Kasse haben, miteinander einkaufen, miteinander das Haus putzen. Wir teilen uns die Verantwortung für alles, was das Haus ist.“

Die Jesuiten werden im Dachgeschoss wohnen und die acht Flüchtlinge auf den anderen beiden Etagen. So hat jeder der WG-Mitbewohner seine Privatsphäre. Es klingt wie eine Männer-WG. Und genau das soll es auch sein, soll den Charakter des Projektes bestimmen. Und genau dieser Charakter ist neu für die Jesuiten. „Bisher haben wir für Flüchtlinge gearbeitet, wir haben ihnen geholfen, haben Lobby-Arbeit für sie gemacht, wir haben wissenschaftliche Bücher über sie geschrieben, wir waren weltweit in Flüchtlingslagern, haben für sie gearbeitet. Da waren wir immer in der Rolle der Helfer und jetzt gehen wir in die Rolle der Mitlebenden. Da haben wir keine Erfahrung, das ist ein Experiment. Also ich fühle mich gerade wie ein Pionier, der was ganz neues gründet und ausprobiert, denn es gibt bei uns noch keine vergleichbare Erfahrung.“

Es liegt in der Jesuiten-Schublade also kein Plan, wie so ein Zusammenleben funktionieren kann. Aber geplant ist natürlich, den überwiegend anerkannten Flüchtlingen in ihrem Alltag zur Seite zu stehen, wie man das in einer nicht reinen Zweck-WG eben so macht. Hier bei der Willkommenskommunität bedeutet das, die Mitbewohner bei Behördengängen, bei der Jobsuche oder beim Deutschlernen zu unterstützen. „Aber nicht in dem Sinn, dass wir die Regie über ihr Leben übernehmen. Sondern wir werden ihnen punktuell helfen, sich zurechtzufinden. Denn das Ziel ist ja, irgendwann zu sagen: Mustafa oder Omar, du bist jetzt eigentlich in der Lage, in eine eigene Wohnung zu ziehen und dich selbstständig zu machen, weil die Hindernisse für eine Integration sehr klein geworden sind so dass du jetzt ein eigenständiges Leben anfangen kannst.“

Geflüchtete Menschen auf ihrem Weg in ein komplett eigenständiges Leben in Deutschland zu führen, ist die eine Seite der WG. Aber was lernt der Jesuit von den Flüchtlingen? „Meine Auslandserfahrung ist bisher die, man kann alles anders machen als wir es hier in Deutschland gewohnt sind. Alles. Und es funktioniert trotzdem. Daher erhoffe ich mir, dass ich einen anderen Lebensstil, andere Umgangsformen mit ganz vielen Fragen und Phänomenen erlernen kann. Was genau das bedeutet, muss sich noch zeigen. Aber meine Hoffnung ist, dass ich so viel vom Leben der Geflüchteten mitbekomme, dass ich sehe: Aha, so geht’s auch und es ergibt Sinn.“

Dass das Projekt der Jesuiten Sinn macht, hat auch die Gemeinde gesehen, in die Müller und seine WG ziehen. Viele haben ihre Unterstützung angeboten, Möbel zu organisieren oder Deutschunterricht anzubieten.

Noch ist das Haus nicht bezugsfertig, aber zumindest einen Namen hat es schon. Es wird „Abuna-Frans-Haus“ heißen. „Es geht um Pater Frans van der Lugt. Das ist ein Jesuit, der 2014 in Homs erschossen wurde. Pater van der Lugt steht für ein Zugehen und eine kommunikative Vermittlung zwischen Christen und Muslimen. Er selbst hat 40 Jahre in Syrien gelebt. Er verkörpert sicher Ideale, die wir auch umsetzen wollen. Eine Begegnung über die Grenzen der Religion und Konfession hinweg, eine Verständigung auf einen gemeinsamen Lebensstil, auf eine gemeinsame Lebensform in aller Breite, aber auch als Einheit.“

Müller und Ludger Hillebrand, der zweite Jesuit der WG, sind schon in Essen und bereiten alles vor, so dass die WG vielleicht schon im April 2017 bezugsfertig ist.

(rv 02.12.2016 pdy)








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