2016-11-26 13:16:00

Bibel: „Jesu Bilder sprechen mehr als ein Moralvortrag“


Vorgestellt wurde sie schon auf der Frankfurter Buchmesse, und pünktlich zum Weihnachtsgeschäft kommt sie wohl nun auch auf den Markt: die revidierte Einheitsübersetzung der Bibel. Zehn Jahre lang wurde an ihr gearbeitet, und die Vorgaben waren nicht ganz ohne: Auf der einen Seite sollte sie zeitgemäßer werden, auf der anderen Seite sollte sie aber auch näher am Urtext bleiben. Der emeritierte Bischof Joachim Wanke von Erfurt hat mit an ihr gearbeitet und sprach mit Stefan von Kempis über den Relaunch.

Radio Vatikan: Bischof Wanke, warum war die neue Bibelübersetzung überhaupt nötig?

Bischof Joachim Wanke: „Das ist keine neue Übersetzung, sondern eine revidierte Ausgabe der bisher bekannten Einheitsübersetzung, die die Übersetzung aller deutschsprachigen katholischer Bistümer ist. Insofern ist vieles erhalten von der Einheitsübersetzung, aber sie ist doch durch die Veränderungen unseres Sprach- und Hörempfindens und auch wegen neuer Textgrundlagen einer Revision unterzogen worden. Die wird auch in 30 Jahren wieder fällig sein.“

RV: Was sind Bibelstellen, wo sie bei der neuen revidierten Übersetzung sagen, da hat sich wirklich etwas verändert?

Wanke: „Ich nenne ein Beispiel, das auch eine theologische Bedeutung hat, und zwar in Psalm 23, der gute Hirte. Da heißt es am Ende jetzt: ‚Und ich werde heimkehren in das Haus des Herrn für lange Zeit‘. Bisher hieß es: ‚Im Haus des Herrn darf ich wohnen für lange Zeit‘. Nun heißt es nicht mehr ‚wohnen‘, sondern ‚heimkehren‘. Da [Anm. d. Red.: im Haus des Herrn] ist unser Ursprungsort und das ist mehr als wohnen. Nicht nur für immer, in der Ewigkeit geht es nicht um die Verlängerung des Irdischen und unserer Zeit. Sondern ‚für lange Zeit‘ heißt, bei Gott in einer neuen Qualität des Daseins... Das ist eine biblische Redewendung, so wie wenn Jesus sagt, ‚du sollst 77 mal verzeihen‘. Er meint damit nicht, beim 78. Mal kann ich den anderen zusammenschlagen, sondern du sollst immer verzeihen. Das sind so Feinheiten, die deutlich machen, was der Psalm eigentlich sagen will.“

RV: Sie reden sehr liebevoll über im Detail revidierte Textstellen. Gibt es denn einen Überraschungseffekt, den Sie bei der Revision des Bibeltextes hatten?

Wanke: „Ja. Und zwar, dass manche Dinge der alten Texte durchaus sprechen, obwohl sie schon so alt sind. Diese alte Theorie, man müsse das, was damals gemeint ist, modern und teasig im heutigen Deutsch ausdrücken, das stimmt so nicht. Es bleiben bestimmte Aussagen auch zeitlos gültig. Das ist das Großartige an der Bildsprache Jesu. Denken Sie, was er für säkulare Beispiele nimmt, um die Reich-Gottes-Botschaft verständlich zu machen, zum Beispiel der ungerechte Richter, die böswilligen Verwalter, die ihre Knechte schlagen, oder der Reiche, der nicht weiß, wohin mit seinen Schätzen, ich will noch größere Scheunen bauen. Solche Bilder benutzt er, um zu zeigen: Was macht dein Leben reich. Das spricht mehr, als wenn ich einen langen Moralvortrag halte.“

RV: Gibt es auch eine Bibelstelle, die für Ihr Gefühl bei der Revision verloren hat?

Wanke: „Ich kann mit gutem Gewissen sagen: Nein! Ich hoffe vielmehr, dass unsere Revision überall ein wenig Verbesserung gebracht hat – mal mehr, mal weniger. Das gebe ich gerne zu. Manches haben wir vielleicht auch übersehen. Aber im Wesentlichen war es der Versuch, auf der einen Seite näher am Urtext zu sein - es klingt also manchmal doch etwas altertümlicher, wenn Sie so wollen - und auf der anderen Seite aber auch das Verstehen der heutigen Zeit mit einzubringen. Also ein Spannungsbogen, der gezogen wurde. Das ist immer ein Wagnis. Wenn es gelingt - das zeigt sich vielleicht im regen Gebrauch. Und wenn man manchmal stutzt oder erschrickt oder meint, dass sei doch nicht so gut. Erst einmal soll man die Texte ausprobieren, verkostenn und dann kommt man vielleicht auf den Geschmack.“

(rv 26.11.2016 sk)

 








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