2016-11-25 10:49:00

Welttag gegen Gewalt an Frauen: Flüchtlinge schützen


 

Wenn Frauen und Mädchen auf der Flucht in Deutschland eintreffen, brauchen sie weiter Schutz. Darauf pochen die Bischöfe Deutschlands in einer Stellungnahme zum Welttag gegen Gewalt an Frauen, der jeweils am 25. November begangen wird. Auch Papst Franziskus meldet sich per Tweet zu Wort: „Wie viele Frauen werden von der Last des Lebens und der Gewalt erstickt! Der Herr will, dass sie frei sind, ihre Würde unangetastet bleibt“, so die Botschaft des Papstes auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Dass Frauen und Mädchen besonders verwundbar sind und vor allem in nichteuropäischen Ländern vielfältigen Formen der Gewalt ausgesetzt sind, wird durch die ansteigende Flüchtlingswelle auch in Europa immer deutlicher. Doch die staatlichen Hilfsleistungen für diese spezielle Gruppe von Flüchtlingen, die oft auch Opfer von Menschenhandel werden, sind in vielen Fällen ungenügend. Das erklärt uns im Interview Irme Stetter-Karp, sie ist seit 2006 Leiterin der Hauptabteilung Caritas in der Diözese Rottenburg-Stuttgart.

„Wir haben seit 2009 einen eigenen Fond aufgemacht, der gezielt für Individualhilfen für Opfer von Zwangsprostitution und Menschenhandel gedacht ist. Wir sind von den vier Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel mit Lücken konfrontiert worden, die die staatlichen Hilfen hinterlassen haben. Es gibt einen Fonds des Landes Baden-Württemberg, der aber beispielsweise Frauen aus Afrika derzeit gar nicht unterstützt.“

Dieser diözesane Fonds, so berichtet Irme Stetter-Karp, habe eine Besorgnis erregende Entwicklung hingelegt: Waren es 2009 noch zehn Anträge, die zur Existenzsicherung bei der Caritas eingegangen sind, stiegen die Anträge Schritt für Schritt über die Jahre, so dass im laufenden Jahr 2016 bereits 45 Anträge mit einem Gesamtvolumen von 34.000 Euro bearbeitet worden sind.

„Insgesamt, im Verhältnis von anderen Nöten, ist das eine kleine Zielgruppe, für die auch wenige sprechen. Ich möchte aber erneut darauf aufmerksam machen, dass es nicht hinreicht, in einer Landesförderung nur die Europäerinnen zu bedenken, denn wir haben inzwischen auch Frauen, die den weiten Weg hierher wagen oder verschleppt werden, je nachdem. Wichtig scheint es uns jetzt klar zu machen, dass der Hilfsbedarf für diese Gruppe enorm gestiegen ist. Wir haben die Verantwortlichen im Sozialministerium hier bereits darauf aufmerksam gemacht und werden das an diesem Tag gegen Gewalt gegen Frauen nochmals tun.“

Insgesamt sei zu beobachten, dass es in den vergangenen zwei Jahren einen stärkeren Zuzug von Frauen und Mädchen aus den verschiedenen Ländern, in denen Krieg und Armut vorherrschen, gegeben habe. Somit steige auch die Anzahl der Personen, die besonderen Schutz nötig hätten, an.

Menschenhandel: Steigende Opferzahlen

„Insbesondere 2015 haben wir festgestellt, dass es immer mehr Frauen gibt, die den riskanten Weg nach Europa gewagt haben, wo sie ja teils zwei Jahre lang unterwegs sind. Immer haben wir auf den besonderen Schutzbedarf der Frauen und Mädchen aufmerksam gemacht, und insgesamt weiß ich auch für die spezifische Gruppe derer, die von Menschenhändlerringen verkauft und verschleppt wurden und beispielsweise zur Prostitution gezwungen worden sind, dank der Statistiken des Landeskriminalamtes, dass hier die Zahlen steigen.“

Konkret gehe es bei den Hilfen der Caritas um Zuschüsse zur Existenzsicherung, aber auch pragmatische Hilfeleistungen wie die Übernahme von Kosten für Reisen, Therapien und Medikamente, die Finanzierung von rechtlichen Erstberatungen, Sprachkursen und Ausweispapieren. Stetter-Karp:

„Ich habe vor mir die Beschreibung aus dem Antrag einer Frau liegen, die als Opfer von Menschenhandel aus Nigeria nach Italien kam – das ist übrigens oft der Weg, dass die Frauen über Italien zu uns kommen. Sie wurde bereits minderjährig von ihrer Tante verkauft und erlebte brutale sexuelle Gewalt in der libyschen Wüste sowie in der Zwangsprostitution in Italien. Mittlerweile konnte sie sich aus den Fängen des Menschenhandel-Netzwerkes lösen und beantragte Asyl in Deutschland. Für das weitere aufenthaltsrechtliche Vorgehen benötigt sie einen nigerianischen Reisepass. Die Beantragung des Passes und die Kosten für die Fahrt nach Berlin übersteigen jedoch ihre finanziellen Möglichkeiten. Einen Anspruch auf Unterstützung aus Mitteln des Landes hat sie aufgrund ihrer Staatsbürgerschaft nicht. Der Fonds zur Unterstützung für Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution der Diözese konnte hier Hilfe leisten.“

(rv 25.11.2016 cs)








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